Georg Hoffmann-Ostenhof: Der goldene Apfel

Es ist zu hoffen, dass die Luxus-Version der Apple Watch ein Verkaufsflop wird.

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Andy Warhol hatte ein Mal in den 1960er-Jahren eine schwärmerische Anwandlung: „Was groß ist an diesem Land: Amerika begründete jene Tradition, wonach die reichsten Konsumenten im Grunde dieselben Dinge kaufen wie die Ärmsten. Im Fernsehen siehst du Coca-Cola, und du weißt, dass der Präsident Coke trinkt, Liz Taylor Coke trinkt; und stell dir vor, auch du trinkst Coke. Ein Coke ist ein Coke, und noch so viel Geld verschafft dir kein besseres Coke, als das, welches der Penner ums Eck trinkt.“

Dieser Ausspruch des berühmten Pop-Art-Künstlers wird oft zitiert, wenn es darum geht, den sensationellen und nachhaltigen Erfolg der Computer-Firma Apple zu erklären. Der Konzern aus Cupertino hat sich von Beginn an fest in diese Tradition amerikanischen Wirtschaftens gestellt. Ein iPhone ist ein iPhone. Damit telefonieren und darauf surfen alle gleichermaßen: die glamourösen Promis wie die vielen Millionen Kids, die mächtigen Politiker wie auch ihre Wähler. „One Size for All“, lautete die Devise von Apple. Ein Imperativ, dem das Unternehmen bisher bei all seinen Geräten und Gadgets – vom Macintosh bis zum iPad – folgte. Bis vergangene Woche. Da vollzog Apple einen Schwenk um 180 Grad.

Tim Cook, der Nachfolger des vor vier Jahren verstorbenen Unternehmensgründers Steve Jobs, präsentierte die lange erwartete Apple Watch. Ende April kommt sie auf den Markt. Es besteht kein Zweifel, dass die Fans wieder Schlange stehen werden, um ganz vorne dabei zu sein, die neue Uhr zu ergattern. Aber im Netz zeigen die Early Adopter diesmal nicht nur die übliche Begeisterung für das neue Produkt „ihres“ Computer-Unternehmens. Da macht sich auch Unbehagen breit.

Stein des Anstoßes ist die goldene Apple Watch. Im Vergleich zu Digital-Uhren anderer Marken sei die nun vorgestellte Apple-Uhr in ihrer Normal-Version zwar nicht billig, biete freilich auch viel, wird vermerkt. Dass neben den Standard-Ausführungen, die zwischen 400 und 1200 Dollar kosten, zusätzlich eine Luxus-Edition für die Superreichen angeboten wird, die bereit und in der Lage sind, 10.000 bis 17.000 Dollar für einen Apple-Wecker aus glänzendem Edelmetall hinzublättern, erbost die Aficionados.

Die Edition für die Reichen kann auch nicht mehr als die Standard-Ausführung

Apple wurde zum erfolgreichen Unternehmen, weil es mit seinen Geräten jeweils dem breiten Publikum im wahrsten Sinne des Wortes neue Welten erschloss. Geliebt wird es aber, und zur wertvollsten Marke stieg es auf, weil eben nicht für die Reichen produziert wird, sondern für alle. Und was die Leute so emotional an diese Marke bindet, ist nicht nur das, was Warhol als uramerikanisch an Coca-Cola schätzte, sondern auch und gerade die Tatsache, dass Apple das jeweils beste und schönste Gerät in seiner Kategorie zu einem zwar nicht niedrigen, aber fairen Preis verkauft.

Es sind „Luxusprodukte für die Massen“, schreibt Will Oremus in der amerikanischen Online-Zeitung „Slate“. Die goldene Uhr aber sei absichtlich so teuer, um sicherzustellen, dass die Massen diese sich nicht leisten können, extra kreiert, um die meisten als Käufer von vornherein auszuschließen. Sie könne ja nicht mehr als ihre Billig-Ausführungen, sie sei nur da, um ihrem Besitzer die Möglichkeit zu geben, sich von der „Plebs“ abzusetzen und zu demonstrieren, etwas Besseres zu sein.

Eine direkte Antithese zur Grundidee von Apple – eine Idee, die ja nicht zufällig im Kalifornien der 1960er- und 1970er-Jahre entstand. Anlässlich seines Todes wurde vielfach darauf hingewiesen, dass Jobs und seine Mitgründer aus der Hippie-Szene der West Coast, aus der so fruchtbaren Gegenkultur dieser Umbruchszeit kamen.

Damals waren Computer für Regierungen und für reiche Konzerne. Jobs proklamierte, dass jeder seinen eigenen eleganten und leicht bedienbaren Computer haben sollte – eine damals verrückte, revolutionäre Idee. Natürlich wollte der Charismatiker Jobs mit Apple Geld machen. Aber nicht nur: Er hatte gleichzeitig die gesellschaftspolitische Vision einer egalitären, antihierarchischen und demokratischen Technologie. An ihr hielt er bis zu seinem Tod fest.

Dass die Golden Watch kein einmaliger Ausrutscher, sondern einer grundlegenden Revision dieser Unternehmensphilosophie geschuldet ist, zeigen die jüngsten Personalentscheidungen. Apple verpflichtete seit 2013 mehrere ehemalige CEOs aus Firmen wie Burberry, Yves Saint Laurent, TAG Heuer und Louis Vuitton. Die Führung der Computer-Firma verfolgt offenbar eine groß angelegte Strategie, in der Luxus-Branche Fuß zu fassen.

Niemand kann wissen, ob die Apple Watch in ihrer Standard-Version ebenso fulminant angenommen wird wie der iPod, das iPhone, das MacBook Air und das iPad. Zu wünschen wäre es. Da ist genug im kleinen Handgelenk-Computer integriert, das wert wäre, Eingang in unseren Alltag zu finden und ihn zu bereichern. Nicht wenige treue Apple-Fans, die bisher weder über die angeblich zu teuren Geräte noch über die vermeintlich bedrohliche Marktmacht dieses US-Konzerns klagten – jene also, welche die Firma einfach cool finden –, würden sich aber freuen, sollte die Golden Edition und somit der Einstieg in die Apple Luxus-Branche floppen.

Zwar ist kaum vorstellbar, dass sich viele Menschen finden, die sich in Unkosten stürzen für ein Produkt, das aller Voraussicht nach technisch in zwei Jahren obsolet sein wird. Aber würde die Luxus-Version der Apple Uhr wider Erwarten doch ein gutes Geschäft – der emanzipatorische und progressive Antrieb, der letztlich die Marke groß gemacht hat, wäre endgültig Geschichte. Und das könnte womöglich sogar den Anfang vom Niedergang dieses fantastischen Unternehmens bedeuten, das der Menschheit bisher so viel gebracht hat. Und das wäre traurig.

Georg Hoffmann-Ostenhof