Georg Hoffmann-Ostenhof: Asyl für Soros

Viktor Orbáns Wahlsieg verheißt Übles für Ungarn und Europa. Für Wien bietet er aber auch eine große Chance. Diese darf nicht vertan werden.

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Manchmal stimmen Sprichwörter doch. Wie etwa jenes, wonach es kein Übel gäbe, das nicht auch Gutes brächte. Der fulminante Wahlsieg des ungarischen Premiers Viktor Orbán ist eine einzige Katastrophe. Für uns Österreicher haben die magyarischen Ereignisse auch Erfreuliches auf Lager. Doch, doch. Davon aber später.

Zunächst zum Übel. Die Ungarn, die (in nicht allzu fairen) Wahlen dem magyarischen Propagandisten der „illiberalen Demokratie“ eine Zweidrittel-Mehrheit verschafft haben, gehen schweren Zeiten entgegen.

Acht Jahre ist er bereits an der Macht, Jahre, in denen er unabhängige Institutionen mit seinen Parteigängern vollgestopft, die meisten Medien unter seine Kontrolle gebracht und befreundeten Oligarchen erlaubt hat, sich großes Stück der ungarischen Wirtschaft unter den Nagel zu reißen.

Nun will Viktor Orbán den Weg zu Ende gehen. Einer seiner Sprecher verkündete noch am Wahlabend, dass die „Stop Soros“-Gesetzgebung nun forciert wird. Benannt nach dem jüdischen, aus Ungarn stammenden Milliardär und Mäzen George Soros, den Orbán verschwörungstheoretisch beschuldigt, den Kontinent mit Migranten fluten und so das weiße christliche Europa zerstören zu wollen, sollen nun die erwähnten Gesetze dafür sorgen, dass vom Ausland finanzierte NGOs endgültig der Garaus gemacht und Organisationen, die „illegalen“ Migranten helfen, kriminalisiert werden. Anfang vergangener Woche wurde bereits eine Liste von 200 „Soros-Söldnern“ veröffentlicht. „Magyar Nemzet“, eine der letzten oppositionellen Zeitungen hat bereits das Handtuch geworfen.

Die Mehrheit der europäischen Volksparteien inklusive der ÖVP hat völlig distanzlos gratuliert. Der magyarische Virus ist offenbar hoch ansteckend.

Übel sieht es auch für Europa insgesamt aus. Die West-Ost-Spaltung innerhalb der EU wird sich weiter vertiefen. Die populistischen Regierungen in Warschau, Prag und Bratislava können sich durch den Wahlsieg Orbáns bestätigt fühlen. Dieser hat ihnen vorgemacht, dass Anti-Migranten-Propaganda und eine Frontstellung gegen das liberale Westeuropa probate Mittel des Machterhalts sind.

Dass die Rechtsrechten à la Wilders, Le Pen und Strache nun feiern, war zu erwarten. Aber auch von Teilen der Mitterechtsparteien in der EU – allen voran die bayrische CSU – gelangten Liebesgrüße nach Budapest. Die Mehrheit der europäischen Volksparteien inklusive der ÖVP hat völlig distanzlos gratuliert. Der magyarische Virus ist offenbar hoch ansteckend.

Orbán hat jedenfalls gezeigt, dass man auch dort erfolgreich Politik mit der Angst vor Ausländern machen kann, wo es gar keine gibt. Das ist ein bedeutsamer Hinweis für europäische Parteien und Regierungen, die nicht zuletzt mit Xenophobie an die Macht gelangten und jetzt damit konfrontiert sind, dass der so bedrohlich empfundene Flüchtlingsstrom der vergangenen Jahre zu einem Rinnsal geworden ist. Orbáns Sieg signalisiert: Die Fortsetzung der Politik gegen Migranten macht sich auf jeden Fall bezahlt. Und wo bleibt das Positive? Wo steckt das Gute im Üblen?

Am Tag nach der Wahl unterschrieben Vertreter der Central Europe University (CEU) und der Stadt Wien ein „Memorandum of Understanding“: Die von Soros 1991 in Budapest gegründete Hochschule soll die Hälfte des Otto-Wagner-Areals und 15 der darauf stehenden Pavillons für 99 Jahre mieten, um einen extensiven Lehr- und Forschungsbetrieb inklusive Studentenwohnheimen zu etablieren. Zwar versichert ihr Rektor Michael Ignatieff, dass die CEU ihren Hauptsitz in Budapest behalten, man nicht kampflos aufgeben wolle. Aber das Memorandum signalisiert klar: In Ungarns Hauptstadt hat diese Wissenschaftsinstitution, die Orbán bereits seit zwei Jahren immer wieder mit dem Zusperren bedroht, nach dessen Wahltriumph keine Zukunft mehr. Die CEU übersiedelt faktisch nach Wien. Sie Soros-Uni erhält Asyl in Wien.

Somit könnte Wien mit der Ansiedlung der „Soros-Universität“ wieder ein wenig das werden, was es einmal war: Orientierung- und Anziehungspunkt für den Osten des Kontinents.

Das ist ein schwerer Verlust für Ungarn, für Österreichs Hauptstadt aber ein nicht zu unterschätzender Gewinn. Freuen kann man sich gleich aus mehreren Gründen:

0 Die seit Langem ungelöste Frage, was nach der Absiedlung des Spitals mit dem Areal gemacht werden soll und wie die von dessen Namensgeber konzipierte Anlage genutzt werden soll, ist endlich beantwortet – auf die glücklichste Weise: Der geniale Architekt der Wiener Moderne, der vor 100 Jahren starb, würde sicher ein großes Ja dazu sagen, dass in das Jugendstil-Juwel nun ein Universitätscampus einzieht.

0 Eine neue Uni stärkt jedenfalls den Wissenschaftsstandort Wien. Und es handelt sich bei der CEU um eine international ausgerichtete, bestens vernetzte und weltweit anerkannte Hochschule. Eine Belebung des geistigen Lebens der Stadt ist vorgezeichnet. Und die hat Wien dringend nötig.

0 Schließlich sah George Soros „seine“ Universität vor allem als zentrale Ausbildungsstätte für die politische, ökonomische, wissenschaftliche und intellektuelle Elite der von der kommunistischen Diktatur befreiten Länder. Und tatsächlich sind dort jetzt Regierungen, Parteien, Hochschulen, Redaktionen und Unternehmensvorstände mit CEU-Absolventen bevölkert.

Das heißt: Die CEU-Studenten von heute werden die Entscheider dieser Region von morgen sein. Somit könnte Wien mit der Ansiedlung der „Soros-Universität“ wieder ein wenig das werden, was es einmal war: Orientierung- und Anziehungspunkt für den Osten des Kontinents, echtes und vitales Zentrum Mitteleuropas.

Das sei den hiesigen Sympathisanten Viktor Orbáns gesagt.

Noch ist der Mietvertrag nicht unterschrieben. Die Jahrhundertchance, die sich mit diesem eröffnet, darf, bitte schön, nicht verpasst werden.

Georg Hoffmann-Ostenhof