Georg Hoffmann-Ostenhof

Georg Hoffmann-Ostenhof Eine Frohbotschaft

Eine Frohbotschaft

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Es sind nicht nur gottlose Gesellen und notorische Pfaffenhasser, die klammheimliche Freude empfinden über die Turbulenzen, in welche die Sancta Ecclesia neuerdings geraten ist.

Gewiss herrschen in diesen Tagen andere Gefühle vor: Mitleid mit den Opfern, die ihr Leben lang durch die sexuellen Übergriffe in ihrer Kindheit traumatisiert sind und jetzt erst wagen, mit ihren schmerzhaften Erinnerungen an die Öffentlichkeit zu gehen; Entrüstung über die kirchliche Hierarchie und Empörung über die geistlichen Würdenträger, die in einer Art Missbrauchtumspflege (©„Falter“) die Verbrechen ihres Personals vertuschten und die Übeltäter weiter auf die Jugend losließen; ja, sogar Mitgefühl mit jenen sexuell gestörten jungen Männern kann zuweilen aufkommen, die sich vor ihren Trieben in den Zölibat, in die Klöster und Pfarrhöfe flüchteten, um dann doch von der fehlgeleiteten Libido überwältigt zu werden.

Aber es soll auch nicht verschwiegen werden, dass so mancher mit Wohlgefallen die Schwächung der Kirche betrachtet – eine Schwächung, die dramatischer nicht sein kann. Da geht es ja nicht nur um den aktuellen Austritts-Tsunami – mit unabsehbaren finanziellen Folgen für die Kirche. Nicht nur um den zu erwartenden Bankrott des geistlichen Schulwesens – wer wird jetzt noch seine Kinder in katholische Internate schicken? Was dem Katholizismus nun vor allem zusetzen wird, ist der drohende völlige Verlust an moralischer Autorität. Wer wird noch die Ermahnung von Papst und Bischöfen in rebus sexualibus ernst nehmen können, wenn sich herausstellt, dass sie an der Spitze eines Vereins stehen, der systematisch Kinderschänder gedeckt und vor Verfolgung bewahrt hat? Wer kann noch mit gleicher Andacht den Worten des bayrischen Nachfolgers Petri zu Familie, Geschlechtsleben und zum Schutz des Lebens lauschen, wenn er weiß, dass Joseph Ratzinger als früherer Chef der Glaubenskongregation im Zentrum dieses Vertuschungssystems stand? (Wer fordert übrigens seinen Rücktritt?) Immerhin bedrohte er noch Anfang dieses Jahrhunderts all jene in der Kirche, die bei Fällen priesterlicher Kindervergewaltigung gegen die Geheimhaltung verstießen, mit Exkommunikation. Von der Exkommunikation pädophiler Verbrecher in den eigenen Reihen ist aber bisher nichts bekannt.

Vor allem in sehr katholischen Ländern kann sich der bevorstehende rasante Niedergang der Kirche als segensreich erweisen. Nehmen wir als Beispiel Österreich. In fast allen Bereichen, in denen wir vergleichsweise rückständig sind, ist das in einem gerüttelt Maß der Kirche geschuldet. Nicht dass sie real eine so große Macht hätte, aber sie besitzt – trotz aller Säkularisierung – hierzulande noch immer das, was der italienische Marxist Antonio Gramsci „kulturelle Hegemonie“ nannte. Hinter der Hartnäckigkeit etwa, mit der sich bei uns im Unterschied zu fast allen anderen Ländern die Halbtagsschule hält, oder hinter dem nur sehr zögerlichen Ausbau des Kindergartenwesens steckt ein konservativ-katholisches Familienbild, das nach wie vor tief verwurzelt ist. Das Nachhinken in der Beziehung der österreichischen Gesellschaft zu Frauen und Schwulen ist nur vor dem katholischen Hintergrund verständlich: Homosexualität ist Sünde, verkündet Rom. Und was man da von den Frauen hält, zeigt sich an deren bloß dienender Rolle in der Kirche.

Wohl kaum ein anderes Land in Europa ist so wissenschaftsskeptisch und -feindlich wie Österreich. Wenn anlässlich neuer Forschung und Technologie moralische Fragen auftauchen, erscheinen hier flugs Theologen, Äbte und Bischöfe – als Ethikmonopolisten quasi – auf dem öffentlich-rechtlichen Fernsehschirm, um die Schöpfung Gottes vor dem anmaßenden Eingriff des Menschen zu verteidigen. Und so ist sich ganz Österreich einig, dass Gentechnologie Teufelszeug ist und Stammzellenforschung nie und nimmer betrieben werden darf.

Schließlich muss es – trotz aller historischen Verdienste der katholischen Kirche und des Christentums – zu sagen erlaubt sein: Das Beten ist letztlich auch eine Einübung in Unterwerfung. Und diese findet in der strikt autoritären Struktur der Kirche ihre fast karikaturhafte weltliche Ausprägung. Die nun sichtbar werdende tiefe Krise des Katholizismus ist also auch eine Chance auf Modernisierung. Der Absturz der Kirche verspricht gesellschaftliche Erfrischung.

Zu sehr soll sie aber auch nicht abstürzen. Denn von allen Großorganisationen im Land (Parteien, Gewerkschaften, Parlament, Verbände) ist die katholische Kirche heute die wohl einzige, die sich in der so genannten Ausländerfrage nicht unanständig verhält. Das muss auch gesagt sein. Und da ist nicht nur das bewundernswerte Engagement der Caritas für Asylwerber, Zuwanderer und gegen Xenophobie gemeint. Der 2000 Jahre alte Internationalismus der Kirche macht sie offenbar weitgehend immun gegen die chauvinistischen Grundströmungen unserer Zeit.

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Georg Hoffmann-Ostenhof