Robert Treichler
Robert Treichler

Graz: Die K-Frage

Besteht die Ideologie der KPÖ ausschließlich aus sozialem Engagement? Leider nein.

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Wir alle sind im Umgang mit dem Kommunismus ein wenig aus der Übung. Das ist nicht verwunderlich, schließlich flog die KPÖ im Jahr 1959 (damals unter dem Namen „Kommunisten und Linkssozialisten“) aus dem Nationalrat und durfte, dem Wählerwillen folgend, bis heute nicht dahin zurückkehren. Mit dem Sieg der KPÖ bei den Gemeinderatswahlen in Graz erlebt die Kommunismus-Debatte jetzt eine unverhoffte Renaissance. Wofür kämpfen die noch mal? 

KPÖ-Bürgermeisterin in spe Elke Kahr tut alles, um sich als ideologiefreies, lokalpolitisches Phänomen zu positionieren. „Wir sind in Graz und haben hier die Möglichkeit, für die Menschen da zu sein“, sagte die Kommunistin im „ZIB 2“-Interview mit Armin Wolf, und gegenüber dem „Standard“ erklärte sie, sie habe „nie etwas von einem Stalin gehalten“ und „die Menschenrechtsverbrechen in kommunistischen Regimen schrecklich gefunden“. Kahr, mehr als acht Jahre nach Stalins Tod geboren, fällt es naturgemäß nicht schwer, sowjetische Untaten von sich zu weisen.

Aber steckt nicht doch noch ein bisschen Ideologie in der KPÖ, abseits vom glaubhaften Wunsch, Menschen aus der Armut zu befreien und ihnen günstige Wohnungen zur Verfügung stellen zu wollen?

Der Kommunismus trägt den Gedanken der Weltrevolution in sich, und kommunistische Parteien verstanden sich nie als ausschließlich lokal agierende Gruppierungen. Dieser Internationalismus ist bis heute lebendig und liefert recht eindeutige Belege dafür, wo die Sympathien der KPÖ liegen.

„Kommunist/innen und Kommunisten verteidigen das sozialistische Kuba, die Souveränität der Volksrepublik China …“, heißt es etwa im 2012 beschlossenen Landesprogramm der KPÖ Steiermark. Dort findet sich zwar auch der Hinweis, dass dies nicht von „Kritik an Menschenrechtsverletzungen“ abhalten solle, doch wie sieht das in der Praxis aus?

„Unbestritten ist, dass es Menschenrechte gibt, die in China punktuell verletzt werden – ein Phänomen, das vermutlich in allen Staaten der Welt beobachtbar ist“, heißt es in einem Beitrag auf der Website der KPÖ Steiermark. Mittels solch absurder Relativierungen verharmlost die KPÖ systematisch schwere Menschenrechtsverletzungen Chinas, etwa die Verfolgung der muslimischen Minderheit der Uiguren. Ein Bericht des wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags kommt zu dem Schluss, dass in Umerziehungslagern an den Uiguren in der Region Xinjiang ein Genozid im Sinne der Völkermordkonvention begangen werde. Auf der Website der KPÖ hingegen steht zu lesen: „Die Minderheitenpolitik Chinas sowie die Freiheit der Religionsausübung wird international eher gelobt als kritisiert. Im Hinblick auf Xinjiang stehen auch viele muslimische Länder hinter dem Agieren Chinas.“

Auch die Einschätzung der prodemokratischen Protestbewegung in Hongkong fällt auf der KPÖ-Website erwartbar negativ aus. Die Demonstranten forderten „de facto einen Staatsstreich“, empört sich die KPÖ voller Mitgefühl für die chinesischen Interessen.
Solidarität gilt auch dem sozialistischen Schwesterregime in Venezuela. Der Autokrat Nicolas Maduro sei „als klarer Gewinner aus den Präsidentschaftswahlen im Vorjahr (Anm.: 2018)“ hervorgegangen, „deren Legitimität von internationalen Beobachtern festgestellt wurde“, vermeldet die KPÖ Steiermark. Tatsächlich haben alle westlichen Demokratien die Anerkennung der Wahl abgelehnt, weil sie den internationalen Standards nicht entsprochen habe.

Sehr wohl anerkannt wurde sie – außer von der KPÖ – auch von China, Kuba, Belarus, Russland, Nordkorea … Die „internationalen Beobachter“ wiederum waren ausnahmslos von Verbündeten des Maduro-Regimes entsandt, sowohl die Vereinten Nationen als auch Organisationen wie das Carter Center hatten jegliche Kooperation abgelehnt.

Offenbar fällt es der KPÖ leichter, sich von kommunistischen Diktaturen der Vergangenheit loszusagen, als die Machenschaften aktueller Ideologiegenossen zu verurteilen. Wo immer ein kommunistisches Regime an der Macht ist, werden dessen Menschenrechtsverletzungen von der KPÖ kleingeredet. Dazu passt auch der vergangene Woche publik gewordene Auftritt eines steirischen Kommunisten im belarussischen TV.
Spielt all das eine Rolle, wenn man doch bloß menschenfreundliche Kommunalpolitik macht? Wer auf diese Frage mit Nein antwortet, muss seine demokratiepolitischen Ansprüche ziemlich weit runtergeschraubt haben.

Wahrscheinlich erscheinen kommunistische Ein-Parteien-Regime aus der Grazer Uhrturm-Perspektive ebenso entrückt wie der Kampf „für die Vergesellschaftung des großen und ausschlaggebenden Eigentums“ (Landesprogramm der KPÖ Steiermark aus 2012) oder die Idee, dass „der Austritt aus der EU für die steirische KPÖ nach wie vor kein Tabu“ sei (der damalige Vorsitzende der steirischen KPÖ Franz Stephan Parteder, übrigens Lebensgefährte von Elke Kahr, in einer Aussendung 2008).

Die KPÖ genießt derzeit dank Kahr und ihrer karitativen Arbeit das Image, sympathisch und bloß ulkig benannt zu sein. Nennen Sie mich einen Klassenfeind, aber das ist mir zu billig.

Robert   Treichler

Robert Treichler

Ressortleitung Ausland, stellvertretender Chefredakteur