Kolumne

Verhageln uns Migranten das Wachstum?

Österreichs Wirtschaftsdaten sind mies, und die Regierung sucht nach Schuldigen. Das ist verständlich, die Zuwanderer können allerdings nicht viel dafür.

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In den vergangenen fünf Jahren ist in der Europäischen Union kein Land pro Kopf und inflationsbereinigt schwächer gewachsen als Österreich. Diese von der Agenda Austria aufgestellte Fünfjahreswertung habe einen unschönen Haken, wie Bundeskanzler Karl Nehammer in seinem ORF-Duell mit Andreas Babler meinte: Sie unterschlage, dass das Wachstum durch die hohe Zuwanderung in den Keller gedrückt worden sei. Damit hat der Bundeskanzler nicht ganz unrecht. Die meisten Zuwanderer erwirtschaften deutlich weniger als die einheimische Bevölkerung, womit die Wirtschaftsleistung pro Kopf gebremst wird. Jetzt könnte man natürlich hergehen und alle Migranten rausrechnen, um ein freundlicheres Bild zu bekommen. Aber sie sind nun einmal da, und selbst wenn man statt des BIP pro Kopf die gesamte Wirtschaftsleistung nimmt, sieht die Sache nicht viel besser aus: Österreich wäre dann nicht mehr Letzter, sondern Viertletzter in der EU-Konjunkturtabelle.

Bevor wir also auf die Migranten losgehen, sollten wir den Kern des Problems nicht ganz aus den Augen verlieren. Der wichtigste Grund, warum Österreichs Wirtschaft nicht mehr wächst, versteckt sich in den Haushalten der „autochthonen“ Bevölkerung: Immer mehr Menschen arbeiten immer weniger. Der Auslöser dafür ist an sich erfreulich: Viele können es sich trotz stark gestiegener Lebenshaltungskosten ganz offensichtlich leisten, auf Arbeitszeit und Einkommen zu verzichten. Natürlich sind nicht alle Teilzeitkräfte in dieser glücklichen Lage, zudem gibt es da ja auch noch das Problem der fehlenden Kinderbetreuung. Aber selbst Frauen und Männer ohne Betreuungspflichten entscheiden sich immer öfter für eine Reduktion ihrer Arbeitszeit. Interessantes Detail am Rande: Väter arbeiten seltener Teilzeit als Männer ohne Kinder, die Vaterschaft treibt viele Männer offensichtlich ins Büro oder in die Fabrik.

So angenehm es für viele Menschen sein mag, weniger zu arbeiten: Der Trend kostet die Wirtschaft Wachstum und den Staat Sozialbeiträge. Teilzeit ist zwar kein rein österreichisches Phänomen, aber hierzulande ist die Flucht aus der Vollzeit besonders stark ausgeprägt. Warum? Weil der Steuerstaat den Bürgern bereitwillig die Rutsche legt. Wer seine Arbeitszeit verdoppelt, verdoppelt nicht sein Nettoeinkommen, sondern erhöht es nur um 68 Prozent. Das ist einer der niedrigsten Werte der EU. Halbiert ein Durchschnittsverdiener hingegen seine Arbeitszeit, bleiben ihm immer noch 60 Prozent des Nettoeinkommens. Die Message ist klar: Mehrarbeit wird steuerlich abgestraft, eine Verkürzung der Arbeitszeit vom Staat wohlwollend begleitet. Die Botschaft ist angekommen, immer mehr Bürger treten stundenweise in den Steuerstreik.

Das sollte die nächste Bundesregierung ändern. Es muss einen Unterschied machen, ob jemand 38 Stunden pro Woche arbeitet, um 2500 Euro brutto zu verdienen, oder ob zwölf Stunden dafür reichen. Eine Besteuerung auf Stundenbasis könnte hier Abhilfe schaffen. So könnten die ersten zehn Euro pro Stunde steuerfrei sein, die darüber liegenden 40 Euro mit 17 Prozent besteuert werden, über 50 Euro je Stunde fielen 50 Prozent Lohnsteuer an. Die gut verdienende Teilzeitkraft würde dann höher besteuert als die Vollzeitkraft mit demselben Monatseinkommen.

Einfacher zu administrieren wäre eine zweistufige Flat Tax: Ab der Steuerfreigrenze bis zu einem Jahreseinkommen von knapp über 6000 Euro brutto im Monat gilt ein Fixsteuersatz von 17 Prozent, darüber liegende Einkommen würden mit 50 Prozent belastet. Die Besteuerung des Faktors Arbeit läge dann im europäischen Schnitt. Der Steuerausfall wäre mit knapp zwölf Milliarden Euro zwar enorm, ließe sich aber durch eine radikale Kürzung der Subventionen und die Einführung einer Ausgabenbremse stemmen. Würden die staatlichen Ausgaben auf das Vorkrisenniveau von knapp 49 Prozent der Wirtschaftsleistung zurückgeführt, lägen die Ausgaben des Staates noch immer bei den höchsten in Europa, wären aber um knapp 16 Milliarden Euro niedriger, als sie es derzeit sind.

Jede Menge Potenzial verbirgt sich auch in den Reihen der Älteren. Würden in Österreich anteilig so viele 55- bis 64-Jährige arbeiten wie in Schweden, stünden dem Arbeitsmarkt knapp 275.000 Menschen zusätzlich zur Verfügung. Sie würden nicht nur die eigene Kaufkraft erhöhen, sondern auch jene des Wohlfahrtsstaates, dem sie weiter als Beitragszahler zur Verfügung stünden. Zudem wäre es höchst an der Zeit, arbeitswilligen Pensionisten ein attraktives Angebot zu unterbreiten, zum Beispiel so eines: Arbeiten sie in der Pension weiter, wird ihre Pension wie gewohnt besteuert, aber das zusätzliche Einkommen bis zu einer politisch festzulegenden Obergrenze nur einer bescheidenen Flat Tax unterworfen. Dem Staat blieben zusätzliche Einnahmen, die er sonst nicht hätte, und die Wirtschaft könnte zumindest stundenweise auf erfahrene Kräfte zurückgreifen.

Das alles brächte dem Wohlstand des Landes deutlich mehr als das Rausrechnen von Migranten aus der Wachstumsstatistik.