Georg Hoffmann-Ostenhof

Georg Hoffmann-Ostenhof Gerd & Tony, Manuel & Matteo

Gerd & Tony, Manuel & Matteo

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Im Jänner dieses Jahres hatte Manuel Valls im Fernsehen auf die Zuschauerfrage „Was würden Sie wählen: den Posten des Premierministers oder ein Glas mit Penelope Cruz?“ dem spanischen Filmstar den Vorzug gegeben. Keine zwei Monate später war der bis dahin als Innenminister amtierende Valls Regierungschef: Der glücklose sozialistische Präsident François Hollande, dessen Partei gerade bei den Kommunalwahlen ihr Waterloo erlebt hatte, machte den populärsten Politiker der französischen Linken zu seinem Premier.

Anfang Februar erklärte Matteo Renzi, der frisch gebackene Chef der italienischen Sozialdemokraten, nie und nimmer die Regierungsgeschäfte in Rom übernehmen zu wollen, ohne vom Volk gewählt zu werden. Nur wenige Tage später hatte der überaus beliebte ehemalige Bürgermeister von Florenz seinen Parteigenossen, den blassen Enrico Letta, gestürzt und sich als Premier akklamieren lassen.

So sehr Renzi und Valls zu zögern schienen – niemandem war verborgen geblieben, dass brennender Ehrgeiz und unbändiger Machtwillen die beiden antreiben. Sie sind in den Parteien der gemäßigten Linken in ihren Ländern Politiker neuen Typs. Am rechten Flügel stehend, ist ihnen Populismus nicht fremd. Und sie präsentieren sich als charismatische Macher, die ihre stagnierenden Länder von Grund auf reformieren wollen.

Valls und Renzi erinnern stark an die beiden früheren Mitte-Links-Regenten Tony Blair und Gerhard Schröder, die sich Ende der 1990er-Jahre forsch auf ihren „Dritten Weg“ in die „Neue Mitte“ machten. Das ist auch der
„Financial Times“ aufgefallen. „Die vier Männer haben oder hatten allesamt keine Scheu davor, anderen in der eigenen Partei auf den Schlips zu treten“, schreibt das britische Blatt: „Jeder von ihnen hat sich wohl dem von Blair 1997 geäußerten Motto verschrieben, wonach das zählt, was funktioniert, nicht das, was der reinen Lehre entspricht.“

Wie damals dem charismatischen Briten und dem kraftstrotzenden Deutschen geht es heute den neuen Premiers in Paris und Rom darum, alte linke Dogmen zu entsorgen und den Interessen der Märkte und der Unternehmer in stärkerem Maß als bisher entgegenzukommen.
Erleben wir also im Süden Europas eine Renaissance des „Dritten Wegs“? Und ist der erfolgversprechend?

Der Schröder-Blair-Kurs jedenfalls war zunächst durchaus eine Erfolgsstory: Blair modernisierte Großbritannien. Er wurde zwei Mal wiedergewählt und ist einer der längst dienenden Premiers der britischen Geschichte. Schröder hingegen konnte sich nicht einmal zwei Legislaturperioden als Kanzler halten. Und seine umstrittene und von den Linken innerhalb und außerhalb seiner SPD heftig bekämpfte große Reform – „Agenda 2010“ genannt – kostete ihn sein Amt. Aber mit der Agenda habe er, so wird nun allgemein anerkennend analysiert, die Grundlage für den nachfolgenden spektakulären Wirtschaftsaufschwung und die aktuelle ökonomische Stärke Deutschlands geschaffen.

Die Ähnlichkeiten von Valls/Renzi mit Blair/Schröder täuschen freilich darüber hinweg, dass die Schwierigkeiten und Probleme, vor denen die heutigen Mitte-Links-Politiker in Westeuropa stehen, um vieles größer und drängender sind als jene, mit denen die Sozialdemokraten vor 15 Jahren konfrontiert waren. Nicht nur stecken die Volkswirtschaften Frankreichs und Italiens heute viel tiefer in der Krise als jene Deutschlands und Großbritanniens damals. Auch ist inzwischen das Vertrauen in die Politik im Allgemeinen und in sozialdemokratische Politik im Besonderen weitgehend geschwunden.

Und daran haben die seinerzeit so erfolgreichen Vertreter des Dritten Wegs Mitschuld. In relativ stabilen Zeiten funktionierte ihr Pragmatismus. In Zeiten von wirtschaftlichen Verwerfungen muss der aber versagen. Und so gelang es den Sozialdemokraten angesichts der Weltwirtschaftskrise nicht, glaubwürdige Alternativen zu den Sanierungsrezepten der Konservativen zu finden.

Zweifellos bedürfen Frankreich und Italien echter Strukturreformen und sind in weiten Bereichen liberale Lockerungsübungen angesagt. Die beiden Neuen in Paris und Rom haben offenbar die Kühnheit, nun das anzugehen, was rechte wie linke Regierungen zuvor nicht zustande brachten. Aber nur den Unternehmern bessere Geschäftsbedingungen zu verschaffen, ohne die Arbeitnehmer für so manche damit einhergehende soziale Härte zu kompensieren, ginge wohl nicht, ohne soziale Explosionen zu riskieren.

Bloß: Kann das dafür notwendige Geld aufgebracht werden?

Es sieht ganz so aus, als ob sich Valls und Renzi darauf geeinigt haben, Brüssel herauszufordern: Um den notwendigen finanziellen Spielraum für ihren Reformkurs zu erlangen, verlangen sie die Aufweichung des strikten EU-Sparkurses und wollen gezielt auf Wachstumspolitik setzen. Wie gerechtfertigt dieses Ansinnen ist, zeigte sich erst wieder in der vergangenen Woche, als das Gespenst einer allgemeinen Deflation Europa in Angst und Schrecken zu versetzen begann.

Brüssel wäre also gut beraten, den Forderungen aus Paris und Rom schleunigst nachzukommen. Dann könnte der „Dritte Weg, neu“, den nun Manuel Valls und Matteo Renzi einschlagen, tatsächlich aus der Krise – und nicht bloß aus jener im Süden Europas – herausführen.

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