Herbert Lackner

Herbert Lackner Liechtenstein – ein Ärgernis

Liechtenstein – ein Ärgernis

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Es gibt Dinge, die keine große Sache, aber äußerst lästig sind. Man denke nur an einen Schnupfen im Hochsommer; oder an einen Fettfleck auf der Lieblingskrawatte; oder an Liechtenstein. Beim erstgenannten Ärgernis helfen flauschige Taschentücher; gegen die Sudelei am Selbstbinder gibt es die Putzerei; gegen Liechtenstein hilft gar nichts. Seit gut zweihundert Jahren gibt es dieses merkwürdige Gebilde, von dem immer nur dann die Rede ist, wenn wieder einmal ein paar Steuerhinterzieher aufgeflogen sind, die ihr Geld in diesem putzigen Fürstentum versteckt haben.

Liechtenstein benötigt für seine Geschäfte nur wenig Platz: Es umfasst etwa die Fläche der Wiener Bezirke Floridsdorf und Donaustadt und beherbergt darauf neben 36.000 Einwohnern mindestens ebenso viele Briefkastenfirmen und ungezählte Konten und Stiftungen.

Die Partie um Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser hat gleich ein ganzes Schüppel davon gegründet, die – wiewohl von Quellen auf exotischen Karibik-Eilanden gespeist – auf hausbackene Namen wie „Karin“, „Walter“ und „Natalie“ lauten. Grasser selbst verfügt in Liechtenstein nach Ansicht der Ermittler über zwei Stiftungen mit den etwas klingenderen Bezeichnungen „Waterland“ und „Silverland“, in denen 9,28 Millionen Euro liegen sollen. Doch, ach: Liechtensteins Gericht rückt die Unterlagen auf Drängen der Anwälte Grassers nicht heraus, womit die Ermittlungen nun ernsthaft ins Stocken geraten sind.

Schon die Entstehungsgeschichte dieses merkwürdigen Gebildes war alles andere als ein Heldenstück: Der Graf von Hohenems hatte sich so stark verschuldet, dass er die Herrschaften Vaduz und Schellenberg um 1700 an den in Wien residierenden, stinkreichen Fürsten Adam von Liechtenstein verkaufen musste. 1806 besetzte Napoleon das nunmehrige Reichsfürstentum Liechtenstein und nahm es als vollwertiges Mitglied in seinen Rheinbund auf, eine Konkurrenzveranstaltung zum von Habsburg präsidierten Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation, das noch im selben Jahr das Zeitliche segnete. Jetzt war Liechtenstein ein unabhängiger Staat.

Eine richtige Demokratie wurde es nie. Das aus 25 Abgeordneten bestehende Scheinparlament darf zwar Gesetze beschließen, die gelten aber nur, wenn der Fürst seinen Sanktus dazu gibt. Selbst das Ergebnis von Volksabstimmungen kann das fürstliche Staatsoberhaupt einfach vom Tisch wischen.

Wenn es einmal eng wird, belieben die Herren von und zu Liechtenstein mit dem Mittel der blanken Drohung zu regieren. Als es 2003 eine Abstimmung der Bürger über die politischen Rechte des Herrscherhauses gab, drohte Fürst Adam skurrilerweise mit dem Auswandern seiner Familie nach Österreich. Erschrocken stimmten 64 Prozent für noch mehr Fürstenrechte. Als im Vorjahr über die Einführung einer Fristenregelung bei Schwangerschaftsabbruch abgestimmt wurde, drohte Erbprinz Alois Liechtenstein (43) – er hat inzwischen das Kommando im Zwergstaat übernommen – noch vor dem Abstimmungstag, er werde das Gesetz auf keinen Fall akzeptieren, egal, wie das Votum ausgehe. Demnächst wird wieder einmal über die Fürstenrechte abgestimmt, und der Jungfürst hat bereits angekündigt: Sollte ihn das Volk zum Grüß-August degradieren, werde sich die Familie aus der Politik zurückziehen.

Was andernorts als famose Idee gelten würde, sorgt im kleinen, aber feinen Fürstentum für Angst und Schrecken: Denn nur wenn alles so bleibt, wie es ist, fließen weiterhin alle Brünnlein. Als etwa vor drei Jahren ein Vaduzer Bankangestellter die Daten der Schwarzgeldkonten auf eine CD brannte und sie den deutschen Behörden verkaufte, die daraufhin den ehemaligen Post-Chef Klaus Zumwinkel vor laufenden Kameras verhafteten, ließ das Geschäft merklich nach. Wirbel mag man also nicht, in Liechtenstein. Darum kommen 24 der 25 Abgeordneten des Rumpfparlaments von zwei sich kaum unterscheidenden konservativen Parteien, eine grün-sozialistische Freie Liste hat gerade einen Sitz. Frauen dürfen im nach Weißrussland in puncto Demokratie rückständigsten Land Europas erst seit 1984 wählen, zuvor war das Frauenwahlrecht bei Volksabstimmungen mehrmals abgelehnt worden.

Aber sonst läuft es nicht schlecht im kleinen Ländchen. Gleich um zehn Prozent ist die Wirtschaft im vergangenen Jahr gewachsen, und Fürst Adam frohlockte, die Verunsicherung im Euroraum wirke sich positiv auf den Finanzplatz Liechtenstein aus. Für jene Länder, deren Milliardäre ihre Kohle sicherheitshalber nach Vaduz verbracht haben, hatte er im Vorjahr übrigens auch einen Rat zur Hand: Die solle man einfach pleitegehen lassen.
Danke, Durchlaucht.

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Herbert Lackner

war von 1998 bis zum Februar 2015 Chefredakteur von profil. Heute schreibt der Autor mehrer Bücher als freier Autor für verschiedene Medien, darunter profil.