profil-Kolumnist Franz Schellhorn

Franz Schellhorn: Hurra, es geht bergab!

Wir lieben schlechte Nachrichten. Das ist zwar menschlich, verstellt aber den Blick auf eine höchst erfreuliche Entwicklung: Die Welt war noch nie eine bessere.

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Nehmen wir einmal an, Sie säßen in einer Zeitmaschine und könnten die Zeit Ihres irdischen Daseins frei wählen. Wann würden Sie aussteigen? In der Mitte des zweiten Jahrhunderts, als das Römische Reich seiner Hochblüte zusteuerte? Oder lieber im islamischen Weltreich des frühen Mittelalters, das von Weltoffenheit und wissenschaftlichen Errungenschaften geprägt war? Nein? Wie wäre es dann mit dem Jahr 1789, als sich Frankreichs Bürger ihrer Obrigkeit entledigten und damit einen globalen Trend setzten? Keine Angst, Sie können nichts falsch machen. Denn für welche Zeit Sie sich auch entscheiden, alles ist besser als das Hier und Jetzt. Das jedenfalls suggerieren die alarmierenden Berichte der unzähligen Organisationen, die sich dem Kampf gegen die globale Armut verschrieben haben.

Denn noch nie in der Geschichte der Menschheit ging es ungerechter zu, nie zuvor waren Arm und Reich weiter auseinander als heute. Erst vergangene Woche vermeldete die britische Hilfsorganisation Oxfam, dass sich die Ungleichheit weiter verschärft habe. Während die Vermögen der Milliardäre im Vorjahr um zwölf Prozent zugelegt hätten, musste die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung einen Rückgang um elf Prozent verkraften. Meldungen wie diese werden in den reichsten Ländern der Welt mit schauderndem Schuldbewusstsein aufgesogen. Wohl auch deshalb, weil Oxfam in einem Punkt völlig recht hat: Das oberste Promille der Gesellschaft ist zu einem sagenhaften Reichtum gekommen.

Geschickt unterschlagen wird hingegen, dass die Welt eine deutlich bessere geworden ist. Waren 1950 noch 64 von 100 Menschen Analphabeten, sind es heute 15 von 100. Die Lebenserwartung der Weltbevölkerung stieg von 48 auf 71 Jahre, in Afrika allein seit Beginn des Jahrtausends von 50 auf 60 Jahre. Zehn Jahre in einem so kurzen Zeitraum! Lebten 1950 noch sieben von zehn Menschen in bitterster Armut, waren es 1990 nur noch halb so viel, heute trifft das auf einen von zehn Menschen zu. Und das, obwohl sich die Weltbevölkerung seither fast verdreifacht hat. Allein im vergangenen Vierteljahrhundert konnten mehr als eine Milliarde Menschen der extremen Armut entfliehen. Heute gelingt das 70.000 Menschen pro Tag. Ein Erfolg der Globalisierung und der geöffneten Märkte, wie der Armutsforscher und Nobelpreisträger Angus Deaton festhält.

Die Vertreter vieler NGOs hören so etwas nicht gerne. Die schier unglaublichen Fortschritte werden ausgerechnet von engagierten Armutsbekämpfern ausgeblendet oder gar in Abrede gestellt. Oxfam etwa hält die Globalisierung für ein großes Übel und behauptet, dass die Menschen in armen Regionen immer weiter zurückfielen, während die Vermögen der Superreichen explodierten. Tatsächlich zeigt ein Blick in die Statistik wenig Erbauliches: So ist der Wohlstand in Afrika seit 2010 um acht Prozent gesunken. Das stimmt allerdings nur dann, wenn man wie Oxfam in Dollar rechnet. Wertet dieser auf, weil beispielsweise die US-Notenbank ihre lockere Geldpolitik beendet, fallen Millionen von Menschen in der Statistik zurück, ohne dass sich in ihrem Leben vor Ort etwas verändern würde.

Deshalb werden seriöse Statistiken um derartige Schwankungen bereinigt. Und siehe da: Bei gleichbleibenden Wechselkursen ist der Wohlstand in Afrika im erwähnten Zeitraum nicht um acht Prozent gesunken, sondern um 55 Prozent gestiegen. Ein ähnliches Bild zeigt sich in Lateinamerika. Wechselkursbereinigt wäre das Vermögen der dortigen Bevölkerung seit 2010 nicht wie von Oxfam behauptet um ein Prozent gewachsen, sondern um 70 Prozent.

Die zentrale Botschaft lautet: Die Armen sind arm, weil die Reichen so reich sind. Das ist absurd.

Statt seriös aufzuklären, zeichnet Oxfam ganz bewusst ein verzerrtes Bild von den Zuständen der Welt.Die zentrale Botschaft lautet: Die Armen sind arm, weil die Reichen so reich sind. Das ist absurd. Oder glaubt irgendjemand, dass arme Menschen so arm sind, weil Jeff Bezos so viele Amazon-Pakete verschickt oder Bill Gates die neuesten Windows-Produkte aus der Hand gerissen werden? Wohl kaum. Wenn Oxfam meint, dass global operierende Konzerne zu viel Geld am Fiskus vorbeischleusen, ist das zweifellos richtig. Das gilt vor allem für die neuen Giganten der digitalen Welt. Die Regierungen der industrialisierten Welt sollte nichts davon abhalten, faire und leicht verständliche Steuergesetze zu verabschieden und diverse Schlupflöcher zu schließen. Das würde vor allem die Bürger reicher Staaten und deren Finanzminister freuen.

Wer hingegen den Armen helfen will, braucht weder neue Steuern noch mehr Enteignung, Regulierung oder Abschottung. Sondern mehr Rechtsstaatlichkeit und mehr Globalisierung, um mehr Menschen aus der Armut zu helfen. Die Ärmsten leben nämlich in Ländern, die sich am wenigsten der Globalisierung geöffnet haben.

Sollten Sie also noch in Ihrer Zeitmaschine sitzen, drücken Sie auf den Ausstiegsknopf. Denn ungeachtet aller Probleme und Unzulänglichkeiten war die Welt noch nie eine bessere als heute. Auch wenn Ihnen Organisationen wie Oxfam das Gegenteil einreden wollen.

Franz Schellhorn ist Direktor des Thinktanks Agenda Austria.