Der Maschinist

Die Agenten kommen

Während sich viele Menschen noch gar nicht recht über die Vor- und Nachteile von KI im Klaren sind, stehen die weitaus mächtigeren Agenten bereits vor der Tür.

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War Anfang des Jahres ein Frage-Antwort-Chatfenster noch das Nonplusultra in Sachen KI, lockt man damit heute keinen Hund, äh User, mehr hinter dem Ofen hervor. Während die alltägliche Nutzung von KI-Systemen aus der Early-Adopter- und Technerds-Blase herauswächst, wird immer noch sehr häufig bloß über das nächste große Modell diskutiert. „Wann kommt GPT5?“, ist einer der meistgegoogelten Begriffe in diesem Themenfeld.

Allerdings muss man ganz klar sagen: Frage und Antwort im Chatverlauf war gestern.

Denn viel entscheidender ist: Schon heute – und erst recht in Zukunft – unterstützen KI-Agenten den Menschen bei der Erledigung von Aufgaben oder erledigen diese sogar völlig autonom anstelle des Menschen. Auch wenn „Agent“ in unserer Sprache ein besetztes Wort ist, gibt es derzeit kein besseres. Mit eben diesen Agenten wird sich nicht mehr die Frage nach dem nächsten, besten KI-Modell stellen, wie wir sie heute noch täglich in den Medien erleben. Sie wird der Vergangenheit angehören, weil ein guter Agent oder ein gutes Agentensystem in verketteten Prozessen, sogenannten agentic-chains, arbeitet und automatisch das am besten geeignete Modell (aka KI) oder auch mehrere unterschiedliche Modelle auswählt und einsetzt.

Doch was versteht man eigentlich unter solchen Agenten? Es handelt sich um spezialisierte Programme oder Systeme, die in der Lage sind, selbstständig Aufgaben auszuführen, um bestimmte Ziele zu erreichen. Sie unterscheiden sich von herkömmlichen großen Sprachmodellen (LLMs) dadurch, dass sie nicht nur auf Anfragen reagieren, sondern auch proaktiv handeln, Entscheidungen treffen und eigenständig Aktionen ausführen können. Wir stehen hier noch am Anfang, aber 2025 wird das Jahr der Einführung der ersten Agenten im Unternehmensalltag sein. Der Unterschied wird anschaulich, wenn man heute einen KI-Chatbot fragt, was die Hauptstadt von Italien ist, und eine Textantwort bekommt, und wenn man gleichzeitig einen Agenten bittet, dass er einen Kurzurlaub in Rom vorbereitet, Hotel und Flug sucht – und, wenn einem der Vorschlag gefällt, auch gleich bucht.

Was vor zwei Jahren noch nach Science-Fiction klang, wird im Jahr 2025 Teil unseres digitalen Lebens werden.

Stellen Sie sich vor, dass diese Systeme nicht mehr darauf angewiesen sind, dass sie eine technische Verbindung zu einem anderen System haben – was heute die Voraussetzung dafür ist, dass KI-Systeme mit anderen Daten arbeiten können –, sondern dass Ihr persönlicher Agent auf Ihrem Bildschirm Ihre Computerprogramme bedienen kann. Wem das zu weit hergeholt klingt, dem sei das Projekt „Computer Use“ des KI-Herstellers Anthropic empfohlen.

Diese Agenten werden unseren Alltag viel stärker verändern, als wir uns das heute alle vorstellen können. Wir stehen vor einem Wandel der Arbeitswelt, der den der industriellen Revolution wie eine Kleinigkeit aussehen lässt.

Stellen Sie sich vor, auch „nur“ ein Drittel aller administrativen Tätigkeiten in Ihrem Unternehmen könnte automatisiert werden. Dann stellt sich die wichtige Frage: Wer wird diesen Wandel vorantreiben, wer wird dafür verantwortlich sein, diese Entwicklung zu begleiten und nachhaltig anzupassen? Wer kümmert sich um die Aus- und Weiterbildung? Das ist keine IT-Tätigkeit, die nur die Infrastruktur betrifft, sondern eine Funktion, die entscheidet, welche Prozesse von zukünftigen Business-Agenten ausgeführt werden und welche nicht – ein Berufsbild, das wir noch gar nicht kennen, geschweige denn ausgebildet haben.

Und nein, Agenten sind kein Zukunftsgespenst, das man aussitzen kann.

Es ist an der Zeit, umzudenken und neue Schritte in diese Zukunft zu gehen. Denken Sie an M, den Chef des MI6 aus der „James Bond“-Reihe. Ja, ich weiß, der Vergleich hinkt, weil es nicht um feindliche Aktivitäten geht, also stellen Sie sich eine friedliche Version des MI6 vor, aber fangen Sie jetzt an, Know-how und Verständnis aufzubauen, auch wenn die Auswirkungen heute noch nicht alles auf den Kopf stellen. Denken Sie an all die Möglichkeiten, wie wir den Personalmangel und die ständig wachsende Bürokratie im Alltag bekämpfen können und so nicht mehr wertvolle Zeit für weniger wertvolle Arbeit verschwenden müssen.

Gerhard Kürner

Gerhard Kürner

ist als Gründer von 506.ai Experte für künstliche Intelligenz. profil entführt er in seiner Kolumne „Der Maschinist“ ein Mal pro Monat in die technologische Zukunft.