Der Maschinist

Eine völlig neue Art der Kriegsführung

Im schlimmsten Fall wird die EU in zehn Jahren nur noch von Maschinen aka KI verwaltet.

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Seit Jahrzehnten bauen wir bürokratische Anforderungen auf allen Ebenen auf. Sei es auf kommunaler Ebene, auf Bezirksebene oder eben in den Verwaltungsapparaten von Ländern, dem Bund oder innerhalb der EU. Es gibt Bundesländer, die es nicht schaffen, innerhalb von zwölf Monaten einen Test für die KI-Unterstützung zur Beschleunigung von Anträgen auf den Weg zu bringen, dafür aber ein umfassendes Landes-KI-Gesetz auf den Tisch legen.

Aber der Reihe nach: Faktisch müssen wir davon ausgehen, dass wir weiter an allen Ecken und Enden Bürokratie aufbauen, auch wenn der kürzlich veröffentlichte Bericht von Ex-EZB-Chef Mario Draghi vor einer „existenziellen Herausforderung“ warnt. Das Bild anlässlich der Präsentation könnte eine klassische Karikatur des legendären Gerhard Haderer sein, auf dem Mario Draghi neben der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen das Thema Überregulierung als Untergang der EU darstellt. Dabei wird auch kommuniziert, dass wir die gigantische Summe von 800 Milliarden brauchen, um die EU wieder flott und wettbewerbsfähig zu machen.

Wenn wir für die nächsten zehn Jahre Prognosen wagen, gibt es einige sehr wahrscheinliche Szenarien. Gehen wir davon aus, dass die Bürokratie zumindest langsamer wächst als in der Vergangenheit und die wirtschaftliche Lage von vielen so negativ eingeschätzt wird, dass wir uns jetzt um wesentliche Dinge wie Lohnstückkosten, Steuern und dergleichen kümmern müssen. Es bleibt also höchstens bei der Dämpfung der Ausweitung der Bürokratie. Damit das alles für kleine und mittlere Unternehmen überhaupt zu bewältigen ist, wird es Unterstützung durch digitale Lösungen geben müssen.

Diese werden Unternehmen helfen, mit ihrer Organisation Anforderungen und Richtlinien zu erfüllen und gleichzeitig auch den zunehmenden Personalmangel zu beherrschen. Diese Lösungsmodelle werden natürlich zunehmend mit KI-Unterstützung arbeiten. In wenigen Jahren wird jede Lösungsvariante im Kern jeder Software verschiedene KI-Prozesse ablaufen lassen. Wahrscheinlich werden es verschiedene Modelle von verschiedenen Systemen sein. Es ist aber auch möglich, dass für die Europäische Datenschutzverordnung nur glänzend saubere Daten für das Training erlaubt sind und nach ein paar weiteren Anforderungen aus Brüssel vielleicht nur noch eine KI übrig bleiben wird.

Wenn wir den Arbeitskräftemangel und die Bürokratie bewältigen wollen, werden wir das mit digitalen Technologien und KI-Automatisierung machen müssen, da führt kein Weg dran vorbei.

Wenn wir diesen Gedanken der einen, sauberen, europäischen Wunderwuzzi-KI weiterführen, würden alle regulatorischen Softwarelösungen genau darauf basieren. Jetzt stellen wir uns vor, dass wir jeweils diese eine KI, die in allen Regulierungssystemen „sitzt“, miteinander verknüpfen – schwupps hätten wir die europäische EU-KI, die uns hilft, alle Anforderungen zu bewältigen. Die KI könnte auch genutzt werden, um diese zu überprüfen und weiterzuentwickeln. Damit wären wir in der EU von einer einzigen KI „beherrscht“, die allumfassende Macht der Zukunft läge in den Händen derer, die diese KI beherrschen und sie vielleicht von außerhalb der EU angreifen oder übernehmen wollen. Eine völlig neue Art der Kriegsführung.

Aber stopp! Jetzt ist mir die KI-Zukunft etwas aus den Händen geglitten, wir haben uns eher einem Sci-Fi-Drehbuch als einer Zukunftsprognose genähert. Doch wenn wir realistisch sind, ist ein Teil durchaus möglich. Das hängt von Technologien ab, die wir in Europa nicht herstellen können und die wir noch zu wenig anwenden können.

Wenn wir den Arbeitskräftemangel und die Bürokratie bewältigen wollen, werden wir das mit digitalen Technologien und KI-Automatisierung machen müssen, da führt kein Weg dran vorbei. Dazu wäre es aber wichtig, dass wir in deren Anwendung Tempo aufnehmen, um nicht nur das oben genannte Szenario zu vermeiden, sondern wieder auf die Bühne der Wettbewerbsfähigkeit zurückzukehren. Dazu ist es wiederum notwendig, schnellere Zyklen beim Aufbau von Wissen und bei der praktischen Umsetzung zu gewinnen.

Überbordende Regeln werden nicht von heute auf morgen abgeschafft, eine zeitliche Aussetzung wäre allerdings einfach und schnell möglich: in der Stadt, im Bezirk, im Land, im Bund und in Brüssel.

Gerhard Kürner

Gerhard Kürner

ist als Gründer von 506.ai Experte für künstliche Intelligenz. profil entführt er in seiner Kolumne „Der Maschinist“ ein Mal pro Monat in die technologische Zukunft.