Leitartikel

Koalition: Der Schwarz-Grüne Trümmerhaufen

Die Reste aus beiden Welten regieren, beide Parteien zeigen für den Wahlkampf Kante. Bisher wurden Konflikte mit viel Geld gekittet. Die Rechnung dafür folgt nun. Das eigentliche Drama.

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Werner Kogler gab sich wie ein lässiger Westernheld: „Ich mach Clint Eastwood. Wir reiten in die Stadt – und der Rest ergibt sich.“ So tönte der Vizekanzler, als der Risikoritt Schwarz-Grün begann. Gekracht wie in deftigen Italo-Western hat es in der Koalition öfter, wenn die unterschiedlichen Weltanschauungen mit Wucht aufeinanderprallten: Wenn, wie im vorigen Sommer-Donner, die ÖVP gegen die „Grüne Armee Fraktion“ Klimakleber giftete und die Grünen gegen die ÖVP-Normal-Kampagne mit „präfaschistoid“ austeilten. Wenn, wie im Februar-2021-Knatsch, die ÖVP Law and Border hochhielt, die Polizei mit Hundestaffeln zur Abschiebung eines Schulmädchens anrückte – und die Grünen auf der Straße dagegen demonstrierten.

Derartig emotionale Donner-Tage erlebte Schwarz-Grün etliche. Die jetzige Eskalationsstufe bedeutet aber politischen Bihänder auf neuem Level: Amtsmissbrauchs-Anzeige gegen eine Ministerin des Regierungspartners, die Zuspitzung ist selbst für Österreich neu, wo Politik oft im Drama-Stil passiert und sich niemand wundert, was alles möglich ist.

Und zeigt deutlich: Schwarz-Grün ist am Ende. Der Vorrat an gutem Willen für konstruktive Zusammenarbeit ist aufgebraucht. Statt dem Besten aus beiden Welten bleiben die Reste aus beiden Welten. Nicht einmal zur Ministerratssitzung raffen sich die ziemlich besten Feinde in der Regierung auf.

Schwarz-Grün endet als politischer Trümmerhaufen. Und schafft im Regierungsfinale das peinliche Kunststück, sich auf EU-Ebene heillos zu blamieren, weil es fast 30 Jahre nach dem EU-Beitritt kein Regelwerk gibt, wie Minister abstimmen dürfen. Das wirkt unprofessionell und kindisch, ist es auch: Beide Regierungspartner trieben den Konflikt um das Renaturierungsgesetz mit Bestemm auf die Spitze.

Wenn man den Drama-Faktor abzieht, ist es kein Wunder, dass es in der Koalition knirscht. Das eigentlich Erstaunliche war, dass die beiden ungleichen Partner eine ganze Legislaturperiode zu Kompromissen fanden. Denn wie beim Klimaschutz – für die Grünen das Nummer-1-Thema, für die ÖVP näher an der „Untergangsapokalypse“ (©Karl Nehammer) – liegen ÖVP und Grüne bei fast jedem Fachthema inhaltlich meilenweit auseinander, von Migrations- über Steuer- bis zur Bildungspolitik. Dennoch gelang eine herzeigbare Regierungsbilanz: Kinderbetreuung und Bundesheer ausgebaut, Kalte Progression und Amtsgeheimnis endlich abgeschafft. Solche Erfolge wurzeln im Versuch einer neuen Machtmechanik: nicht permanent zerfleischen, verschiedene Politfelder beackern, den anderen leben lassen. So zu regieren, erfordert gewisse Gelassenheit (und Donner-Tage als Blitzableiter).

Seit beide Regierungsparteien bei der EU-Wahl Niederlagen einfuhren, funktioniert die Methode nicht mehr. Die Nerven flattern. Der Wahlkampf ist eröffnet.

Dabei treten ÖVP und Grüne auf unterschiedlichen Spielfeldern an: Die ÖVP kämpft am rechts-konservativen Spielfeld darum, nicht zu viele ihrer Wähler von 2019 an die FPÖ zu verlieren. Und die Grünen rittern im links-liberalen Spielfeld gegen die Konkurrenz aus SPÖ, Bierpartei und KPÖ.

Beiden Parteien hilft der aufgebauschte Konflikt um den Naturschutz. Die Grünen positionieren sich als energische Klima-Fighter und demonstrieren ihrem Fan-Sektor, dass sie sich nicht immer von der ÖVP abkanzeln lassen und nicht alle Anliegen für den Koalitionsfrieden opfern. Kurz: Kante-zeigen, gerade nach dem desaströsen Krisenmanagement um die Causa Lena Schilling. Auch der ÖVP nutzt die Auseinandersetzung: Für große Teile ihrer Klientel, allen voran den Wirtschaftsflügel, gelten die Grünen im Allgemeinen und die streitbare Klimaministerin Leonore Gewessler im Besonderen als rotes Tuch. Das Kraftmeiern dagegen symbolisiert das ersehnte Auf-den-Putz-Hauen, derartiger Theater-donner motiviert die eigenen Funktionäre. Das Resultat ist in der aktuellen profil-Umfrage abzulesen, die ÖVP gewinnt nach Jammertal-Monaten etwas Oberwasser.

Das grundsätzliche Versagen von Schwarz-Grün besteht nicht in Polit-Gewittern. Sondern aus dem Trümmer-haufen der Staatsfinanzen. Viele Kompromisse wurden um zu viel Geld erkauft, es regierte das Big-Spender-Prinzip nach dem Motto: Das Teuerste aus beiden Welten, etwa Senkung der Unternehmenssteuern und (Gratis-)Klimaticket. Der Kitt, der die ungleiche Koalition zusammenhielt, kostet. Keine Regierung verteilte derart großzügig Steuergeld-Milliarden. Gespart wurde nie, gegenfinanziert auch nicht. Nun folgt die Rechnung. Fiskalrats-Präsident Christoph Badelt, der nie zu Drama-Auftritten neigt, bilanziert schonungslos so: „Die nächste Regierung muss mit einem Sparpaket starten.“

Ein grottenschlechtes Abschlusszeugnis. Für die Wirtschaftspartei ÖVP, die eigentlich Schuldenmachen bei anderen kritisiert – und für die Nachhaltigkeitspartei Grüne, die einen intakten Planeten übergeben will. Das ist das eigentliche Drama dieser Regierung.

Eva   Linsinger

Eva Linsinger

Innenpolitik-Ressortleitung, stellvertretende Chefredakteurin