Jakob Winter: Außer Spesen viel gewesen

Heinz-Christian Strache ist politisch gescheitert - die Demokratieprobleme, die er unfreiwillig offengelegt hat, bleiben bestehen: von Intransparenz bis zur Anfälligkeit für Korruption und Machtmissbrauch.

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Es wäre falsch, Heinz-Christian Strache nur als Zumutung zu empfinden. Auch wenn der Ex-Vizekanzler natürlich eine Zumutung ist: Da wettert einer sein ganzes politisches Leben gegen das System, Postenschacher und Machtmissbrauch-und kaum gewinnt er selbst an Einfluss, entwickelt er sich zum Sinnbild seiner eigenen Kritik.

Aber es gibt noch einen anderen, konstruktiveren Blick auf Strache: Was da an Videosequenzen, Chatprotokollen, Kalendereinträgen und fragwürdigen Deals ans Licht kam, legte für das Publikum in eindrucksvoller Weise offen, wie verhabert, korruptionsanfällig und letztlich unreif in dieser Republik Politik gemacht wird. Strache hat damit-freilich unfreiwillig-ein paar erhebliche Demokratiedefizite sichtbar gemacht. Und die bleiben trotz seines Scheiterns bei der Wien-Wahl bestehen.

Dank Ibiza, Casinos-Causa und Untersuchungsausschuss ist der Handlungsbedarf evident: Es gibt keinen Straftatbestand für illegale Parteienfinanzierung. Der Kauf eines politischen Mandats ist in Österreich erlaubt. Der Rechnungshof kann die Finanzen der Parteien weiterhin nicht direkt prüf en, sondern muss den Berichten jener Rechnungsprüfer Glauben schenken, die sich die Parteien vorher selbst ausgesucht haben. Die millionenschweren Parlamentsklubs werden erst gar nicht kontrolliert. Verspricht ein Politiker-wie im Ibiza-Video-Staatsaufträge für Parteispenden, ist das nur dann mit Strafe bedroht, wenn der Empfänger bereits über ein Amt verfügt. Wer also vor der Wahl seinen Gönnern Gesetze oder lukrative Aufträge in Aussicht stellt und erst hinterher in die Regierung kommt, handelt gesetzeskonform. Und schließlich werden kritische Medienanfragen noch immer gerne mit Verweis auf das Amtsgeheimnis abgewimmelt.

Das ist absurd.

Österreich leistet sich eine der höchsten Parteienförderungen weltweit. Im Gegenzug muss die Bevölkerung erwarten können, dass mit diesem Geld zweckmäßig umgegangen wird-und Parteien nicht zusätzliche Zuwendungen über dunkle Kanäle einsammeln. Warum die Regierung diese Selbstverständlichkeiten nicht endlich in Gesetzestexte gießt? Warum sie es den Straches der Republik weiterhin so einfach macht? Die Untätigkeit lässt erahnen, wie stark hinter den Kulissen gegen eine Lex Ibiza lobbyiert wird.

Auch wenn die meisten Politiker redlich sind - es braucht rote Linien für die, die es nicht sind. Vielleicht erinnert sich noch jemand daran: Im Mai, um den Ibiza-Jahrestag, versprach die grüne Justizministerin Alma Zadić ein Verbot von Mandatskäufen. Im Juni legte die türkise Verfassungsministerin Karoline Edtstadler nach und stellte "noch im Sommer" ein Transparenzpaket in Aussicht-also das Ende des Amtsgeheimnisses und ein Recht auf Informationen für Bürger und Journalisten.



Um beide Vorhaben ist es still geworden. Zu still.

Die Informationsfreiheit wäre ein demokratiepolitischer Wendepunkt. Auf Fragen nach den PR-Kosten für den Wiener Gastro-Gutschein, nach Begünstigten von öffentlichen Aufträgen oder nach detaillierten Daten zu Corona-Fällen antworten Amtsträger von Ost bis West, von Türkis über Grün bis Rot und Blau, meist gleich: Wissen wir nicht, sagen wir nicht. Das macht Kontrolle unmöglich. Einigen ist das offenbar ganz recht so: "Wir erwarten, dass die Gesetzgebung der Länder sich selbst die Regeln gibt, die sie braucht, und wir hier nicht von Bundesebene overruled werden",sagte der niederösterreichische Landtagspräsident erst vor drei Wochen, als er vom "Kurier" zum Transparenzpaket befragt wurde. Soll heißen: Informationsfreiheit-nicht mit uns.

Die Transparenzbefürworter von den NEOS haben den Vorteil, dass sie derzeit nur eine Landesrätin stellen, folglich wenig Auskünfte verweigern können. Ob auch bei den Pinken Macht und Mitteilungsfreudigkeit negativ korrelieren, wird sich erst zeigen.

Fest steht: Bloß eine einzige Gesetzesverschärfung fand nach Ibiza eine Mehrheit im Parlament - die Beschränkung von Spenden an politische Parteien. FPÖ und SPÖ erschien die Maßnahme opportun, weil sie damit die größten Spendenempfänger im Politikbetrieb schwächen konnten: ÖVP und NEOS. Zu mehr konnte sich die rot-blaue Allianz nicht durchringen. Etwa zu einer genaueren Definition, ab wann ein Verein als parteinahe gilt-und damit vom Parteiengesetz und von Offenlegungspflichten umfasst ist. Verständlich. Schließlich gibt es auch im Umfeld von Rot und Blau genügend Vereine, die mutmaßlich Gelder von Absendern erhalten, die unter dem Radar bleiben wollen.

Und so wurde das Ermittlungsverfahren gegen die Akteure im FPÖ-nahen Vereinsnetzwerk mangels Straftatbestand eingestellt. Und so darf das ÖVP-nahe Alois-Mock-Institut weiter Inserate und Veranstaltungssponsorings von Unternehmen wie der Novomatic einsammeln, ohne auch nur einen Cent davon offenzulegen. Der Gründer des Vereins, Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, rechtfertigte sich erst vor wenigen Tagen in der "ZIB 2" damit, dass das alles völlig korrekt sei. Selbst wenn die Novomatic alle Kosten übernehmen würde.

Stimmt. Und genau das ist das Problem.

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Jakob Winter

Jakob Winter

ist Digitalchef bei profil und leitet den Faktencheck faktiv.