Frauen verdienen mehr (als sie bekommen)
Frauen bekommen weniger Geld als Männer. Auch wenn sie den gleichen Job machen. Auch wenn man das Gehalt auf Vollzeit hochrechnet. Das ist nach gefühlt 10.000 Debatten gesickert. Dank Equal Pay Day. Nun gibt es ein neues Beschwichtigungsinstrument für alle, die den Equal Pay Day – und damit die Diskriminierung am Arbeitsmarkt – kleinreden wollen. Die Familiensituation! Das Kinderkriegen sei eben schuld.
Jetzt ist es allerdings doch bemerkenswert, dass die meisten Frauen ihre Kinder nicht allein kriegen – aber die Nachteile im Beruf meistens allein spüren.
Noch immer fehlen Kinderbetreuungsplätze; noch immer haben die, die es gibt, nicht lange genug offen. Und natürlich: die alten Rollenbilder. Diese bittere Melange drückt Mütter massenhaft in die Teilzeit. Weniger Stunden, weniger Lohn – das leuchtet ein.
Aber Gehaltsunterschiede nach Geschlecht lassen sich auch dort nachweisen, wo von Kindern noch keine Spur ist. Die Statistik Austria untersuchte die Einkommenssituation von Master-Absolvent:innen nach der Uni. Schon 18 Monate nach dem Abschluss geht ein Krater auf: Frauen bekommen im Ingenieur:innenwesen und im Baugewerbe 17 Prozent weniger; in den Geisteswissenschaften immer noch fast sieben Prozent.
Eine Frau mit Masterabschluss in Ingenieur:innenwesen verdient drei Jahre nach Berufseinstieg elf Prozent weniger als ein Mann mit dem niedrigeren Bachelor-Abschluss.
Frauen bekommen für die gleiche Arbeit mitunter also deutlich weniger als Männer. Damit ist das Märchen Geschichte, dass Frauen nur endlich die besser bezahlten Berufe wählen müssten, um den Gap wie von Zauberhand verschwinden zu lassen.
Wenig überraschend: Für gleichwertige Arbeit, also für mindestens genauso anstrengende Jobs in anderen („Frauen“-)Branchen, bekommen sie erst recht weniger Geld.
Was Frauen leisten, ist immer und überall weniger wert. Nachfrage hin, „Frauenberufe“ her.
Ein Automechaniker verdient im ersten Berufsjahr brutto über 400 Euro mehr als eine Altenpflegerin. Dabei ist kaum ein Job körperlich und mental so anstrengend wie die Betreuungsberufe im Kindergarten oder in der Pflege. Das Burnout-Risiko in der Pflege ist doppelt so hoch wie in anderen Berufen.
An der Nachfrage kann es nicht liegen: Bis zu 76.000 zusätzliche Pfleger:innen brauchen wir geschätzt bis 2030. Der Markt richtet es also nicht: Was Frauen leisten, ist immer und überall deutlich weniger wert. Nachfrage hin, „Frauenberufe“ her.
Wir bezahlen gleichwertige Leistung eben unterschiedlich, je nachdem, ob die Leistung von einem Mann oder einer Frau erbracht wird. Selbst in männerdominierten Berufen, die Frauen doch angeblich so dringend wählen sollten, sind zwar die Gehälter generell höher – dort ist aber auch der Gender Pay Gap besonders groß. Davon können zum Beispiel die Ingenieur:innen ein Lied singen. Dazu kommt ein weiterer Effekt: Wenn viele Frauen in eine Branche drängen, dann sinken – langsam, aber stetig – die Gehälter und das Ansehen des Berufs.
Niemand kann diese Zahlen ernsthaft verteidigen. Versuchen tun es natürlich trotzdem einige. Frauen sollen endlich aufhören, sich in der „Opferrolle zu suhlen“, wird ihnen in Kommentaren ausgerichtet, sie selbst und ihre „ganz individuellen“ Lebensentscheidungen seien schuld am miesen Einkommen. Und der Bundeskanzler kommt dann auch noch mit Vorschlägen wie einer Karenz für Großeltern (vulgo: Oma-Karenz) um die Ecke. Damit die Frauen nicht nur ihr ganzes Berufsleben draufzahlen, sondern in der Pension endgültig in der Altersarmut landen.
Dabei gäbe es in ganz Europa Vorbilder, tatsächlich wirksame Rezepte gegen die beschämende Lohndiskriminierung – statt der Nehammerschen Scheinlösungen. Verpflichtende Gehaltstransparenz etwa. Oder bezahlte Elternzeit stärker daran zu koppeln, dass sie von einem Elternteil in Anspruch genommen wird – sagen wir doch Väterkarenz dazu. Das kann man sich in Island zum Beispiel ansehen.
Klassische Frauenberufe besser bezahlen – das wäre nicht nur ein Schritt in Richtung Lohngerechtigkeit, das hätten wir als Gesellschaft insgesamt dringend nötig und sogar selbst in der Hand: Bildung, Pflege, Gesundheitswesen – viele Frauen-Jobs sind im öffentlichen Einflussbereich. Und eine Arbeitszeitverkürzung für alle würde dabei helfen, Familienarbeit und Erwerbsarbeit unter einen Hut zu bringen.
45 Tage Arbeit unbezahlt schuften. Jedes Jahr. Niemand würde das freiwillig tun. Österreichs Frauen bleibt keine andere Wahl. Aber nur, solange wir die Politiker:innen nicht in die Pflicht nehmen, die zwar über die Schlechterstellung von Frauen klagen, aber nichts dagegen tun. Ein Superwahljahr wäre doch ein guter Anlass dafür.