Georg Hoffmann-Ostenhof: Trump, Hofer und die Demokratie

Über Vergleiche von zwei aktuellen Präsidentenwahlen.

Drucken

Schriftgröße

Auf die Frage in der dritten und letzten Debatte zwischen Hillary Clinton und Donald Trump in Las Vegas antwortete der zum Politiker mutierte Geschäftsmann auf die Frage, ob er des Wahlresultat am 8. November akzeptieren werde, schnippisch: „Mal sehen. Ich werde mir das anschauen“. Er fügte auf eine Nachfrage grinsend hinzu: „Ich halte für Euch die Spannung aufrecht“.

Hillary war sichtlich schockiert: „Das ist ja furchtbar“. Und die amerikanische Öffentlichkeit sekundiert: Damit untergrabe Trump die amerikanische Demokratie, er stelle die Legitimität der Wahlen in Frage, heißt es vielstimmig. Und fast alle sind sich einig: Wenn er noch irgendeine kleine Chance gehabt haben sollte, die Präsidentschaftswahlen zu gewinnen, mit diesen Sagern hat er den Bogen überspannt und seine Niederlage besiegelt. It´s over.

Launig twitterte unmittelbar nach der Las-Vegas-Show der Wiener Rechtsanwalt Georg Bürstmayr: „In den USA reicht also schon die bloße Andeutung, eine Wahl anfechten zu wollen, dazu, sie zu verlieren“. Der Tweet des von mir hoch geschätzten Juristen ist nicht unwitzig. Bloß stimmt der implizite Vergleich der amerikanischen mit den österreichischen politischen Verhältnissen nicht wirklich.

Natürlich hat, so wie bei uns, auch in den USA jeder, somit auch Trump, das Recht ein Wahlresultat nach vollzogenem Urnengang anzufechten

Zunächst einmal: Natürlich hat, so wie bei uns, auch in den USA jeder, somit auch Trump, das Recht ein Wahlresultat nach vollzogenem Urnengang anzufechten. Vorher aber die Wahlen als unrechtmäßig zu denunziert, ist eine ganz andere Sache. Das erschreckt die Amerikaner: Seit langem – intensiv seit zwei, drei Wochen, seit er in den Umfragen abzustürzen begann, also bereits weit vor dem 8. November – trommelt der republikanische Kandidat, dass die ganze Wahl „geschoben“ sei. Und er spricht nicht in der Möglichkeitsform. Nein „rigged“ ist in seinen Augen der demokratische Prozess, mit dem der Präsident der USA gekürt werden soll, gleich drei Mal. Seine Argumente:

1) Am Werk ist eine Art Medienverschwörung, die es darauf abgesehen hat, ihm den Weg ins Weiße Haus zu verbarrikadieren. Bei dieser „conspiracy“ machten fast alle Zeitungen und Fernsehsender mit.

2) „Crooked“ Hillary dürfte überhaupt nicht im Wahlkampf auftreten, sie müsste als Verbrecherin im Gefängnis sitzen. Sie ist keine legitime Kandidatin für die Präsidentschaft.

3) Vor Ort ist eine massive und systematische Wahlfälschung unterwegs. Trump behauptet, dass Millionen illegaler Einwanderer abstimmen. Auch die Stimmen von Toten würden gezählt. Und er ruft seine Anhänger dazu auf, beim Wählen wachsam zu beobachten, wie manipuliert wird.

Nun ist nicht schwer zu zeigen, dass diese Trump-Behauptungen paranoider Unsinn sind:

Natürlich gibt es große Zeitungen, und TV- und Radiosender, die offen und eindringlich davor warnen, Trump zum Präsidenten zu machen: Dieser „ignorante und derangierte Soziopath im Weißen Haus“, wie die Online-Zeitung „Huffington Post“ schreibt, lässt sie schaudern. Es wäre für’s Land und für die Welt eine einzige Katastrophe, wird argumentiert. Aber die Medien, die den Mann mit der gelben Schmachtwelle für den geeigneten Kandidaten halten, oder vorgeben, das zu glauben, sind keineswegs schwach. Im Gegenteil. Eine der populärsten Fernsehstationen der USA, „Fox TV“, ist zum Beispiel weitgehend Trump-freundlich. Und viele Regionalmedien und unzählige einflussreiche Online-Plattformen detto. In den letzten Wochen wenden sich freilich viele von ihm ab.

Was hat es mit mit der 'Verbrecherin Hillary' auf sich?

Was hat es mit mit der „Verbrecherin Hillary“ auf sich? Seit fast drei Jahrzehnten ist sie im politischen Geschäft, und die amerikanische Rechte hat alles versucht, ihr kriminelles Verhalten nachzuweisen. Immer wieder vergeblich. Da mag sie politische Fehler gemacht, oder – wie bei der Handhabung ihrer E-Mails – grob gepatzt haben. Mit dem Strafrecht bekam sie jedoch bisher nie etwas zu tun.

