Gastkommentar

IV-NÖ Kari Ochsner: „Eine gute Idee hat keine politische Farbe“

Die Industriellenvereinigung war nie Steigbügelhalter für Parteien. Sie ist eine Stimme für wirtschaftliche Vernunft, reagiert Kari Ochsner auf Kritik.

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Österreichs Standortpolitik krankt nicht an zu wenig Debatte, sondern an der falschen. Während Betriebe mit viel zu hohen Lohnstückkosten, exorbitanten Energiekosten und lähmender Bürokratie kämpfen, beschäftigen sich manche lieber mit ideologischen Scheingefechten. Als Präsident der Industriellenvereinigung Niederösterreich sehe ich mit großer Sorge, dass sich unser Land im dritten Rezessionsjahr befindet. Doch statt sich mit dieser existenziellen Herausforderung zu befassen, wird wirtschaftliche Vernunft als Parteipolitik diffamiert. Dabei braucht es jetzt das Gegenteil: Pragmatismus und einen klaren Blick nach vorn.

Die Industrie ist kein Nebenschauplatz

Die produzierende Wirtschaft in Österreich ist in einem Jahr um 9,5 Prozent geschrumpft, stärker als in jedem anderen EU-Land. Dabei geht es um mehr als einzelne Unternehmen. Die Industrie trägt mit ihren Steuern und Arbeitsplätzen maßgeblich zur Finanzierung des Landes bei – von Bildung, Gesundheit über Infrastruktur bis hin zum Sozialsystem. Wer den Standort schwächt, gefährdet die Grundlage unserer Lebensqualität.

Daher ignoriert jeder, der der Industriellenvereinigung parteipolitische Präferenzen unterstellt, ihre klare Linie: Einer der obersten Leitsätze der IV ist seit jeher die parteipolitische Unabhängigkeit. Gleichzeitig kann die IV als Interessensvertretung niemals neutral sein, wenn es um den Standort Österreich geht. Sie setzt sich für Rahmenbedingungen ein, die Wachstum und Wohlstand in unserem Land ermöglichen, und übernimmt stets gesamtgesellschaftliche Verantwortung. Zusätzlich engagiert sich die IV intensiv für ein besseres Bildungssystem von Elementarbildung bis zu (Fach-)Hochschulen, für Integration, für das Gemeinnützigkeitswesen und vieles mehr.

IV kämpft für den Standort – nicht für Parteien

Die IV hat nach der Nationalratswahl immer eine rasche Regierungsbildung gefordert. Denn ein Staat, der sich monatelang selbst blockiert, ist handlungsunfähig. Wie sich diese Koalition zusammensetzt, liegt in der Verantwortung des Bundespräsidenten und der Parteien, die eine Einigung erzielen müssen. Die IV war immer bereit, sich mit gleicher Intensität in alle Verhandlungen einzubringen – unabhängig von Farben und Konstellation. Gescheitert ist der erste Anlauf nicht etwa an einer Blockade von Wirtschaft und Industrie, sondern vielmehr an einem sturen Festhalten an ideologischen Ideen von Teilen der SPÖ.

Ich selbst war stets ein Befürworter der „Zuckerlkoalition“ aus ÖVP, SPÖ und Neos. Eine von der ÖVP geführte Regierung bietet aus meiner Sicht die besten Voraussetzungen für wirtschaftspolitische Stabilität. Wichtig ist die Umsetzung der notwendigen Reformen, um Österreich wieder auf Wachstumskurs zu bringen. Dazu gehören wettbewerbsfähige Energiepreise und Lohnnebenkosten, Investitionsanreize sowie ein Abbau der Bürokratie, damit Unternehmen produktiv arbeiten können. Wichtig ist auch eine faktenbasierte Klimapolitik. Dazu gehört die Dekarbonisierung mit Hausverstand, ohne überzogene Verbotspolitik, die Betriebe und Arbeitnehmer überfordert.

Erfolgsmodell muss sich anpassen

Außerdem braucht es ein Umdenken: Es steht außer Frage, dass die Sozialpartnerschaft ein zentraler Faktor für den wirtschaftlichen Erfolg Österreichs war. Viele Jahrzehnte hat sie für die Arbeitnehmer und für den Standort viel erreicht. Doch zuletzt fehlte bei den Lohnabschlüssen das Augenmaß – mit klaren Nachteilen für unsere Wettbewerbsfähigkeit. Damit die Sozialpartnerschaft auch künftig ihre tragende Rolle erfüllen kann, muss sie sich unbedingt anpassen. Unrealistische Lohn- und Gehaltsrunden, die die Lohnstückkosten weiter in die Höhe treiben, sind in den nächsten Jahren unbedingt zu vermeiden.

Österreich ist kein Labor für politische Theoriedebatten und Klassenkampf, sondern ein Industriestandort, der im globalen Wettbewerb steht. Jeder gewählte Politiker muss sich seiner Verantwortung für die Wirtschaft bewusst sein. Reflexhafte Parteizuschreibungen helfen niemandem, Lösungen und vertretbare Kompromisse hingegen schon. Eine gute Idee hat keine Farbe. Aber schlechte Politik hat einen hohen Preis – und den zahlen wir alle.