Kein Kalifat in diesem Staat!
Deutschland bleibt die Luft weg. Vor wenigen Tagen erdreisteten sich einige Hundert radikalisierte Muslime, auf die Straßen Hamburgs zu gehen, um dort lautstark ein Kalifat zu fordern. Pure Provokation: Immerhin hat das Land seit 2015 gastfreundlich die Tore für Hunderttausende Muslime geöffnet, die auf der Flucht waren. Damit einher geht großer sozialer Sprengstoff: Es geht um Bildung und massiv divergierende Werte. Wie auch in Österreich haben die Zuwanderungswellen die Infrastruktur von den Schulen über das Gesundheitssystem bis zum Sozialstaat massiv strapaziert, teils über Schmerzgrenzen hinaus. Und dann das!
Es wurde noch schlimmer: Die Behörden erklärten der zu Recht empörten Bevölkerung, dass man dagegen leider, leider nichts tun könne, weil das eben unter Meinungsfreiheit falle. Das ist eine Bankrotterklärung: Keine selbstbewusste Demokratie darf potenziell zerstörerischen Entwicklungen so wehrlos gegenüberstehen. Mit Meinungsfreiheit haben Forderungen, die mit der Abschaffung von Freiheit, Unterdrückung von Frauen und Unterwerfung unter angeblich ach so göttliche Regelungen einhergehen, sowieso nichts zu tun. Wer sich auf diese Diskussion einlässt, betreibt Schattenboxen.
Die Kernfrage lautet: Wie kriegt man das in den Griff? Wie geht man gegen Radikalisierte vor und verhindert gleichzeitig die Diskriminierung ganzer Volksgruppen? Wie unterdrückt man Extremismus mit aller gebotenen Härte und forciert Integration? Wie kann man die Vernünftigen von den Spinnern unterscheiden? Wie schneidet man die Wurzeln dieser Entwicklungen ab, ohne woanders ungewollten Wildwuchs zu fördern?
Hier die Waage auszutarieren, gleicht einem Drahtseilakt. Es wird aber nicht ausbleiben können, nach Wegen zu suchen: Denn diese Menschen verschwinden nicht.
Die gute Nachricht: Österreich ist (noch) nicht Deutschland. Hier hat noch niemand ein Kalifat gefordert – und auch die Pro-Gaza-Proteste sind viel milder ausgefallen. Das liegt nicht nur an der lethargischen österreichischen Seele, sondern daran, dass in den vergangenen Jahren auch einiges gelungen ist. Salafisten, Hinterhofmoscheen, junge Menschen, die in Scharen dem Islamischen Staat folgen – das waren hierzulande einmal große Themen, die heute weitgehend unter Kontrolle sind. Man hat im Kampf gegen Extremismus offenbar die richtige Mischung aus Zuckerbrot und Peitsche gefunden: Einerseits wurden Gesetze verschärft, andererseits hat der Staat in hochqualitative Sozialarbeit investiert, der es tatsächlich gelungen ist, zu deradikalisieren.
Die Kernfrage lautet: Wie kriegt man das in den Griff? Wie geht man gegen Radikalisierte vor und verhindert gleichzeitig die Diskriminierung ganzer Volksgruppen?
Im einen oder anderen brenzligen Fall hat sich die Politik auch geschickt Verbündete gesucht: Dass die Pro-Gaza-Proteste trotz großer muslimischer Community in Wien nicht eskaliert sind, hat damit zu tun, dass man sich an die Führer genau dieser gewandt hat, die schließlich zu Deeskalation aufgerufen haben. Es hat funktioniert.
Genau diese Gespräche mit den Communitys zeigen vor allem eines: Es gibt mehr gemeinsame Interessen, als man von außen vielleicht annehmen möchte. Denn auch dort will niemand – außer radikalisierte Ränder – ernsthaft ein Kalifat. Niemand will Gewalt auf den Straßen. In anderen muslimischen Ländern würden jene, die ein Kalifat fordern, im Gefängnis landen – und teilweise hat man gar kein Verständnis, warum das hier nicht so ist. Dass viele muslimische Araber nach Europa wollen, hat auch damit zu tun, dass sie unsere Form des Zusammenlebens durchaus erstrebenswert befinden.
Wer mit Meinungsbildnern der syrischen Community spricht, hört, dass man sich auch hier große Sorgen um die Integration jener jungen Burschen macht, die jetzt nach vielen Jahren zwischen Blut und Krieg nach Österreich kommen. Man sieht, wie herausfordernd Integration ist – und was schon gekippt ist. Man wird sich wundern, wie hart auch ihre Forderungen ausfallen, wenn man danach fragt, was es für gelungene Integration bräuchte: Da wird etwa von verpflichtenden Ganztagesschulen oder mehreren verpflichtenden Kindergartenjahren gesprochen. Man will noch härtere Gesetze, um gegen extremistischen Islamismus vorzugehen.
All das ist auf den zweiten Blick auch wieder nicht so überraschend: Gut integrierte Muslime haben es satt, sich ständig von radikalisierten Allahu-Akbar-Brüllern oder From-the-
River-to-the-sea-Idioten distanzieren zu müssen.
In der Zusammenarbeit mit den Communitys liegt ein wichtiger Schlüssel, aber dafür müssen wir auch bereit sein: Man kann ihnen Verantwortung geben, sich um problematische Entwicklungen in ihren Reihen zu kümmern. Man kann von ihnen verlangen, Lösungen zu suchen. Dafür müssen wir jene, die das können, aber zuerst identifizieren und in die Mitte der Gesellschaft holen. Denn wer am besten davon erzählen kann, wie schrecklich ein Kalifat wäre, das sind hier gut integrierte Muslime, die ob der Szenen in Hamburg mindestens so schockiert sind wie wir.