Und aus!
„The idea is good, but the world isn’t ready yet”, sang einst Tocotronic. Schon der Wahlkampf war von der Idee einer Dreierkoalition geprägt – wie schwierig es ist, ein derartiges Konstrukt auf Schiene zu bringen, zeigten die letzten Wochen. Aber auch, dass die große Koalition als Projekt vorerst wohl endgültig tot ist. Denn nach dem Ausstieg der Neos waren es zum Schluss die beiden Großparteien, die nicht zusammenfanden. Und auch das war absehbar: Die SPÖ hatte sich auf eine Art „Reichensteuer“ versteift – die ÖVP darauf, dass es das mit ihr nicht geben werde. Am Samstag versuchten ÖVP-Chef Karl Nehammer und SPÖ-Chef Andreas Babler noch einmal in intensiven Verhandlungen den gemeinsamen Nenner zu finden, den es offenbar schlicht nicht gab. Schließlich setzte Nehammer dem traurigen Schauspiel ein Ende und damit auch seiner politischen Karriere. Er verkündete Samstagabend seinen Rücktritt. Morgen, Sonntag, tagt der Parteivorstand, dort soll eine geordnete Übergabe eingeleitet werden.
Was man ihm zu Gute halten muss: Nehammer hat immer gesagt, keine Koalition mit einer von Herbert Kickl geführten FPÖ einzugehen – und eben auch, dass er in einer für Österreich wirtschaftlich desaströsen Phase nichts von erneuten sogenannten „Reichensteuern“ hält. Offenbar konnte man kein Modell finden, das für beide, SPÖ und ÖVP, denkbar war. Nehammer hatte man nicht geglaubt, dass er tatsächlich freiwillig gehen und auf den Kanzlerstuhl verzichten werde, wenn diese beiden Parameter nicht erfüllbar seien. Diesen Verlust der Glaubwürdigkeit hatte er auch Niederösterreichs ÖVP-Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner zu verdanken, die zuerst intensiv vor der FPÖ gewarnt hatte, um dann doch eine Koalition mit ihr zu formen. Und diese auch stets verteidigte.
Seit der Wahl Ende Oktober sind nun für Österreich viele wichtige Wochen vergangen – ohne Ergebnis, und ohne Plan, wie es nun weitergeht. Außergewöhnliche Modelle wie eine Minderheitsregierung geführt von ÖVP mit Duldung von SPÖ und Neos wurden gar nicht mehr diskutiert – wohl auch besser, weil in der politischen Realität kaum lebbar. Dazu: Die ÖVP braucht jetzt zuerst einmal einen neuen Parteichef. Ex-Kanzler Sebastian Kurz telefonierte schon am Wochenende mit Entscheidungsträgern und Journalisten, signalisierte seine Bereitschaft, zurückzukehren. Ob das in der ÖVP mehrheitlich gewollt wird, ist fraglich. Immerhin ist Kurz in erster Instanz verurteilt und hat noch immer umfangreiche Korruptionsermittlungen an der Backe. Wie egal das in Österreich sein kann, hat zuletzt aber Steiermarks FPÖ-Landeshauptmann Mario Kunasek demonstriert, der trotz ähnlicher Probleme einen überwältigen Wahlsieg eingefahren hat. Kurz wäre jedenfalls für Schwarz-Blau (oder Blau-Schwarz) zu haben. Ob er dafür Neuwahlen anstrebt, und auf einen etwaigen ÖVP-Sieg mit ihm an der Spitze hofft, ist fraglich. Ein Name, der in der ÖVP immer wieder als neuer Parteichef kursiert, ist der von Wolfgang Hattmannsdorfer. Der oberösterreichische Nationalrat ist ein Liebling des ÖVP-Wirtschaftsflügels. Der wünscht sich bekanntlich Blau-Schwarz, da man in vielen Fragen kongruent ist. Hattmannsdorfer hat Karlheinz Kopf mit 1. Jänner an der Spitze der Wirtschaftskammer als Generalsekretär abgelöst. Auch der Name von Karoline Edtstadler wird immer wieder genannt, die in der Partei aber nicht auch nur Freunde hat.
Auch Andreas Babler war in der SPÖ von Beginn an umstritten, und ist jetzt noch mehr angeschlagen. Er hat seine erste große Aufgabe, die Verhandlungen in trockene Tücher zu bringen, nicht geschafft. Anders als in der ÖVP gibt es allerdings kaum denkbare Ersatzkandidaten. Die zweite Reihe ist gähnend leer. Und dann wäre da noch Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger, die auch vor der Wahl schon in den eigenen Reihen angezählt war. Ob sie noch lange bleiben wird, ist fraglich.
Was also mit diesem Samstagabend bleibt, sind drei Spitzenpolitiker, die man als solche wohl nicht mehr bezeichnen kann. Sie haben jegliches Gewicht verloren. Einer wurde allerdings mächtiger und musste gar nichts tun, außer zuzuschauen: FPÖ-Chef Herbert Kickl. Der Ball liegt wieder bei ihm – und dem Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen. Wird die FPÖ doch noch einen Regierungsbildungsauftrag erhalten? Wird es Neuwahlen geben? Und dann? Was genau soll sich ändern? Ein besonders anderes Wahlergebnis ist nicht zu erwarten, dann stünde man vor demselben Problem.
Es ist wirklich tragisch: Offenbar hat niemand für Österreich derart zündende und gute Ideen, die entsprechende Begeisterung und somit Mehrheiten findet. Und mit jedem Tag, an dem nichts passiert, wird es schlimmer. Spätestens am 21. Jänner muss Österreich der EU bekanntgeben, wie das Milliarden-Defizit repariert werden soll, sonst wird die EU das vorgeben. Die Frage ist, wem genau, wenn wir eine kaum handlungsfähige (schon abgewählte) Regierung haben. Den Schaden trägen die Bürgerinnen und Bürger, deren Politverdrossenheit und Enttäuschung nachvollziehbar ist. Man muss sich nicht wundern, dass Wahlen so ausgehen, wie sie ausgehen.