„Geht’s noch, Medizinmänner?“
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Gastkommentar von Petra Preiß
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Wir schreiben das Jahr 2022. Im Juni konstituiert sich in Bad Radkersburg eine neue „Regierung“ der Ärztekammer. Die kleine Gemeinde liegt in der Südoststeiermark. In Österreich. Seit mehr als 100 Jahren dürfen Frauen wählen. Als jedoch das frisch gewählte Präsidium der Österreichischen Ärztekammer (ÖAK) zum Gruppenfoto antritt, fängt die Kamera ein Bild ein, das anno 1922 vielleicht „normal“ gewesen wäre. Aber 2022?
Man sieht darauf ÖAK-Präsidenten Johannes Steinhart, 67, seinen Vize, die Kurienobmänner, den Finanzreferenten und seinen Stellvertreter. Lauter Männer, nur einer von ihnen ist unter 50.
Die Mitgliedschaft in der Landesärztekammer ist für Ärztinnen und Ärzte gesetzlich verpflichtend. Wir alle müssen Umlagen bezahlen, die zur ÖÄK wandern und unsere Interessensvertretung finanzieren. Es ist unsere einzige. Und hier versichern uns dann 70-jährige Männer, sie würden schon auch etwas für die Frauen und Jungen tun. Wie glaubwürdig ist das? Nur Frauen und Jüngere stecken in der Haut von Frauen und Jüngeren. Sie können und sollen ihre Anliegen selbst vertreten. „No taxation without representation“, hieß es schon im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg. Das war vor 250 Jahren. Für die Ärztekammer sollte das 2022 erst recht gelten.
Fast die Hälfte der Ärzteschaft sind Frauen, unter den Jüngeren steigt ihr Anteil. Nur an der Spitze bleibt alles beim (männlichen) Alten. Übrigens: Wenn sich keine Frauen für hohe Positionen finden, dann üblicherweise, weil das Umfeld nicht passt. Wie anders ließe sich erklären, dass es manche Fraktionen schaffen, fast gleich viele Frauen wie Männer auf ihren Listen zu haben, und andere zu 100 Prozent frauenfrei sind?
Vor allem in den Generationen, die das Gesundheitssystem künftig tragen, gärt es: Geht’s noch, Medizinmänner?
Ein kurzer Rückblick: Bereits nach der Wiener Ärztekammerwahl im März machte sich Unmut breit, als der voraussichtliche Ärztekammerpräsident Steinhart auf einen Kurienobmann namens Stefan Ferenci setzte. Mit seinen 44 Jahren, einer Kassenordination in Niederösterreich, einer Wahlarztpraxis in Wien und einer Kammerfunktion entsprach er nicht gerade dem Bild von Ärztinnen und Ärzten in Ausbildung, die er eigentlich vertreten sollte. Das Trauerspiel ging weiter. Nächster Akt: Der langjährige Kurienobmann der Angestellten Harald Mayer telefoniert die Bundesländer durch. Wen würde welcher Posten reizen? Weil nicht alle bei der Postenpackelei ohne Arbeitsprogramm mitmachen wollten, einigen sich die Steiermark, Oberösterreich und Wien auf eine taktische Koalition zwecks Mehrheitsbeschaffung.
Äh, und Frauen?
Eine Kammer, in der Männer packeln und Frauen die Zeche zahlen, ist nicht meine Kammer.
Hinter den Kulissen formiert sich Protest. Der Effekt: Im Postenkarussell taucht plötzlich eine einzige Allgemeinmedizinerin auf. Sie landet auf dem Wahlvorschlag für die Position der 2. Kurienobmann-Stellvertreterin der niedergelassenen Kurie. Praktischerweise hat sie in dieser Funktion kein Stimmrecht. Kurienvertreter in Niederösterreich, Salzburg, Kärnten und Vorarlberg halten das für einen Affront gegen Frauen und die jüngere Generation und entschließen sich zu einem Notwehrakt. Bei der konstituierenden Sitzung der angestellten Bundeskurie wollen sie geschlossen ausziehen, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Sie wollen einen Generationswechsel an der Spitze und mehr Frauen in relevanten Positionen. Ausgezeichnete Kandidatinnen und Kandidaten dafür sind vorhanden.
Jedoch, das Vorhaben wird ausgehebelt: Der Kammertag am 24.6.2022 endet mit dem bekannten Ergebnis. Frauen im Präsidium: 0. Frauen im Vorstand, ohne Stimmrecht: 1.
Nicht einmal die rechtskonservativsten Parteien trauen sich heute noch, ohne Frauen auszukommen. Sogar aus der katholischen Kirche kann ich austreten, wenn es mir nicht passt, wie Frauen behandelt werden. Es droht höchstens das Höllenfeuer. Ohne Kammermitgliedschaft aber ist es nicht möglich, den Beruf der Ärztin auszuüben. Eine Kammer-Führung wie vor 100 Jahren ist schon deshalb inakzeptabel.
Eine Kammer, in der Männer packeln und Frauen die Zeche zahlen, ist nicht meine Kammer.
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