Kolumne

Geschlechterrolle rückwärts

Keine Frauen im Bundesgleichbehandlungsgesetz.

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Muss im Bundesgleichbehandlungsgesetz stehen, dass es Frauen und Männer sind, die gleichbehandelt werden sollen, oder ist das überholt, weil es gilt, allen Geschlechtsidentitäten Rechnung zu tragen und sie vor Diskriminierung zu schützen? Das österreichische Parlament entschied sich vor Kurzem für die zweite Lösung und stimmte für eine dementsprechende Gesetzesnovelle. Statt der Gleichstellung und Gleichbehandlung von Frauen und Männern ist jetzt die „Gleichstellung und Gleichbehandlung aufgrund des Geschlechts“ gesetzlich festgelegt. Und zur Präzisierung heißt es: „Geschlecht im Sinne dieses Bundesgesetzes umfasst Geschlechtsmerkmale, Geschlechtsidentität, Geschlechtsausdruck und Geschlechterrolle.“

Ach ja, die Geschlechterrolle. „Mädchen, die pfeifen, und Hennen, die kräh’n / soll man beizeiten die Hälse umdreh’n!“ Das war Geschlechterrolle vor 50, 60 Jahren, als die Rollenzuweisungen noch eindeutig an ein biologisches Geschlecht gebunden waren. Arm sein im Alter, nachdem die arme Alte erst der Kinder wegen beruflich zurückgesteckt, anschließend die betagten (Schwieger-)Eltern gepflegt hat und schließlich vom Gatten verlassen wurde: Das ist Geschlechterrolle bis heute, und sie ist noch immer mit dem biologischen Geschlecht Frau verbunden. (Zumindest hört man selten von biologischen Männern, die ihren Geschlechtseintrag ändern wollen, um möglichst viel an unbezahlter Carearbeit zu leisten.)

Auf High Heels durchs Leben schweben, die langen Haare im Sommerwind wehen lassen und von Männern verwöhnt werden: Das sind Frauenrollenfantasien, die mittlerweile nicht mehr ans biologische Geschlecht gebunden sind. Prinzessin sein! Auf Händen getragen werden! Wenn das eine frei verfügbare Geschlechterrolle ist, dann muss sich die mehrfach belastete Alleinerzieherin allerdings verbittert fragen, warum ihr diese Rolle nicht zur Verfügung steht und wo sie falsch abgebogen ist. Aber wer schert sich schon um Kleinigkeiten? Fest steht, dass Prinzessinspielen erlaubt sein soll, und zwar unabhängig vom biologischen Geschlecht.

Warum auch nicht? Nur: Welche Art von Gleichstellung soll gesetzlich durchgesetzt werden, wenn wir die Gleichstellung unter Einbeziehung von Geschlechterrollen festschreiben? Sollen die Geschlechterrollen vor Diskriminierung geschützt werden oder Menschen vor der Diskriminierung durch Geschlechterrollen? Anders gefragt: Geht es darum, dass Mädchen pfeifen dürfen, oder darum, dass auch Buben aufs Pfeifen verzichten sollen, sobald sie als Mädchen gelten wollen? Das ist nicht um die Ecke gedacht, wenn wir uns das Retro-Frauenbild vor Augen halten, mit dem trans Aktivist:innen uns oft entgegentreten. Siehe oben: High Heels und der ganze Klimbim, der lockende Weiblichkeit signalisieren soll.

Und um welche Art von Diskriminierungsschutz handelt es sich, wenn wir die biologischen Frauen aus dem Gesetzestext streichen und durch Formulierungen wie „die innerlich gefühlte Geschlechtsidentität“ ersetzen?

Immer noch richten sich ganz spezielle Rollenzuweisungen und Rollenerwartungen ganz speziell an die biologischen Frauen. Die Einkommensschere, das Vereinbarkeitsdilemma, die gläserne Decke resultieren daraus, dass Frauen aufgrund ihres biologischen Geschlechts für minderqualifiziert, führungsschwach, besser zur Hausarbeit geeignet etc. (wir kennen die Liste an idiotischen Behauptungen) erklärt wurden und werden. Es sind die alten Rollenmuster, die Frauen benachteiligen, und wer sie akzeptiert, schadet den Frauen.

Klar, jeder Mensch soll leben können, wie er möchte, sich anziehen können, wie es ihm passt, Sex haben mit den Personen seiner Wahl, aber brauchen wir dazu Geschlechterrollen? Und wenn es sie schon gibt: Wollen wir sie einzementieren oder abbauen?

Natürlich müssen auch trans Personen vor Diskriminierung geschützt werden, aber wie sie diskriminiert werden und warum, hat wenig mit den Rollenzuweisungen für biologische Frauen zu tun, weil ja deren Diskriminierung eben an ihrer biologischen Beschaffenheit hängt. Trans Frauen hingegen werden stigmatisiert, weil ihr Auftreten ihrer biologischen Beschaffenheit nach landläufiger Meinung widerspricht.

Der geänderte Wortlaut folge nur gültigem Recht, heißt es, er halte sich dabei an eine Definition des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 1998. Na gut, aber vielleicht ist diese Definition je noch nicht das Gelbe vom Ei.

Geschlechtsausdruck, Geschlechterrolle und inneres Fühlen statt Frauen. Kann man gut finden. Muss frau aber nicht.