Kolumne

Freizeit vom Finanzamt für die Vielverdiener

Der Kanzler will mehr Arbeitszeit aus Österreich herauskitzeln. Nur leider erwischt er dafür schon wieder die falschen Stellen.

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„Ein ‚Weiter wie bisher‘ ist nicht möglich und daher keine Option.“ Das verspricht der Kanzler für die kommende Regierung. Aber wie spürt man eigentlich, dass es jetzt anders ist? Und nicht wie bisher? Die Frage lässt sich besser beantworten, wenn man sie mit einem „Wo“ stellt: Wo spürt man, dass es jetzt anders ist?

Im Geldbörsel. Auf dem Mittagstisch. Im Urlaub. Beim Friseur. Dort wird man es aber nur spüren, wenn die Politik Entscheidungen trifft, die den Vielen im Alltag helfen. Und nicht nur dem reichsten Drittel der Bevölkerung. Viele Vorschläge, die bisher am Tisch liegen, gehen nur leider in eine ganz andere Richtung.

Beispiel eins: Ein Vollzeitbonus soll, wie der Name verrät, alle belohnen, die Vollzeit arbeiten. Anders gesagt: Männer. Die verdienen nicht nur viel besser als Frauen; die arbeiten auch viel häufiger Vollzeit. Neun von zehn Männern arbeiten die volle Woche. Aber das tut nur die Hälfte der erwerbstätigen Frauen – doch bei Weitem nicht freiwillig: Sie müssen auffangen, wenn die Eltern gepflegt werden müssen; sie fangen auf, wenn der Kindergarten im Ort am Nachmittag nicht offen ist.

Beispiel zwei: Die Steuern auf Überstunden sollen gestrichen werden. Das freut ebenfalls die Bestverdiener, die machen im Schnitt achtmal so viele Überstunden wie Niedrigstverdiener. Wer Teilzeit arbeitet (also Frauen), hat auch von dieser Maßnahme nichts. Als „Überstunde“ gilt erst, was mehr als 40 beziehungsweise 38,5 Stunden pro Woche oder acht Stunden am Tag gearbeitet wird. Der steuerliche Vorteil geht vor allem an Männer.

Beispiel drei: Die Einkommensteuer soll sinken. Davon profitieren, erraten: die Topverdiener. Wer weniger als 6600 Euro brutto im Monat verdient (also die große Mehrheit), hätte mit dem Vorschlag der ÖVP saftige 400 Euro mehr im Jahr. Wer mehr als 9400 Euro brutto im Monat verdient, dem blieben aber 3000 Euro und mehr pro Jahr zusätzlich. Der Manager hat von dieser Steuersenkung 7,5-mal so viel wie die viel zitierte Billa-Kassierin.

Bleibt die Frage: Warum dann das Ganze? Was will die ÖVP damit bezwecken? „Arbeitsanreize stärken“, so nennt sie das; sie will dafür sorgen, dass wir endlich mehr arbeiten. Der Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts WIFO, Gabriel Felbermayr, sekundierte ihr in diesem Zusammenhang hier kürzlich: Es müsse was getan werden „in jenen Bereichen, in denen Teilzeit oder Nichterwerbstätigkeit häufig sind“.

Blöd nur: Die Bemühungen, mit Steuersenkungen mehr Arbeit aus den Leuten zu kitzeln, die waren zuletzt alle Rohrkrepierer. Die Steuerreform 2016 hat unser Budget 4,7 Milliarden Euro gekostet … aber die Arbeitszeit kaum erhöht. Der Grund ist simpel: Spitzenverdiener kommen ja blendend aus mit ihrem Spitzengehalt, sie tauschen die Steuerersparnis lieber gegen mehr Freizeit und arbeiten um das weniger – ohne Einkommensverlust.

Studien belegen, dass Steuersenkungen für Topverdiener genau den gegenteiligen Effekt haben, den sich die Politik erhofft: Die meisten Männer arbeiten schon Vollzeit. Für sie gibt es keinen Anreiz, noch mehr zu arbeiten. Was stattdessen passiert: Ihre Frauen arbeiten weniger. Sie reagieren viel stärker auf Veränderungen am Lohnzettel ihres Partners als die Männer selbst: Steigt der Lohn des Gatten um ein Prozent, senkt die Frau ihre Arbeitszeit im Schnitt um 0,15 Prozent.

Vor allem die Besserverdiener haben in den letzten Jahren ihre Arbeitszeit reduziert. Sie brauchen nicht noch mehr Geld und denken deshalb eher an die Freizeit: Familie, Freunde, Hobbys und Haushalt. Und nicht an noch mehr Geld. Leute mit kleinen Einkommen möchten – und müssen – hingegen mehr arbeiten. Wer an der Schraube Arbeitszeit drehen will, muss an die Frauen denken. Damit sind wir wieder bei der Frage nach dem „Wo“: Denn dafür braucht es keine Steuergeschenke für die Spitzenverdiener, sondern Entlastung bei den kleinen Einkommen. Und vor allem: Kindergärten, Krippen und Schulen mit Nachmittagsbetreuung.

Barbara Blaha

Barbara Blaha

leitet das ökosoziale Momentum Institut.