Nun zu den Wahlfälschungen: Gewiss passieren bei jeder amerikanischen Wahl, wie überall anders auch, Unregelmäßigkeiten. Es gibt Leute, die wählen, obwohl sie dazu nicht berechtigt sind. Aber nur ganz wenige. Von den Millionen, die Trump erwähnt keine Spur. Sie sind jeweils einstellige Zahlen. Gemessen an den zig Millionen des amerikanischen Wahlvolkes ist das eine vernachlässigbare Größe. Auch wurde nie auch nur der Ansatz einer gezielten und methodischen Wahlfälschung bei nationalen Urnengängen entdeckt. Experten sind sich einig: Eine gezielte Manipulation, die einen relevanten Einfluss auf das Wahlergebnis hätte, ist bei dem so vielfältigen, komplexen und dezentralen Wahlsystem geradezu undenkbar.

Und was macht Trump so gefährlich – auch über seine voraussehbare Niederlage hinweg? Mit seiner permanent wiederholten Behauptung, dass die Wahl manipuliert und das ganze politische System „rigged“ sei, entfremdet er einen nicht kleinen Teil der unzufriedenen und frustrierten amerikanischen Bevölkerung von der Demokratie insgesamt. Da geht es eben nicht um die Frage, ob er anfechten darf oder nicht.

Ganz von der Hand kann man jedoch Bürstmayrs twitterverkürzten und polemischen Versuch, die österreichische Politik im Lichte der amerikanischen (und vice versa) zu sehen, auch wiederum nicht. Da ist durchaus etwas dran.

Zunächst sind die Unterschiede nur zu offensichtlich: Die USA als Supermacht bestimmen direkt oder indirekt vieles von dem, was global passiert; Österreich ist hingegen ein kleines, recht unbedeutendes Land, dessen Einfluss auf das Weltgeschehen sich in engen Grenzen hält. Zudem besitzt der Bewohner des Weißen Hauses eine gewaltige Machtfülle; der Mann in der Hofburg spielt hingegen eine weitgehend dekorative Rolle. Und schließlich hat Norbert Hofer im Unterschied zu Donald Trump nie von vornherein und frontal die Legitimität der Wahl insgesamt in Frage gestellt.

Die FPÖ behauptet hartnäckig, dass die Briefwahl Manipulation Tür und Tor öffnet

Aber bei näherem Hinsehen zeigen sich – ganz abgesehen von der ideologischen Verwandtschaft – doch Parallelen. Die FPÖ behauptet hartnäckig, dass die Briefwahl Manipulation Tür und Tor öffnet. Zudem werden von FP-Politikern seit Jahr und Tag Gerüchte über Wahlfälschungen da und dort gestreut, ohne dass irgendwelche Beweise dafür geliefert werden. Selbst nach der Untersuchung des Verfassungsgerichtshofes, die keinen auch noch so kleinen Hinweis auf Wahlfälschung entdeckte – selbst nach dieser Untersuchung (welche schließlich zur Wiederholung des zweiten Durchgangs der Präsidentenwahl führte) bleibt die FPÖ bei den Verdächtigungen: Hofer erwähnt immer wieder, wie seltsam es doch sei, dass sich die Wahlkarten-Resultate so stark von jenen der in den Wahlkabinen abgegebenen Stimmen unterscheiden. Der Subtext: Das kann doch nicht mit rechten Dingen zugehen.

Nun ist es ein Leichtes, diese von Hofer immer wieder thematisierte Differenz zu erklären: Die Wähler mit geringer Schulbildung und jene aus ländlichen Gebieten, die der FPÖ überproportional ihre Stimme geben, sind einfach weniger mobil und unterziehen sich nicht so gern der Prozedur des Ausfüllens und Abschickens von Wahlkarten. Da steckt nichts Geheimnisvolles, nichts Böses dahinter. Das weiß auch die FP-Führung. Sie munkelt und raunt aber weiter. Und was meint Hofer wenn er sagt, Van der Bellen sei „nicht gewählt, nur gezählt worden“?

Im Grunde unternehmen jetzt Strache und Hofer das Gleiche wie Trump

Im Grunde unternehmen jetzt Strache und Hofer das Gleiche wie Trump: Sie bezweifeln, dass die demokratischen Wahlen den „Volkswillen“ abbilden. Die Freiheitlichen machen es nicht so grob, nicht so aggressiv, gewiss. Aber sie sind auch nicht so verzweifelt wie Trump. Wenn Hofer im Dezember verliert und es dabei bleibt, dass Alexander Van der Bellen der gewählte österreichische Bundespräsidenten ist, dann kann sich die FPÖ immerhin noch trösten, dass Strache demnächst bei den Nationalratswahlen triumphieren könnte. Trumps politische Karriere ist hingegen am 8. November zu Ende.

Doch, doch: Strache, Hofer und ihre Leute versuchen den Österreichern, so wie Trump den Amerikanern, die Demokratie madig zu machen. Und schlechte Verlierer sind beide – die Trumpisten drüben, und die Freiheitlich hier – jedenfalls.

Georg Hoffmann-Ostenhof