Böse Eltern
Das Land Niederösterreich will Eltern, die nicht ausreichend mitwirken am Schulerfolg ihrer Kinder, künftig härter bestrafen. Bis zu 2500 Euro soll es kosten, wenn sie etwa zum Elterngespräch mit Lehrerin oder Lehrer nicht erscheinen.
Man hört es und denkt an asoziale Gfraster, die achtlos Kinder in die Welt setzen und sie verkommen lassen.
Aber wie viele von dieser Sorte gibt es eigentlich? Und wird man sie durch Strafandrohung sozialisieren?
Die meisten Eltern wollen das Beste für ihre Kinder. Sie bemühen sich. Viele mit Erfolg. Manche mit weniger Erfolg. Das Ergebnis ihres Einsatzes hängt ja nicht nur von ihrem guten Willen ab, sondern auch von ihren Möglichkeiten. Sprachbarriere. Bildungsbarriere. Kein Wissen über Didaktik. Wie bringe ich meinem Kind was bei?
Verweigern Eltern die Mitwirkung, wenn sie selber nur mangelhaft Deutsch oder Rechtschreiben oder Rechnen können und dem Schulstoff deshalb ratlos gegenüberstehen?
Eigentlich schickt man Kinder ja in den Kindergarten und in die Schule, damit sie dort von kompetentem Personal gefördert werden.
Und was ist, wenn die Eltern den Gesprächstermin nicht einhalten können, weil sie um diese Zeit hackeln müssen?
Ja, es gibt auch Mütter und Väter, die komplett versagen. Sie vernachlässigen ihre Kinder, weil sie unfähig sind, sie zu betreuen. Psychisch krank. Drogenabhängig. Intellektuell und/oder sozial defizitär. Das kommt vor. Deswegen gibt es Einrichtungen, die Kinder aus solchen Verhältnissen auffangen sollen. Ihre Eltern werden auch durch Strafen (für die sie oft gar nicht das Geld haben) keine fähigen Eltern.
Bleiben die anderen. Was will man von ihnen durch Strafandrohung erreichen?
Die Kernfrage lautet: Wie definieren wir Mitwirkung? Woran sollen die „Eltern“ (sprich: die Mutter) mitwirken?
Beim Adventkranzbinden im Kindergarten? Als Klassenbegleitung beim Eislaufen? Am Erlernen des Einmaleins und der Heinzelmännchenschrift (wie immer die mittlerweile heißt)? Beim Aufgabenmachen? Und wie zeitintensiv sollen sie mitwirken?
Bei all diesen Mitwirkungsvarianten haben berufstätige Mütter schlechte Karten. Aber vielleicht sollen sie ja gar nicht berufstätig sein?
Auf dem Land, so höre ich immer wieder von betroffenen Frauen, kriegen Mütter schon einen schlechten Ruf, wenn sie ihre Kinder vor Erreichung des vierten Lebensjahres in den Kindergarten „stecken“, und das womöglich ganztags (sprich: bis vier Uhr). Da ist bald was als mangelnde Mitwirkung beurteilt. Wie soll das mit der Bestrafung dann laufen? Schule verpetzt Mutter an höherer Stelle, weil das pflichtvergessene Weib ihrer Karriere als Arzthelferin nachgeht, statt sich am Tag des Brotes mit selbst gebackenen Semmerln im Klassenzimmer einzustellen?
Mag sein, dass ich übertreibe. Mag aber auch sein, dass ich zu Recht alarmiert bin.
Denn in der Kombination mit einer Herdprämie schaut so eine verschärfte Mitwirkungspflicht schon verdächtig nach einem Plan aus, Mütter in die 1950er-Jahre zurück-zukatapultieren. (Wenn nicht überhaupt in etwas weiter zurückliegende Zeiten, als die brave Frau ihr Glück in jährlicher Fortpflanzung und der Erfüllung daraus resultierender Mutter- und Hausfrauenpflichten zu finden hatte.)
Klar können wir in Wahrheit auf den beruflichen Einsatz von Frauen nicht verzichten. Nicht auf den qualifiziert ausgebildeter Frauen und nicht auf den von Müttern, die sich darauf verlassen müssen, dass ihre Kinder morgens von allein aufstehen und in die Schule gehen, weil sie selber zu dieser Zeit Büros putzen oder Waren in Regale schlichten.
Aber ein bisschen verunsichern können wir sie. Zurechtstutzen. Damit die Frauenzimmer nicht übermütig werden. Damit sie ein schlechtes Gewissen haben. Das ist immer nützlich.
Und wenn sie dann Teilzeit arbeiten, damit sie das Mitwirken im Berufsleben und das Mitwirken bei den Schulaufgaben besser unter einen Hut bringen, dann sagen wir streng, dass sie sich nicht wundern dürfen, wenn sie im Alter arm sein werden, schließlich sorgen sie nicht vor.
Das alte Lied. Die Mutter, das schuldhafte Wesen. Jetzt vor einem neuen Watschenbaum.