Kauft Elon Musk die US-Wahl?
Mittwoch in aller Früh möchte mir Elon Musk, der reichste Mann der Welt, etwas mitteilen: „Egal, wie sehr Sie die Medien hassen, Sie hassen sie nicht genug!“, steht da auf einem Plakat, das von einem grinsenden Strichmännchen präsentiert wird. Es handelt sich um ein Posting, das Musk auf seinem Account der Kurznachrichtenplattform X (vormals: Twitter) abgesetzt hat. Ich nehme die Nachricht nicht allzu persönlich, denn laut X-Info wurde sie zu diesem Zeitpunkt bereits von weiteren 684.229 X-Usern gesehen.
Ein paar Stunden später informiert mich Elon – angesichts unseres zunehmend regelmäßigen Kontakts switche ich zum Du-Wort –, dass ein gewisser Andy aus Holly Springs, North Carolina, bei der Lotterie des Trump-Aktionskomitees „America“ eine Million Dollar gewonnen hat. Dazu muss man wissen: „America“ wird von Musk finanziert und verlost jeden Tag bis zur Wahl eine Million Dollar unter allen registrierten Wählern, die eine Petition des Komitees „Für den Erhalt der amerikanischen Verfassung" unterzeichnet haben. Der mehr als offensichtliche Hintergedanke: Wer sich für die Wahl registriert und diese Petition gutheißt, wird anschließend wohl auch seine Stimme für Donald Trump abgeben.
Es ist nicht das Geld, das Musks Engagement für Trump problematisch macht.
Dieses Posting haben nach wenigen Stunden außer mir bereits weitere 22 Millionen X-User auf ihrem Bildschirm gehabt. Das ist verdammt viel. Und eine Lotterie, die eine Million Dollar pro Tag ausschüttet, ohne dass man ein Los kaufen muss, ist auch nicht alltäglich.
Elon Musk macht Wahlkampf für Donald Trump, und er geht an die Sache heran wie an alle seine Projekte: mit einem Haufen Geld und unbeeindruckt von geltenden Regeln – etwa von dem Gesetz, das es verbietet, Leute dafür zu bezahlen, dass sie sich für die Wahl registrieren lassen. Musk ist das völlig egal, denn erstens würden die Lotterie-Teilnehmer nicht direkt und ausschließlich dafür Geld bekommen, dass sie sich registrieren lassen, und zweitens würde eine allfällige gerichtliche Verfügung erst lange nach der Wahl erfolgen.
Ist Elon Musk gerade dabei, die wichtigste Wahl der Welt zu kaufen?
Es ist nicht das Geld, das Musks Engagement für Trump problematisch macht. Würde die Höhe des Wahlkampfbudgets darüber entscheiden, wer die Wahl gewinnt, könnteKamala Harris bereits die Tapeten für ihr Schlafzimmer im Weißen Haus aussuchen. Sie hat im abgelaufenen Quartal die Rekordsumme von einer Milliarde Dollar an Spenden eingenommen, und nach eigenen Angaben verfügt ihr Team im Oktober über 348 Millionen Dollar, Trumps Team hingegen bloß über 283 Millionen.
Musk aber besitzt ein PR-Werkzeug, dessen Effekt schwer messbar ist: die eingangs erwähnte Kurznachrichtenplattform X, deren Mehrheitseigentümer er im Jahr 2022 für die Summe von rund 44 Milliarden Dollar wurde. Damals versprach er, dass auf der Plattform „absolute Meinungsfreiheit“ gelten solle. Er widerrief die Sperren von vielen Accounts, darunter auch dem von Donald Trump. Ich gehörte zu den eher raren Kommentatoren, die Twitter-Sperren immer kritisch sahen. („Warum die Twitter-Sperre von Donald Trump ein Fehler ist“, Jänner 2021, profil.at) Musk gab damals auch das Versprechen ab, die Algorithmen, die dafür sorgen, dass Tweets bei mehr oder weniger Usern aufscheinen, öffentlich zugänglich zu machen. Er wollte beweisen, dass unter seiner Unternehmensführung keine politische Voreingenommenheit der Meinungsplattform möglich sei.
Dieses Versprechen bricht Musk jetzt auf eklatante Weise. Die Trump-Wahlpropaganda, die er auf seinem Account verbreitet, wird intensiv auch bei Usern angezeigt, die Musks Account nicht abonniert haben. Bei mir zum Beispiel.
Das ist für einen „Meinungsfreiheitsabsolutisten“ (Musk über Musk) erstens armselig und zweitens politisch bedenklich. Rund 55 Millionen US-Bürgerinnen und -Bürger sind auf X aktiv, und den meisten ist wohl nicht bewusst, dass sie sich damit auf einer Plattform bewegen, die de facto als Werbe-Tool für Donald Trump programmiert ist.
Wie kann man sich dagegen wehren? Am besten, indem man das Wissen darüber verbreitet. Zum Beispiel hier, in einem der Medien, von denen Musk möchte, dass Sie es hassen. Er hat seine Gründe.