profil-Kolumnist Franz Schellhorn
Franz Schellhorn

Mit ein bisschen Yoga gegen Corona

In Österreich werden naturverbundene „Therapien“ gegen Corona propagiert, während eine Studie aus Island die Zukunft in der Viertagewoche sieht. Schön.

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Wer glaubte, dass Corona nur mit der Entwicklung hochkomplexer Impfstoffe aus der Welt zu schaffen wäre, irrt. Das legt zumindest ein „interdisziplinäres deutsch-österreichisches Autor*innenkollektiv“ nahe, das eine „Corona-Aussöhnung“ veröffentlichte, die es immerhin in die deutschen Hauptnachrichten schaffte. Darin heißt es wörtlich: „Die effektivste Antwort auf das Virus ist ein starkes Immunsystem. Die meisten Menschen kommen so gut mit dem Virus klar, dass sie im Fall einer Infektion keine Symptome entwickeln.“ Die Autoren des Papers sind keine naturverbundenen „Corona-Querdenker“, sondern durchaus bekannte Personen wie die Politikwissenschafterin Ulrike Guérot, der von Linken hofierte Gemeinwohlökonom Christian Felber oder die Gesundheitspsychologin Ruth Koza. Mit Christian Schubert ist auch ein amtierender Universitätsprofessor mit von der Partie.

Nach Ansicht der Autoren sollten die Gesundheitsministerien die Bevölkerung aktiv über die Funktion des Immunsystems informieren. Und darüber, wie es zu stärken wäre. Das schreibende Kollektiv weiß auch, wie das geht: „Dazu zählen eine gesunde Ernährung, viel Bewegung, Yoga, Tanz und Sport, Aktivitäten, die Freude machen und Beziehungen stärken, Kontakt mit der Natur und Spiritualität.“ Am frühen Morgen zuerst den Herabschauenden Hund üben, danach einen frischen Apfel und ein ausgewogenes Müsli genießen, gefolgt von einem ausgiebigen Spaziergang, und schon ist der ganze Spuk vorbei.

Für Yoga, Natur und Spiritualität dürfte demnächst auch deutlich mehr Zeit bleiben. So fand ein isländisches Forscherteam in Feldversuchen heraus, dass der Viertagewoche die Zukunft gehört. Sie brächte nicht nur mehr Zeit für Hobbys und Familie, auch das persönliche Wohlbefinden würde steigen. Nobelpreisalarm! Aber die Studie hielt einen weiteren Knüller bereit: Die Produktivität habe sich bei verkürzter Arbeitszeit und gleichbleibender Entlohnung „nicht verschlechtert“. In der zur Objektivität und Zurückhaltung verpflichteten Online-Redaktion des ORF brachen alle Dämme des kritischen Journalismus: „Viertagewoche als Erfolgsgeschichte“, titelte das größte Online-Medium des Landes.

"Geräuschlos umsetzen lässt sich eine Viertagewoche nur im Staatsdienst."

Das ist schön. Noch schöner wäre es gewesen, wenn die enthusiasmierten ORF-Redakteure an prominenter Stelle erwähnt hätten, dass diese Feldversuche ausschließlich im isländischen Staatsdienst durchgeführt wurden. Nun ist es überaus wahrscheinlich, dass sich die Arbeitszeit dort ohne größere Nebengeräusche reduzieren ließe. Die Ergebnisse der Studie sind aber kein „bahnbrechender Beweis für die Effizienz von Dienstzeitreduzierungen“, wie der ORF berichtet. Die Studie ist vielmehr ein eindrucksvoller Beweis für die Ineffizienzen im isländischen Staatsdienst, der offensichtlich beachtliche Personalreserven hat. Schließlich wird niemand behaupten wollen, dass eine Pflegekraft in vier Tagen so viel pflegen kann wie in fünf. Oder ein Lehrer in vier Tagen so viel unterrichtet  oder ein Chirurg so viel operiert wie in fünf.

Wenig überraschend nimmt SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner die Erkenntnisse aus Island zum Anlass, um einen neuen Anlauf zu einer generellen Arbeitszeitverkürzung zu nehmen. Das ist als Politikerin ihr gutes Recht, zumal nichts dagegen spricht, wenn sich Betriebe und deren Beschäftigte freiwillig auf eine Viertagewoche einigen. Das funktioniert aber nur, wenn die Produktivität um ein Fünftel steigt, etwa durch den Einsatz hocheffizienter Maschinen. Andernfalls erhöhen sich die Kosten der Dienstleistung oder des zu verkaufenden Produkts, was sich in hart umkämpften Märkten leider nicht durchsetzen lässt. Weil die Verbraucher nicht bereit sind, mehr für ein Produkt zu bezahlen, das andernorts in derselben Qualität zu einem niedrigeren Preis zu haben ist. Die Folge wären Umsatzeinbußen für die betreffenden Anbieter und in letzter Konsequenz Jobverluste, die wiederum die unsozialste Form der Arbeitszeitverkürzung sind.

Locker durchsetzen lassen sich Arbeitszeitverkürzungen ohne steigende Produktivität nur bei Monopolisten. Wie etwa dem Staat, dessen Zwangskunden höheren Preisen und Gebühren schutzlos ausgeliefert sind. Es wäre aber ein höchst eigenartiges Signal, wenn gerade jetzt die Arbeitszeit im öffentlichen Dienst auf vier Tage zurückgeschraubt würde und sich ausgerechnet jener Teil der Bevölkerung mehr Zeit für Familie und Hobbys gönnen würde, der vor dem Verlust des Arbeitsplatzes geschützt und wirtschaftlich gesehen weitgehend unbeschadet durch die Krise gekommen ist. Und ausgerechnet jene Teile der Bevölkerung die steigende „Work-Life-Balance“ im öffentlichen Dienst zu bezahlen hätten, die im vergangenen Jahr empfindliche Einkommensverluste hinnehmen mussten und täglich um ihren Job bangen.

Sie, die Hunderttausenden von Bürgern, die unter hohem Arbeitseinsatz dieses Land am Laufen halten, sie sind die Erfolgsgeschichte des Landes. Auch wenn das Studienautoren mit einem starken Hang zur Esoterik grundlegend anders sehen mögen.