Georg Hoffmann-Ostenhof: Making China Great Again

Georg Hoffmann-Ostenhof: Making China Great Again

Donald Trump inszeniert den weltpolitischen Rückzug Amerikas. Die Chinesen wollen nun zur neuen globalen Führungsmacht werden. Kann ihnen das gelingen?

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2016 fürchteten die Chinesen, dass Donald Trump das Rennen machen würde. Sie sahen in ihm einen gefährlichen Gegner. Ende Jänner 2017, also vor einem Jahr, entspannte man sich in Peking. Trump hatte seine düstere „Amerika-zuerst“-Inaugurationsrede gehalten und kurz darauf den Transpazifischen Handelspakt TPP, den die USA nach zwölf Jahren Verhandlungen mit mehreren asiatischen und südamerikanischen Staaten unter Ausschluss von China geschlossen hatten, gekündigt. Die Stimmung in der Pekinger KP-Führung, so wird kolportiert, soll damals regelrecht ausgelassen gewesen sein. Man möge es nicht laut sagen, meinte General Jin Yinan auf einer Parteikonferenz. Aber klar sei: „Trump hat uns ein gewaltiges Geschenk gemacht.“ Und Jin beendete seine Wortmeldung euphorisch: „Amerika zieht sich von der Weltbühne zurück, jetzt kommt China.“

Wie recht der General mit dem ersten Teil dieser Aussage hatte, zeigte sich im Laufe des Jahres erst so richtig. Da hat Trump nicht nur TPP gekündigt. Nafta, das Abkommen mit Kanada und Mexiko sollte neu verhandelt werden. Alle Bündnispartner stieß er vor den Kopf: Die NATO bezeichnete er schon mal als „obsolet“. Er machte auch Schluss mit der traditionellen amerikanischen Unterstützung der europäischen Einigung: Den EU-Mitgliedern empfahl Trump, sich am Brexit ein Beispiel zu nehmen. Und aus dem Klimaabkommen von Paris traten die Amerikaner aus.

Von der UN über die Weltbank bis zur WTO – alles multilaterale Organisationen, die seinerzeit unter amerikanischer Führung aufgebaut wurden – hält Trump nichts. Die US-Beiträge für diese Institutionen sollen drastisch gekürzt werden. Das State Department wird aushungert: Die amerikanische Diplomatie soll mit einem Drittel weniger Mittel als bisher auskommen. Wie wenig Trump mit Diplomatie am Hut hat, zeigt nicht zuletzt die Tatsache, dass er der erste Präsident seit fast 100 Jahren ist, der in seinem ersten Jahr im Amt kein einziges offizielles Dinner für ein ausländisches Staatsoberhaupt gegeben hat.

Gewiss: Schon vor Trump war der weltpolitische Einfluss der Vereinigten Staaten schwächer als zuvor. Die Schwellenländer, allen voran China, haben ökonomisch aufgeholt und zeigen sich zunehmend selbstbewusst. Diesem neuen globalen Kräfteverhältnis entsprach auch der weltpolitisch vorsichtige Kurs Barack Obamas, den er selbst als „leading from behind“ bezeichnete. Was Amerika aber jetzt erlebt, sei ein „retreating from the front“, wie es Evan Osnos in einem großen Artikel mit dem Titel „Making China Great Again“ im US-Magazin „The New Yorker“ formuliert.

Das sei kein erzwungener Einflussverlust, sondern ein freiwilliges Abdanken als Führungsmacht. Ökonomisch und militärisch spielen die USA nach wie vor in einer eigenen Liga. Unter Trump ist aber der Wille, die Macht zu nutzen, um die Welt zu gestalten, nicht mehr vorhanden.

Es sieht ganz danach aus, als ob wir einer Ära der gefährlichen Weltunordnung ohne Führungsmacht entgegengehen.

So sieht man es auch in China: „Die Amerikaner verlieren nicht ihre globale Führung. Sie geben sie einfach ab“, diagnostiziert Jia Qingguo, Politikwissenschafter an der Peking-Universität, gegenüber „The New Yorker“. Und er zeigt sich verwundert, dass Trump, der selbst ernannte geniale Dealmaker, „nicht einmal etwas dafür bekommen hat“.

Tritt aber jetzt China in die Fußstapfen Amerikas, wie General Jin Yinan vor einem Jahr frohlockte? Kann Peking weltpolitisch in das Vakuum vorstoßen, das die USA mit ihrer Abdankung als Führungsmacht hinterlassen haben?

Die Ambitionen sind jedenfalls da. Ironie der Geschichte: Angesichts des protektionistischen Furors von Donald Trump präsentieren sich die chinesischen Kommunisten plötzlich als Garanten des globalen Freihandels. Und zweifellos haben sie mit ihrer „Neuen Seidenstraße“ nicht nur Wirtschaftliches im Sinn. In dieses interkontinentale Infrastrukturprojekt haben sie sieben Mal so viel investiert wie die USA seinerzeit in den Marshallplan, der Europa nach 1945 den Wiederaufbau finanzierte. Xi Jinping, der starke Mann im Reich der Mitte, macht auch keinen Hehl daraus, dass es um globalen Einfluss geht: Eine neue Ära sei angebrochen, in der China ins Zentrum der weltpolitischen Bühne rückt, verkündet er.

Ob die Chinesen aber tatsächlich auf absehbare Zeit die Führung der Welt von den Amerikanern übernehmen können, ist sehr zu bezweifeln. Die Stärke der USA nach 1945 lag nicht nur im Wirtschaftlichen und Militärischen, sondern vor allem in ihrer „Soft Power“, analysierte kürzlich der Harvard-Professor Joseph Nye, der Erfinder dieses Begriffs. Soft Power, also Kultur, Werte und Lebensstil – all das, was Amerika so anziehend machte –, „geht vor allem von der Zivilgesellschaft aus, von Hollywood und Harvard bis zur Gates Foundation. Das verstehen die Chinesen nicht. Sie haben sich noch nicht geöffnet.“

Wenn Xi glaubt, angesichts der zweifellos in der Krise steckenden liberalen Demokratie eine „Chinesische Lösung“ als Alternative schmackhaft machen zu können, gibt er sich wohl einer Täuschung hin: Das repressive politische System Chinas mag für autokratische Herrscher attraktiv erscheinen, für die Mehrheit der Weltbevölkerung wohl nicht.

Es sieht ganz danach aus, als ob wir einer Ära der gefährlichen Weltunordnung ohne Führungsmacht entgegengehen. Es sei denn, dass sich Trumps Präsidentschaft als kurzfristiger Ausrutscher der Geschichte erweist und die USA wieder zu dem zurückfinden, was sie groß gemacht hat.

Georg Hoffmann-Ostenhof