Franz Schellhorn: Dürfen Linke reich sein?
Pablo Iglesias ist das, was man einen „Starpolitiker“ nennt: Quasi aus dem Nichts formte der Sohn einer Gewerkschafterin eine Sammelbewegung, der die Herzen aus ganz Europa zufliegen. Mit „Podemos“ vereinigte der eloquente Iglesias alle unzufriedenen Spanier links der Mitte, die Bewegung ist drittstärkste Partei Spaniens, sitzt im EU-Parlament und in den Stadtregierungen von Barcelona und Madrid. Für all das haben Iglesias und seine Mitstreiter keine vier Jahre gebraucht – das muss man erst einmal schaffen.
Und dennoch ist Iglesias heute einer der unbeliebtesten Politiker seines Landes. Was ist passiert? Er und seine Lebensgefährtin Irene Montero (sie ist die Fraktionssprecherin von Podemos) haben für 600.000 Euro ein Haus unweit von Madrid erworben. Das Paar erwartet Zwillinge und hat den Immobilienkauf damit begründet, dem Nachwuchs eine „möglichst normale Kindheit“ bieten zu wollen. Die Basis der Partei ist entsetzt, sie wirft ihrem Parteiführer Verrat an den sozialistischen Prinzipien der Bewegung vor, woraufhin Iglesias und Montero ihre Ämter zur Verfügung stellen. Das darauffolgende Misstrauensvotum wird von den Parteikollegen mit Zweidrittelmehrheit abgelehnt.
Was bleibt, ist ein politisch angeschlagener Spitzenpolitiker und eine unterhaltsame Debatte in den Social Media. Dort wurde die Frage erörtert, was denn die ganze Aufregung eigentlich soll. So werde es Linken ja wohl noch erlaubt sein, ein Haus zu kaufen, wo doch bei einer 600.000 Euro teuren Immobilie keinesfalls von einer „Luxus-Villa“ die Rede sein könne. Klar, in Wien kann man sich für dieses Geld nicht mehr viel erwarten, aber im krisengeschüttelten Spanien bekommt man dafür eine schmucke Finca mit Pool und großem Garten in einem der gefragtesten Vororte Madrids.
Genau diese Doppelbödigkeit ist es, von der die Leute genug haben.
Und ja, natürlich ist es völlig in Ordnung, wenn Linke Eigentum erwerben oder vermögend sind. Die davon „Betroffenen“ sollten sich aber ihre schwungvollen Plädoyers gegen „das Kapital“ ersparen und den Hauskauf vielleicht nicht gerade damit rechtfertigen, dem eigenen Nachwuchs „eine möglichst normale Kindheit“ zu ermöglichen. Vor allem, wenn man Pablo Iglesias heißt, der keine Gelegenheit sausen ließ, das politische Establishment des Landes für dessen Abgehobenheit zu geißeln und der nun suggeriert, dass eine „möglichst normale Kindheit“ ohne Haus mit Schwimmbad und großem Garten nicht zu haben sei. Er, der sich rühmte, in der einfachen Wohnung seiner Oma in einem Arbeiterviertel von Madrid zu leben, also dort, wo die „Hackler“ und Benachteiligten ihr bescheidenes Dasein zu fristen haben.
Genau diese Doppelbödigkeit ist es, von der die Leute genug haben. Es ist völlig okay, in der Urlaubszeit um die halbe Welt zu jetten, wenn man sich nicht tagtäglich über die rücksichtslose Umweltverschmutzung der anderen echauffiert. Und nein, es spricht auch überhaupt nichts dagegen, wenn Linke ihre Kinder in eine Privatschule schicken. Sie sollen dann halt bitte nicht mit der tollen Nachmittagsbetreuung kommen und große Reden darüber schwingen, wie wichtig es sei, dass die Bildung in staatlicher Hand bleibe. Und wie wertvoll es für Kinder sei, in ethnisch gut durchmischten Klassen unterrichtet zu werden, um mit anderen, bereichernden Kulturen in Kontakt zu kommen.
Gäbe es keinen sozialen Aufstieg, wäre die Marktwirtschaft umsonst.
Es ist nichts dagegen einzuwenden, dass die Kirche ein beachtliches Vermögen angehäuft hat, schließlich soll sie vermögenstechnisch unabhängig sein. Papst Franziskus sollte dann nur so gut sein und uns seine Antikapitalismus-Philippika ersparen und seine herzige Erzählung von der „armen Kirche für die Armen“ ein wenig überarbeiten. Denn welche Kirche sollte das denn bitteschön sein? Die römisch-katholische jedenfalls nicht. Allein in Österreich besitzen ihre Institutionen mehrere Hundert Milliarden Euro, der Besitz an Grund und Boden entspricht der Größe Vorarlbergs, wie der Steuerberater Gottfried Schellmann in einem „Standard“-Gastkommentar vorrechnete. Was ranghohe Vertreter der Kirche nicht davon abhält, Vermögenssteuern für andere einzufordern, während die Erträge der eigenen Institutionen aus der Land- und Forstwirtschaft sowie aus der Vermietung und Verpachtung sogar von der Körperschaftssteuer befreit sind.
Umso erfrischender und ehrlicher war da schon die Reaktion des früheren Gewerkschafters und Kurzzeit-Chefs der Linken, Klaus Ernst. Er musste im Sommer 2010 seinen Posten als Parteichef räumen, weil er einen Porsche sein Eigen nannte. Woraufhin Ernst meinte: „Wir predigen Wein und trinken ihn auch!“ Genau so ist das zu sehen. Gäbe es keinen sozialen Aufstieg, wäre die Marktwirtschaft umsonst. Und nicht das, was sie ist: der schnellste und sicherste Fahrstuhl nach oben. Der dafür sorgt, dass sich Menschen ungeachtet ihrer Herkunft ein Eigenheim erarbeiten und dass sich auch Gewerkschafter teure Sportwagen leisten können. Auch wenn man das als Linker niemals zugeben darf – obwohl man sonst ja fast alles darf.