Georg Hoffmann-Ostenhof: Go left!

Die Vorwahlen signalisieren eine Europäisierung der US-Politik.

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Wir wissen es nicht. Ist die Niederlage von Donald Trump in Iowa – er wurde entgegen allen Voraussagen nicht Erster, sondern Zweiter – der Anfang vom Ende seines Höhenflugs? Oder doch nur ein kleiner Ausrutscher? Der milliardenschwere Baulöwe und Fernseh-Showmaster zeigt sich jedenfalls überaus nervös. Verständlich: Der Mann, der immer wieder versichert, „Loser“ zu verachten, ist der große Verlierer des Montags vergangener Woche.

Überraschung auch bei den Demokraten. Man wusste ja, dass dem Sozialisten Bernie Sanders die Herzen der Parteibasis zufliegen. Dass er aber beim ersten Antreten faktisch mit Hillary Clinton gleichziehen würde, wurde doch als Sensation gewertet. Wobei das Lager der ehemaligen First Lady sich tröstet: Iowa und auch New Hampshire – die nächste Station – seien Staaten, die mit ihren vielen liberalen (europäisch gesprochen: linken), jungen, weißen Demokraten geradezu für „Bernie“ maßgeschneidert sind. In den Bundesstaaten, in denen viele Schwarze und Hispanics leben, werde Hillary siegen. Alle Umfragen zeigen tatsächlich: Die Minderheiten fahren geradezu auf sie ab.

Wer auch immer schlussendlich um den Einzug ins Weiße Haus rittern wird – an dem bisher so turbulenten Vorspiel zur Präsidentschaftswahl 2016 lassen sich bereits jetzt klare längerfristige Tendenzen ablesen: Die amerikanische Politik wird – erstens – europäischer. Und zweitens: linker.

Klar: Zunächst ist der Aufstieg der Außenseiter Ausdruck der „Politikverdrossenheit“ in Aktion. Aber beide „rising Stars“, Trump und Sanders, haben noch etwas gemeinsam: Sie wirken unamerikanisch.

Trump hat den europäischen Rechtspopulismus nach Amerika importiert.

Die Republikaner, auch deren radikaler Flügel, definieren sich zentral durch die Abscheu vor dem „Big Government“. Der Staat ist des Teufels, der Markt gottgewollt, und die Reichen gilt es zu entlasten. Nun führt Trump zwar radikale Sprüche gegen die Herrschenden in Washington im Mund. Aber Sozialversicherung und Medicare will er nicht angetastet wissen, allzu hohe Managergehälter erwägt er zu besteuern. Und er verspricht öffentliche Investitionen in die Infrastruktur. Alles höchst unrepublikanisch.

Gleichzeitig war er in den vergangenen Monaten mit einer rabiaten Ausländerfeindlichkeit erfolgreich, die man so massiv in Amerika bislang nicht kannte. Er werde Muslimen die Einreise verwehren; Millionen im Land lebende Hispanics deportieren lassen; eine hohe Mauer an der Grenze zu Mexiko, vielleicht auch zu Kanada bauen. All das und noch mehr verspricht Trump.

In Amerika ist aber „Willkommenskultur“ seit eh und je gelebte Realität (und nicht wie bei uns ein erst jüngst erfundenes Wort). Da blickt man traditionell mit Stolz auf seine Einwanderer und empfindet diese eher als Bereicherung denn als Belastung. In den USA ist der Politmix, mit dem Trump nun Furore macht, ein Novum – in Europa hingegen ist er altbekannt: Die Rechtspopulisten (oder Rechtsradikalen) à la Strache, Le Pen, Wilders, Jobbik verfolgen diesen Kurs seit Langem – und neuerdings macht das auch die deutsche AfD.

Trump hat faktisch den europäischen Rechtspopulismus nach Amerika importiert. Auch falls er nicht als republikanischer Kandidat für die Präsidentschaft gekürt werden sollte: Er prägte Monate hindurch den politischen Diskurs – zumindest den des konservativen Lagers.

Nun zu Sanders: Bis vor Kurzem war es unbestritten, dass ein Sozialist in Amerika nie reüssieren könnte. Dann kam Bernie. Was auf den ersten Blick radikal anmutet, ist es mitnichten. Da mögen seine euphorischen, Aufbruch versprechenden Wahlveranstaltungen ähnlich wie jene der spanischen Podemos-Partei oder der griechischen Syriza wirken – programmatisch entpuppt sich der alte New Yorker aus Vermont als Sozialdemokrat europäischer Prägung: Vermögens- und Reichensteuern, Bankenentflechtungen, Abschaffung von Studiengebühren, massive Infrastruktur-Investitionen. Extrem ist daran gar nichts. Kein Zufall also, dass Sanders immer wieder das skandinavische Gesellschaftsmodell als nachahmenswert anpreist.

Wie also auf republikanischer Seite durch Trump europäische Akzente gesetzt werden, machen sich auch die Demokraten auf den europäischen Weg. Und der führt nach links. (Siehe auch den Kommentar von Peter Michael Lingens auf Seite 96). Und nicht erst seit Sanders. Der prominente New Yorker Intellektuelle Peter Beinart zeichnet in einem Artikel mit dem Titel „Why America is moving left“ diese Entwicklung nach: Schon die Wahl Barack Obamas 2008 hätte einen Linksruck der Demokratischen Partei signalisiert. Von „ihrem“ Präsidenten enttäuschte Obama-Fans initiierten dann die Occupy-Wall-Street-Bewegung, die zwar kurzlebig war, aber das Thema der Ungleichheit als zentrales politisches Thema in den USA etablierte.

Und nun geht es mit dem Sanders-Hype noch ein Stück weiter nach links. Beinart ist sich sicher: Hillary Clinton, die 2008 noch rechts von Obama stand, würde als Präsidentin linker regieren als Obama in den vergangenen acht Jahren. Auch wenn die Republikaner den Kongress blockierten, ja selbst, wenn sie die Präsidentenwahl gewännen – „die liberale Ära, die Obama eingeleitet hat, ist nicht zu Ende, sie hat jetzt erst so richtig begonnen“.

Ach, möge Beinart doch recht behalten!

Georg Hoffmann-Ostenhof