Georg Hoffmann-Ostenhof

Georg Hoffmann-Ostenhof Linkspopulismus, bitte!

Linkspopulismus, bitte!

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Barack Obama hätte schon früher die Großbanken, ihre „massiven Profite und obszönen Boni“ geißeln müssen. Hätte er nicht erst am Ende seines ersten Jahres als US-Präsident der Wall Street kämpferisch entgegengeschleudert: „Wir wollen unser Geld zurück, und wir werden es zurückbringen“, hätte er bereits früher angekündigt, die großen Finanzinstitute, die der Staat gerettet hat, nun zur Kassa bitten zu wollen, vielleicht wäre ihm das Fiasko von Massachusetts nicht passiert. In diesem urdemokratischen Bundesstaat verlor die Partei Obamas bei Nachwahlen vergangenen Dienstag bekanntlich einen sicher geglaubten Senatssitz. Damit ist das zentrale innenpolitische Projekt Obamas, die Gesundheitsreform, wieder gefährdet.

Das Banken-Bashing ist überaus populär. Wenn Obama die großen Finanzmanager beschuldigt, „raffgierig und verantwortungslos“ zu sein, dann spricht er der Mehrheit der Amerikaner aus der Seele. Dass nicht nur die breite Masse der US-Bürger, die darbende Main Street, nun die Zeche der Krise zahlt, sondern, wie nun der Präsident verspricht, auch deren Hauptverursacher, die Wall Street, ihr Scherflein beitragen soll, ist eine Idee, die ankommt. Damit kann Obama zudem die Wahrnehmung der Bevölkerung korrigieren, dass er zu nett zu den mächtigen Geldmanagern sei und letztlich auch nur als „Büttel des Finanzkapitals“ agiere.

Vernünftig dürfte die von ihm geplante Bankensteuer überdies sein. Sie wäre nicht bloß linker Populismus, sondern auch realpolitisch sinnvoll. Jedenfalls wäre diese Maßnahme ein Schuss vor den Bug jener Herrschaften in den Vorstandsetagen, die wieder fette Gewinne einfahren, sich Boni auf Vor-Krisen-Niveau genehmigen und auch wieder zu spekulieren beginnen, als ob ihre Spekulationen nicht erst kürzlich die Weltwirtschaft an den Rand des Abgrunds ­geführt hätten. Und zudem brächten die von Obama geplanten 0,15 Prozentpunkte, die auf die Bilanzsumme der Großbanken erhoben werden sollen, in den kommenden zehn Jahren immerhin 90 Milliarden Dollar. Damit könnten einige Verluste aus dem staatlichen Bankenhilfspaket ausgeglichen werden.

Auch in Europa sind die Menschen darüber erbost, dass die Gewinne privat lukriert, die Verluste aber letztlich sozialisiert werden. Das schlechte Image der Banken verfestigt sich. Ihre Manager sind in vielen Ländern verhasster als die Politiker – und das will etwas heißen. Überwältigende Mehrheiten sind für Bankabgaben in dieser oder jener Form: 83 Prozent der Briten und 81 Prozent der Franzosen etwa begrüßen die beschlossene Besteuerung der Boni. Auch anderswo sind immer mehr Menschen der Meinung, der Finanzsektor soll, wenn es darum geht, die von der Krise verursachten Kosten zu bezahlen, nicht ungeschoren davonkommen.

Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass selbst konservative Regierungen in Europa sich, nach anfänglicher Abwehrhaltung, zunehmend empfänglich zeigen gegenüber dem Drängen Obamas, es ihm gleichzutun und ähnliche Maßnahmen zu setzen, wie er sie plant.

Selbst in Österreich kommen die Signale aus Washington an. Kanzler Werner Faymann propagiert seit Kurzem eine Banken-Solidaritätssteuer – obwohl sie prozentuell ohnehin nur halb so hoch sein soll wie die Abgabe in den USA, formiert sich hierzulande der Widerstand, der so leicht nicht zu überwinden sein wird. Nicht zuletzt deswegen, weil er auf tief verwurzelte Vorstellungen bauen kann.

Als vor wenigen Tagen eine Studie des Sozialministeriums präsentiert wurde, die nüchtern und schlüssig darlegt, dass sich Österreich seinen Sozialstaat durchaus leisten kann, dass unter Beibehaltung der derzeitigen Politik auch die Alterung der Bevölkerung zu bewältigen ist und dass keinesfalls der Kollaps der Staatsfinanzen droht, fand das nur sehr mäßiges Interesse. Dem Bericht über diese hoffnungsvolle Studie wurde in den heimischen Zeitungen nur wenig Platz eingeräumt. Und die meisten Postings im Internet wüteten in einer Weise gegen die Prognose des Sozialministeriums, als ob da für Kinderpornografie oder islamistischen Terror geworben würde.

Tatsächlich hat man uns durch zwei Jahrzehnte erfolgreich eingeredet, dass wir über unsere Verhältnisse leben, dass letztlich die Wohlfahrt, wie wir sie kennen, nicht zu finanzieren sei und dass, wenn wir nicht „umkehren“, die kommenden Generationen keine Pension mehr zu erwarten hätten. Auch jetzt werden wir medial darauf vorbereitet, dass wir, um die in der Krise aufgehäuften Staatsschulden zurückzahlen zu können, wieder einmal den Gürtel enger schnallen werden müssen und dass es gilt, im Sozialbereich zu kürzen.

Diese Logik wird nun durchbrochen. Die Bankensteuer ist nicht nur eine anvisierte konkrete Maßnahme. Sie hat darüber hinaus Symbolcharakter. Sie signalisiert: Jene, die in den vergangenen zwanzig Jahren am meisten profitiert und den großen Schnitt gemacht haben, mögen ihren Beitrag zur Sanierung der Staatsfinanzen leisten. Und das sind nicht nur die Banken. Gerade in Österreich ist das sehr plausibel zu argumentieren. Die Fachleute sind sich einig: Vermögen und Kapital werden bei uns im Unterschied zur Arbeit einfach zu wenig besteuert. Die Abgaben auf Vermögen bloß auf durchschnittliches EU-Niveau zu heben ließe den Schuldenberg rasant abschmelzen.

Die Diskussion ist eröffnet. Diesmal haben die Freunde der leichten Umverteilung von oben nach unten den Wind aus Amerika im Rücken. Das könnte sie mutig machen. Vielleicht bringt ein – wahltaktisch durchaus viel versprechender – linkspopulistischer Schwenk die österreichische Sozialdemokratie ein wenig von ihrer fatalen und unappetitlichen Anpassung an den xenophoben Rechtspopulismus von „Krone“ und Strache ab. Das wäre jedenfalls zu hoffen.

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Georg Hoffmann-Ostenhof