Georg Hoffmann-Ostenhof: Licht im Tunnel

Georg Hoffmann-Ostenhof: Licht im Tunnel

Drucken

Schriftgröße

Was, wenn das nervenaufreibende Griechenlandschlamassel der vergangenen Wochen und Monate am Ende doch etwas Positives bringt? Stimmt vielleicht auch diesmal die alte Brüsseler Weisheit, dass die EU gerade durch Krisen stärker wird? Auf den ersten Blick gibt es keine Anhaltspunkte für solch eine optimistische Perspektive. Man habe zwar jetzt den Grexit verhindert, aber der sei doch nur aufgeschoben, wird allseits moniert. Und dass die Griechen durch das jüngste Abkommen zwischen Brüssel und Athen in absehbarer Zukunft aus ihrer Misere herausfinden, glaubt kaum jemand. Ebenso wenig, dass die EU zu jener Handlungsfähigkeit findet, die sie aktuell so dringend bräuchte.

Und doch: Gerade in diesen düsteren Zeiten gilt es, nicht wegzuschauen, wenn sich Silberstreifen am Horizont zeigen. Und die gibt es. Doch, doch.

Politiker der wichtigsten EU-Staaten propagieren den Umbau der Eurozone

Dieser Tage hört man immer häufiger, dass die Währungsunion einen weiteren Fall Griechenland nicht überleben werde. So wie bisher könne es nicht weitergehen. Eine grundlegende Reform sei unabdingbar. Gewiss, so wurde in der Vergangenheit bereits öfter geredet, und es blieb dennoch ohne Konsequenzen. Diesmal könnte es aber wirklich ernst werden. Denn es sind machtvolle Politiker der wichtigsten EU-Staaten, die den notwendigen Umbau der Eurozone propagieren.

▶ Da ist zunächst François Hollande. Frankreichs Präsident ließ sich, als er nach den Marathon-Verhandlungen aus Brüssel heimkehrte, als Sieger feiern. Diesmal habe er sich gegenüber den Deutschen endlich einmal durchgesetzt, jubelten die französischen Medien. Er sei es gewesen, der das Ausscheiden Griechenlands verhindert und damit dem Hardliner aus Berlin, Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble, der partout den Grexit wollte, eine Niederlage bereitet habe. Offenbar dadurch beflügelt, ging er in die Offensive: Die Eurozone braucht eine Regierung mit einem Finanzminister, mit einem eigenen Budget und einem gewählten Parlament, schrieb er vorvergangenen Sonntag. Und ganz gegen den vermeintlichen Zeitgeist, der auf Renationalisierung setzt, beharrt er: „Was Europa bedroht, ist nicht ein Zuviel, sondern ein Zuwenig an Europa.“

▶ Über diese Vorstellungen Hollandes geht Italiens Finanzminister Pier Carlo Padoan noch hinaus. Die Eurozone sollte auch Teile der Arbeitslosenversicherung „vergemeinschaften“, sagte er Anfang vergangener Woche in einem Interview mit der britischen „Financial Times“ und bestätigt damit den betont proeuropäischen und integrationsfreundlichen Kurs der Regierung von Matteo Renzi.

▶ Einen unerwarteten Bündnispartner findet nun Hollande (und mit ihm Renzi) in Wolfgang Schäuble, dem großen Gegenspieler in der Causa Griechenland: Auch der Deutsche plädiert für einen Eurozonen-Finanzminister und einen Eurozonen-Haushalt – der aber nicht bloß, wie Paris meint, durch gemeinsam verbürgte Schuldenaufnahme finanziert, sondern auch von eigenen Steuern gespeist werden soll. Zuweilen gibt sich Schäuble gar als ausgesprochener Freund der europäischen Integration: Kommission und Europa-Parlament gehören gestärkt, verkündete er etwa kürzlich im „Spiegel“.

Gewiss, vieles bleibt vorerst offen: Wie soll sich künftig das Verhältnis der EU zur Eurozone gestalten? Wäre deren Parlament eigens gewählt oder eine Art Ausschuss im Straßburger Abgeordnetenhaus? Entsteht so nicht das – vielfach in der Vergangenheit bereits diskutierte – „Europa der zwei Geschwindigkeiten“?

Fragen über Fragen. Sicher ist aber, dass alle die jetzt vorgestellten Umbau-Ideen Angela Merkel höchst zuwider sein müssen. Die deutsche Bundeskanzlerin hat in den vergangenen Jahren alles getan, Souveränitätsübertragungen der Nationalstaaten an Brüssel zu verhindern. Die Währungsunion sollte prinzipiell vom Europäischen Rat – den Chefs der nationalen Regierungen – geführt werden. Entscheidungen in der Eurozone kommen, wenn es nach ihr geht, nicht über EU-Gesetze (Gemeinschaftsmethode), sondern durch Verträge zwischen den Regierungen zustande. Kommission wie Parlament spielen dabei nur eine marginale Rolle.

Dieser von ihr vertretene und durchgesetzte „Intergouvernementalismus“, wie das im Brüssel-Speak heißt, kommt nun unter Beschuss: Er sei es ja gewesen, der dazu beigetragen hat, dass die Griechenland-Krise so desaströse und existenzgefährdende Ausmaße annahm.

Der Währungsverbund muss also fiskalisch und politisch enger zusammengefügt werden. Das sind die Lehren aus dem hellenischen Fiasko. Darin sind sich Schäuble und Hollande – und nicht nur sie – einig. Klar ist aber auch, dass die beiden damit Unterschiedliches erreichen wollen: Dem Deutschen geht es vor allem darum, die politische Legitimität für die Durchsetzung seiner Austeritätspolitik zu stärken. Der Franzose sieht darin umgekehrt die Chance, so zu einer gezielten europäischen Wachstumspolitik zu gelangen.

So verschieden auch deren Motive sein mögen: Der sozialistische Präsident Frankreichs und der konservative deutsche Finanzminister wollen aber offensichtlich den gleichen Weg aus der europäischen Krise beschreiten. Und das lässt hoffen. Man soll sich freilich nicht zu früh freuen. Die Gegenkräfte sind stark. Europafeindschaft, Nationalismus und Populismus haben Aufwind. Es ist nicht auszuschließen, dass, wie der slowenische Philosoph Slavoj Žižek einmal formulierte, sich das Licht am Ende des Tunnels schließlich als der entgegenkommende Zug entpuppt.

Georg Hoffmann-Ostenhof