Georg Hoffmann-Ostenhof

Georg Hoffmann-Ostenhof Es wird ungemütlich

Es wird ungemütlich

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Da lässt sich Irland nach langem Zögern retten und flüchtet unter den EU-Rettungsschirm. Und was passiert? Die Märkte beruhigen sich nicht, wie man hätte annehmen können. Ganz im Gegenteil: Die Zinsen für irische, griechische, portugiesische und spanische Staatsanleihen klettern auf Rekordniveau. Und der Eurokurs fällt. Es ist seltsam: Ein Staat nach dem anderen an der südlichen und westlichen Peripherie der EU stürzt in eine tiefe Finanzkrise, und keiner weiß so recht, warum. Langsam wird es ungemütlich in Europa.

Mit der griechischen Tragödie hat es begonnen, jetzt braucht der schwer kranke keltische Tiger die starke EU-Infusion, um nicht zu sterben. Demnächst sind die Iberer – zuerst Portugal, dann Spanien – an der Reihe. Und am Horizont sieht man bereits Italien die Hand aufhalten, weil man dort nicht mehr weiterweiß. Dabei können die ökonomischen Grunddaten der auf die schiefe Bahn geratenen Länder unterschiedlicher nicht sein: Da gibt es welche, in denen frivol das Geld hinausgeschmissen wurde, wie in Griechenland, andere wiederum waren Musterschüler in der Haushaltsdisziplin, wie Spanien; bei den einen ist der Staat katas­trophal verschuldet, anderswo schwanken die Banken, bei durchaus akzeptablen Staatsdefiziten; die einen haben eine gesunde industrielle Basis, bei andern wieder zeigt sich die Realwirtschaft bedenklich schwach.

Man könnte fragen: Was kümmert uns all das hier, wo von der Krise kaum etwas zu spüren ist, warum sollten sich die Mitte und der Norden des Kontinents Sorgen machen, wenn der mediterrane Süden und der irische Westen in die Bredouille geraten? Und haben wir nicht Grund zu Optimismus, wenn Österreichs Handelspartner Nummer eins, Deutschland, boomt und dessen Unternehmer zuversichtlicher denn je in die Zukunft blicken?

Es sei daran erinnert, dass vor zwei Jahren die Angst umging, der Osten, dort wo unsere Banken, Versicherungen und Handelshäuser massiv engagiert sind, könnte pleitegehen. Wer sagt, dass nach einer kurzen Phase der scheinbaren Stabilisierung der Volkswirtschaften in den neuen EU-Beitrittsländern diese sich demnächst nicht in ähnlich prekären Umständen befinden wie Griechenland, Irland und Co? Was das für uns Österreicher bedeuten würde, mag man sich gar nicht ausmalen.

Dass die Märkte – und die Spekulanten spielen dabei nur eine untergeordnete Rolle – das Vertrauen in bestimmte Eurostaaten verlieren, dürfte nur zu einem Teil mit dem Zustand der dortigen Volkswirtschaften zu tun haben. Vielmehr glauben die Investoren immer weniger, dass die EU die Krise managen kann. Schon fragen sie bange, was passiert, wenn auch der 750-Milliarden-Hilfsfonds der EU zu klein ist, um die in Schwierigkeiten geratenen Eurostaaten zu retten. Natürlich wollen sich die Investoren das erhöhte Risiko mit höheren Zinsen abgelten lassen, was aber die betroffenen Staaten wieder ein Stück näher an den Abgrund führt. Es ist das Misstrauen der Märkte in das System als Ganzes, das dessen schwächere Teile finanziell abstürzen lässt. Und bestraft wird nun der Euro dafür, dass er seit Anbeginn auf zu schwachen politischen Beinen, dass seit jeher hinter der gemeinsamen Währung kein gemeinsamer politischer Wille steht.

Verschärft wird die Situation dadurch, dass Deutschland, Exportweltmeister und führende Wirtschaftsnation Europas, sich nicht nur als Zuchtmeister der EU aufspielen und den in Bedrängnis geratenen Ländern schwerste Hunger­diäten auferlegen will, sondern noch dazu in Apokalypse macht. Die Kanzlerin Angela Merkel verkündet dramatisch, dass die „Situation des Euro außerordentlich ernst“ sei, ihr Finanzminister Wolfgang Schäuble spricht davon, dass „unsere gemeinsame Währung auf dem Spiel steht“.

Auch die Tonalität der Äußerungen des Ratspräsidenten Herman Van Rompuy ist nicht gerade vertrauensbildend, wenn er raunt, dass, wenn der Euro nicht überlebe, auch die EU zum Untergang verdammt sei.

Die EU ist gefordert wie nie zuvor. Und die Deutschen zuallererst. „Wenn die Eurozone auseinanderfällt, wird Deutschland schuld sein“, schreibt der britische Historiker Timothy Garton Ash. „Und wenn die Eurozone gerettet wird, dann dank der Deutschen.“ Bisher jedenfalls sieht Ash die Regierung in Berlin nicht auf der Höhe ihrer Aufgaben. Das ständige Zögern und Opponieren Merkels, wenn es um gemeinsame Antworten auf die Krise geht, verunsichert die Märkte in starkem Maße. Und die geradezu obsessive Orientierung Berlins auf Schuldenabbau, wenn es um die Rettung von maroden EU-Mitgliedsstaaten geht, kann noch verheerende Folgen haben.

Natürlich müssen die Staatshaushalte konsolidiert werden. Aber den notleidenden Ländern Sparkurse zu verordnen, die garantieren, dass deren Wirtschaft nicht aus dem Tief herausfindet, verschärft nur die Ungleichgewichte in der EU: eine der wesentlichen Ursachen der Eurokrise.
Es ist vor allem an den Deutschen zu erkennen, was der renommierte Wirtschaftspublizist Martin Wolf in der „Financial Times“ schreibt: „Schulden machen ist keine Sünde – dann, wenn wir das Geld verwenden, um der Zukunft eine bessere Infrastruktur weiterzureichen.“

Aber offenbar muss die Krise der Eurozone noch dramatischer werden, damit die EU-Staaten begreifen, dass es eines Schubs in der politischen Integration Europas bedarf, dass der Euro eine gemeinsame Wirtschafts- und Finanzpolitik braucht und der germanische Sparfimmel Gift für das europäische Projekt ist.

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Georg Hoffmann-Ostenhof