Georg Hoffmann-Ostenhof: El Presidente
Viel Gutes kann man George W. Bush wirklich nicht nachsagen. In der Einwanderungspolitik hat sich der Vorgänger von Präsident Barack Obama aber ausgezeichnet. Mit seiner von ihm eingebrachten „Immigration Reform“ wollte Bush für die illegal im Land lebenden Ausländer einen Weg in die Legalität schaffen und diesen auch die Staatsbürgerschaft in Aussicht stellen. Er kam damit nicht durch. Seine Partei – die Republikaner – blockten ab.
Bemerkenswert ist aber doch, dass der rechteste – und, wie viele meinen, schlechteste – Präsident, den die USA in den vergangenen Jahrzehnten hatten, mit seiner Initiative, „illegale Ausländer“ faktisch zu amnestieren, etwas vorschlug, was in Europa in diesen Tagen selbst linke Parteien nicht einmal in Erwägung zu ziehen wagen.
Das muss auch einmal gesagt sein. Und ist zudem aktuell. Mit ganz ähnlichen Vorstellungen zur Immigration zieht nämlich nun Jeb Bush, der ehemalige Gouverneur von Florida und jüngere Bruder von George W. in den Kampf um die republikanische Kandidatur für die Präsidentschaft.
Die große Mehrheit der US-Einwanderer kommt bekanntlich aus Lateinamerika. Jebs Wahlkampfauftakt war in seiner ganzen Inszenierung auf diese Zielgruppe hin ausgerichtet. Schauplatz: das Miami Dade College, in dem mehr Hispanics studieren als an irgendeiner anderen Universität in den USA. Das Vorprogramm wurde von lateinamerikanischen Musikgruppen bestritten, sein bilingualer Sohn George P. Bush stellte seinen Vater vor, der dann Teile seiner Rede in perfektem Spanisch absolvierte. Und er vergaß nicht, zu erwähnen, dass seine Frau Columba aus Mexiko stammt. „Die zentrale Message seines Auftritts war: Die Republikaner machen euch ein historisches Angebot“, ironisiert das US-Magazin „The Atlantic“: „Nach dem ersten schwarzen Präsidenten hat der Wähler nun als Alternative zur ersten Frau im Weißen Haus (Hillary Clinton) die Chance auf den ersten Latino-Präsidenten – nicht buchstäblich, aber beinahe.“ Und auf Anfragen aus dem Publikum versicherte Jeb, dass er an seinem Vorhaben einer „comprehensive immigration reform“ festhalten werde.
Immigration ist der Bereich, in dem sich Jeb Bush von der Tea Party unterscheidet
Nicht zuletzt seine Haltung in dieser Frage brachte ihm das Image des Moderaten ein, der sich von den vielen Radikalrechten unter den Republikanern, die auch um die Präsidentschaftskandidatur rittern, abhebt. Deshalb gilt er nun in den Medien als Favorit, der noch am ehesten gegen die wahrscheinliche Kandidatin der Demokraten, Hillary Clinton, gewinnen könne.
Bei näherem Hinsehen freilich muss einiges relativiert werden. Da mag der jüngere Bush auch im Stil nicht so rabaukenhaft sein wie viele seiner republikanischen Rivalen, aber Immigration dürfte wohl der einzige Bereich sein, in dem er sich wesentlich von den Tea-Party-Rechten unterscheidet: Jeb ist gegen Abtreibung, gegen die Homo-Ehe, ein Freund der Waffenlobby, gegen universelle Krankenversicherung, und er propagiert massive Steuersenkungen, vor allem auch für die Reichen.
Und gerade mit seiner zivilisierten Haltung, was „Ausländer“ betrifft, wird er sich in den jetzt beginnenden Primaries, den republikanischen Vorwahlen, schwertun. Dass er das selber weiß, wurde klar, als er kürzlich die – poetische, wenn nicht sogar unsinnige – Aussage tätigte, er wäre bereit, die Primaries zu verlieren, um die Wahlen zu gewinnen. Beim Elektorat insgesamt würde er tatsächlich mit seiner weichen Haltung gegenüber den Immigranten Sympathien erwecken. Mehrheiten sind für eine Einwanderungsreform, wie sie auch Obama durchsetzen will, und heißen Menschen, die in die USA kommen, als Bereicherung willkommen. Das ergeben Umfragen des Pew Research Center.
Sie zeigen aber gleichzeitig, dass die Wählerschaft bei den republikanischen Primaries anders gestrickt ist: Die vor allem älteren, weißen, wenig gebildeten Mitglieder der Unterschicht, die an den Vorwahlen teilnehmen, sind durchwegs ablehnend gegenüber einer lockereren Haltung in Bezug auf Latinos, die im Land keinen legalen Status besitzen. Und sie empfinden Immigration eher als Fluch denn als Segen für die Heimat. Viele von ihnen sehen in Jeb Bush wohl einen Liberalen.
Bei den Wahlen könnte dieser vielleicht Hillary einige Hispanics – eine immer wichtiger werdende, wachsende Wählergruppe, die bisher in großer Mehrheit demokratisch wählt – abspenstig machen. Bei den Vorwahlen seiner Partei spielen aber diese kaum eine Rolle. Da machen Minderheiten traditionellerweise nicht mit.
Es ist also höchst fraglich, ob Jeb, wie vielfach angenommen, in den nächsten Monaten der Führende unter den republikanischen Präsidentschaftsanwärtern sein und bleiben wird. Die Wiederauflage eines Matchs Bush versus Clinton dürfte so dann doch nicht stattfinden.
Und das wäre gut so. Denn träte Jeb gegen Hillary an und verlöre, was aus heutiger Sicht als wahrscheinlich erscheint, dann hieße es in seiner Partei: Er war zu moderat, er hat nicht entschieden genug gegen den verderblichen Liberalismus gekämpft. Dann verbliebe die Grand Old Party, wie die Republikaner genannt werden, weitere Jahre in jenem radikal-rechten, obstruktiven Eck, in das sie sich in den vergangenen Jahrzehnten manövriert hat. Ein Sieg Frau Clintons über einen Tea-Party-Konservativen oder einen anderen Reaktionär hingegen würde einen historischen Heilungsprozess der GOP beschleunigen. Diese würde wieder zu jener normalen konservativen Mainstream-Partei werden, die sie einst war. Höchste Zeit wäre es.