Georg Hoffmann-Ostenhof

Georg Hoffmann-Ostenhof Dany for President!

Dany for President!

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Ach, wäre das schön: Daniel „Dany“ Cohn-Bendit als Präsident der EU-Kommission. Natürlich ist das völlig illusorisch. Für diesen Posten kommen – das ist die Usance – nur ehemalige Minister oder Regierungschefs infrage. Der deutsche Grün-Politiker Cohn-Bendit war weder das eine noch das andere. Außerdem ist es offenbar ohnehin ausgemachte Sache, dass José Manuel Barroso weitere fünf Jahre an der Spitze Europas stehen wird.

Cohn-Bendit hat gerade bei den EU-Wahlen die französischen Grünen von Europe Ecologie auf Platz drei der französischen Parteien (nur sehr knapp hinter den Sozialisten) gehievt. Sein Versuch, Barroso doch noch zu verhindern, dürfte aber scheitern. Seine angestrebte Anti-Barroso-Front wird wohl keine Mehrheit finden.

Das ist eine Katastrophe. Gerade in dieser krisenhaften Umbruchzeit, in der Europa kühn agierende, selbstständig denkende und für das Publikum mitreißende Akteure braucht, werden sich die Staatschefs auf den blassesten und unprofiliertesten Mann – quasi auf den Werner Faymann der europäischen Politik – einigen. Sie wissen, was sie am ehemaligen neoliberalen Premier Portugals haben. „Er hat sich als bloßer Auftragnehmer der Regierungen mit ihren nationalen Interessen erwiesen“, weiß der von seiner Partei weggemobbte österreichische grüne Europapolitiker Johannes Voggenhuber.

Es ist zum Verzweifeln: Gerade in dem Moment, wo die USA mit Superstar Barack Obama die große Wende vollziehen, zu neuen Ufern streben und die Welt enthusiasmieren, präsentiert Europa den Portugiesen, den ein Kritiker schon einmal als einen Mann charakterisierte, der „das Aussehen und das Durchsetzungsvermögen eines Provinzbaritons“ hat. Cohn-Bendit ist da wahrlich ein anderes Kaliber: ein Mann, der in den vergangenen vier Jahrzehnten immer pünktlich zu den Rendezvous mit der europäischen Geschichte erschien.

Wie faszinierte er doch im heißen Mai 1968. Da gingen Bilder um die Welt, auf denen ein junger Rotschopf den Pariser Polizeikräften mutig und lachend entgegentrat. Der 23-jährige Anführer der französischen Studentenbewegung zeigt das freundliche und fröhliche Gesicht der globalen Jugendrevolte. Und der damals bekennende „marxistische Anarchist“ erschien plötzlich als der wirkliche Gegenspieler des Präsidenten General Charles de Gaulle. Als „unliebsamer Ausländer“ wurde „Dany le Rouge“, der in Frankreich lebende Jude mit deutschem Pass, des Landes verwiesen.

In den wilden siebziger Jahren war er gemeinsam mit dem späteren deutschen Außenminister Joschka Fischer Aktivist in der Frankfurter Sponti-Szene, die sich gegen das Abgleiten der Neuen Linken in den nihilistischen RAF-Terrorismus und in die dogmatisch-freudlose Sektiererei der K-Gruppen stellte. Fischer und er standen dann auch Anfang der achtziger Jahre an der Wiege der neuen Grünen Partei, in der er vom Anfang an dem Realo-Flügel angehörte. Die erste rot-grüne Stadtregierung in Frankfurt ernannte Cohn-Bendit zum ehren­amtlichen Beauftragten für multikulturelle Angelegenheiten.

Geradezu als Verkörperung der deutsch-französischen Achse agiert Cohn-Bendit nun bereits seit vielen Jahren im Europa­parlament – abwechselnd für die französischen Grünen und für die deutsche Ökopartei. Er brachte die deutschen Grünen in den neunziger Jahren, wieder gemeinsam mit Joschka Fischer – angesichts der Balkankriege –, von deren bedingungslosem Pazifismus ab. Und jetzt hat er die seit Jahren hoffnungslos zersplitterten und in Agonie dahindämmernden französischen Ökogrünen zu einer schlagkräftigen und modernen politischen Strömung gemacht. Die zeigt den Sozialisten, der führenden Kraft der französischen Linken, dass man mit einem unzweideutigen Pro-Europa-Kurs durchaus Wahlen gewinnen kann. Auch den übrigen rat- und orientierungslosen sozialdemokratischen Parteien signalisiert Cohn-Bendit: Die Linke wird europäisch sein, oder sie wird nicht sein.

So utopisch auch die Idee sein mag, er könnte Kommissionspräsident werden: Ein Mann wie er wäre eine adäquate Antwort Europas auf Barack Obama. Da gibt es auch so einige Ähnlichkeiten. Sehr unterscheidet sich die Weltsicht des franko-deutschen EU-Politikers und einstigen Helden von 1968 von der des neuen amerikanischen Präsidenten gewiss nicht. Beide haben visionäre Zukunftsvorstellungen und -projekte. Und beiden gemeinsam ist: Sie können trotz allen kämpferischen Veränderungswillens andere Vorstellungen akzeptieren und respektieren. Und sie sind äußerst kompromiss- und bündnisfähig. Nur so ist es etwa möglich gewesen, dass Cohn-Bendit die verschiedenen äußerst heterogenen französischen Grünen zusammenführte. Er erzählt auch immer wieder, welchen Spaß es ihm bereitet hat, in Straßburg mit Otto von Habsburg punktuell zusammenzuarbeiten.

Als einen Ausweg der EU-Demokratie aus ihrer Legitimitätskrise plädiert Cohn-Bendit seit Jahr und Tag: transnationale Listen mit gemeinsamen Spitzenkandidaten für ganz Europa. „Das schafft eine europäische politische Diskussion. Da kann man nicht länger seine kleinkarierten Provinzgefechte austragen und es Europawahl nennen. Und wer dann die Mehrheit im Parlament bekommt, der entscheidet auch darüber, wer Kommissionspräsident wird.“ Er gibt sich sicher: In fünf Jahren werden die Spitzenleute fürs Europäische Parlament auf diese Weise gewählt werden. Und er fügt hinzu: „Schade: Ich habe mich mein Leben lang dafür eingesetzt, und wenn es nun kommt, bin ich vermutlich zu alt und nicht mehr dabei.“

Vielleicht irrt er sich. Jünger im Geiste als die meisten übrigen Europapolitiker ist der heute 64-Jährige mit dem angegrauten Rotschopf allemal. Und wer weiß: Vielleicht wirkt der Ruf „Dany for President“ nach einer Europawahl in fünf Jahren sogar weniger utopisch als heute.

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Georg Hoffmann-Ostenhof