Georg Hoffmann-Ostenhof

Georg Hoffmann-Ostenhof Eine Frage der Heere

Eine Frage der Heere

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Das einzige bedenkenswerte Argument für die Beibehaltung der allgemeinen Wehrpflicht ist das der Integration. Beim Bundesheer sind – zumindest theoretisch – alle gleich: der Cottage-Schnösel, der Vorstadt-Prolo und das Landei, der Einheimische und das Migrantenkind. Alle dienen gemeinsam unter den gleichen Bedingungen. Das schafft gesellschaftliche Kohäsion, einen Zusammenhalt, den wir in diesen unsicheren Umbruchszeiten dringend brauchen.
Selbst diese Begründung der Wehrpflicht ist letztlich nicht haltbar: Wie kann dieses Institut seine Integrationskraft entfalten, wenn deren Sinnhaftigkeit immer fragwürdiger wird?
Der sonst nicht gerade hoch im Kurs stehende deutsche Freidemokraten-Chef Guido Westerwelle sagt es kurz und bündig: Die Wehrpflicht „ist bloß eine Schikane für unsere jungen Männer“ und „für unsere Sicherheit nicht nötig“. Er drückt damit nicht nur die allgemeine Stimmung in Deutschland aus. Auch die meisten jungen Betroffenen hierzulande empfinden den Präsenzdienst zunehmend als sinnlose Belästigung durch den Staat und als Diebstahl an Lebenszeit.
Eine Mehrheit der österreichischen Bevölkerung ist inzwischen für die Abschaffung der Wehrpflicht. Und im europäischen Trend läge so eine grundlegende Umstrukturierung des Heeres ohnehin. Nur noch sechs der 27 EU-Länder halten an der überkommenen Rekrutenarmee fest. Alle großen Länder, mit Ausnahme Deutschlands, haben sie entweder bereits seit Langem nicht (etwa Großbritannien) oder sind in den vergangenen Jahren von ihr abgegangen (unter anderem Frankreich, Spanien und Belgien). Selbst in Deutschland wird nun unter dem Sparaspekt eine Systemumstellung bei der Bundeswehr in Erwägung gezogen.
„Weg mit der Wehrpflicht!“, forderte Christian Rainer kürzlich in seinem Leitartikel. Und der Grüne Peter Pilz will dazu ein Volksbegehren im Herbst starten. Da sollte man freudig sein Kreuzerl machen. Bloß: Das wäre nicht der Endpunkt, sondern erst der Anfang einer Debatte über die Zukunft der österreichischen Sicherheit.

Die Diskussion läuft bei uns jedenfalls völlig falsch. Während die Koalitionsparteien SPÖ und ÖVP (aber auch die FPÖ) die Wehrpflicht für heilig und unantastbar erklären, wird ihr von ihren Feinden das Berufsheer als Alternative entgegengestellt. Ist das aber wirklich eine gangbare Alternative?
Für Pilz ist es klar: Wir brauchen Soldaten nur für Auslands­einsätze. Und das sollten Berufssoldaten sein. Da genügt eine 4000 bis 6000 Mann (und Frau) starke hoch professionelle Truppe. Katastrophenhilfe soll zivil organisiert werden. Soziale Leistungen, die bisher vom Zivildienst geleistet werden, sollten auf freiwilliger Basis erbracht werden. Klingt gut und modern. Bloß stellt sich die Frage nach der Landesverteidigung.
Gewiss ist im Moment weit und breit keine Bedrohung in Sicht – was auch zum weitverbreiteten Wehrunwillen beiträgt. Bloß aus der Geschichte wissen wir, dass der ewige Friede nicht gesichert ist und sich die Situationen sehr schnell ändern können – auch wenn man sich einen Ernstfall heute nur schwer vorstellen kann. Soll man sich, schlitzohrig, darauf verlassen, dass uns dann die anderen EU-Staaten ohnehin zu Hilfe eilen? Und was, wenn nicht wir, sondern ein anderes Land der Union angegriffen wird – wie werden wir Beistand leisten?
Noch ein Problem stellt sich. Militärische Hilfeleistung in fernen Ländern ist sicher wichtig. Aber genügt diese Aufgabe, um der Armee in den Augen der Bevölkerung Legitimität zu verleihen? Wohl nicht. Man kann mit Sicherheit davon ausgehen, dass solch eine kleine Profitruppe permanent unterfinanziert sein würde.
Jene Verfechter eines Berufsheers aber, die den ganzen traditionellen Aufgabenkatalog einer Armee beibehalten wollen, rechnen mit einer notwendigen Stärke von 25.000 bis 30.000 Mann. Das freilich sei zu teuer, wird – zu Recht – von den Wehrpflicht-Fans argumentiert. Ein reines Berufsheer ist zudem im Frieden zu groß und im Krieg zu klein, sagt der österreichische Militärwissenschafter und Politologe Oberst Alfred C. Lugert. Und die Angst vor allem von linker Seite vor einer abgeschotteten Militärkaste, die einen Staat im Staat bilden könnte, mag übertrieben und antiquiert sein, sitzt aber aus historischen Gründen tief.
Weder Berufsheer noch Wehrpflicht also: was aber dann?

Es geht um die Schaffung einer Streitkraft von „einberufbaren freiwilligen nebenberuflichen Teilzeit-Reservisten“, wie sie Lugert propagiert. Eine quasi freiwillige Miliz. Die bestehende, auf Präsenzdienst basierende Miliz wurde in den vergangenen Jahren sukzessive ins Abseits gedrängt. Statt ihrer und statt der Zwangsrekrutierung müsste nun eine derartige auf Freiwilligkeit gründende Reserve aufgebaut werden. Dieses Konzept hat sich international bewährt. Etwa in England mit der Territorial Army. Oder aber auch in den USA, wo über 40 Prozent der Streitkräfte von Reservisten gestellt werden.
Im Unterschied zu unseren Milizsoldaten werden die Reservisten in den USA aber gründlich ausgebildet und weitertrainiert – an einem Wochenende im Monat plus zwei Wochen im Jahr – und für diese Übungszeit gleich bezahlt wie die Berufssoldaten. Da kann der Reservist ein zusätzliches Monatsgehalt pro Jahr lukrieren. Die Militärlaufbahn ist eine echte Nebenkarriere (die bis zum General gehen kann), in der die Reservisten das Know-how ihres Zivilberufs einbringen können und umkehrt. Die Reservistenarmee ist somit die lebendige Verbindung des Heeres zur Gesellschaft, wirkt integrierend und verhindert, dass sich die Armee gefährlich verselbstständigt. Die Berufsheerkomponente könnte in dieser Konzeption sogar kleiner sein als unter den heutigen Bedingungen der allgemeinen Wehrpflicht.
Und die ist ja wirklich ein Auslaufmodell.

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Georg Hoffmann-Ostenhof