Satire

Blausause

Prognosen sind schwierig? Ach was! Innenpolitisch waren sie selten so leicht wie Anfang 2025.

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Das neue Jahr bringt uns also gleich einmal demnächst eine neue Regierung. Und die Welle der Begeisterung, die sich bereits aufgetürmt hat, um ab Tag eins  ungebremst über sie hereinzubrechen, könnte höher kaum sein. Tsunami praktisch. Die Chance, diesbezüglich den Jahreswechsel taktisch extrem gewieft zu nützen, indem man die Bekanntgabe des erfolgreichen Abschlusses der Verhandlungen terminlich auf den Neujahrsmorgen gelegt hätte, haben Schwarz, Rot und Pink ja leider vertan. Dabei hätte es sich einigermaßen aufgedrängt, die Verlautbarung eines Ereignisses, auf das die Bevölkerung offenbar sehnsüchtigst wartet, punktgenau in den Silvesterkater hineinzulegen – und sie gleich anschließend durch Neujahrskonzert und Neujahrsspringen in unserer Gesellschaft der langen Aufmerksamkeitsspannen auch schon wieder ein Stück der gnädigen Vergessenheit anheimfallen zu lassen. 

Es ist ja einigermaßen faszinierend, zu beobachten, was sich in den Umfragen gerade abspielt. Die FPÖ liegt mittlerweile bei 35 bis 37 Prozent – zum größten Teil auf Kosten der ÖVP. Die neuen Koalitionsparteien kommen insgesamt auf gerade noch 50 Prozent,  aber ihre gerade im Geburtskanal steckende Koalition schneidet sogar noch viel schlechter ab: Nur ein Drittel findet sie gut. Und das, bevor sie überhaupt noch die Gelegenheit hatte, irgendetwas Unpopuläres anzukündigen – oder gar Falsches zu machen. Das sind Werte aus der PR-Vorhölle. Denen sich dieser nahtlos anschließt: Nur 31 Prozent befürworten die Entscheidung des Bundespräsidenten, Herbert Kickl nicht mit der Regierungsbildung zu beauftragen.

Alexander Van der Bellen begründete diese ja vor allem damit, dass er der Republik leere Kilometer und vertane Zeit ersparen wolle. Dieser von Anfang an ausbaufähig originelle Schmäh hat leider völlig unabsehbarerweise nicht so wirklich gezündet. Wenn man die gesamte Zeit aller Sondierungen zusammenrechnet, also die ganze nicht eben unlängliche Phase, bevor sich überhaupt erst einmal die bahnbrechende Erkenntnis durchsetzte, dass ÖVP, SPÖ und Neos möglicherweise mit Regierungsverhandlungen beginnen sollten, dann kommt man auf ungefähr jene Zeitspanne, die Herbert Kickl gebraucht hätte, um bei seinem Versuch, auch nur die geringste Fähigkeit zur Zusammenarbeit zu demonstrieren, kläglich auf offener Bühne zu scheitern. 

Im Ergebnis hätten wir dieselbe Regierung zur selben Zeit – aber wohl ein paar Umfrageprozente weniger für die FPÖ. Und die liberale Demokratie, die so ausgesprochen gern mit ebenso heldenhaften wie untauglichen Mitteln verteidigt wird, würde immer noch stehen. Manchmal könnte man den Eindruck gewinnen, dass es für die wackeren Brandmauermaurer eigentlich Pech war, dass die Menschheit irgendwann den aufrechten Gang entdeckt hat. Wenn wir immer noch auf allen vieren gingen, dann hätten sie ja gleich vier Knie, in die sie sich beherzt hineinschießen könnten. 
Jedenfalls setzt man sich prognosetechnisch nicht in die Nesseln, wenn man angesichts der überzeugenden Start-Daten der neuen Koalition weitere Marianengräben der Beliebtheit herandräuen sieht – und zwar nach so ziemlich jeder politischen Maßnahme, die sie heuer noch setzen wird. Völlig egal, welche das auch immer sein mag. Und Chefpolitologe Peter Filzmaier prophezeit des Weiteren für die heuer anstehenden Wahlen im Burgenland, in Wien, in Linz oder bei den Gemeinderatswahlen in Niederösterreich einen „blauen Rausch“. Dem ist nur vollinhaltlich zuzustimmen, aus fachlicher wie auch soziokultureller Hinsicht. Aus Letzterer deshalb, weil kein Alkohol an den jeweiligen Wahlabenden garantiert auch keine Lösung sein wird.

Wobei, mit einem möglichen Ergebnis der burgenländischen Landtagswahl würden zumindest die Bableristas und die Wiener SPÖ hochzufrieden sein: Dann nämlich, wenn Hans Peter Doskozil seine Absolute verliert (was sicher scheint) und die Grünen es nicht schaffen, in den Landtag zu kommen. Denn dann wird wahrscheinlich Norbert Hofer Landeshauptmann. In der Sektion 8 soll der Schaumwein schon auf Eis liegen, just in case. 

Einen ähnlichen Machtverlust hat Michael Ludwig trotz eines mit Sicherheit schlechteren Ergebnisses und einer sich verdreifachenden FPÖ nicht zu befürchten, als Wiener Bürgermeister ist man ja zum Glück pragmatisiert. Zumindest noch bei dieser Wahl, aber auch das könnte sich mittelfristig ändern. Wobei: Solange man Gegner der Kategorie Dominik Nepp und Karl Mahrer hat, werden sich die Befürchtungen zu Recht in Grenzen halten. Und wer weiß: Vielleicht setzt ja dann doch irgendwann auch Rückenwind aus der Bundespolitik ein. Mit Sicherheit spätestens dann, wenn die FPÖ in der Regierung ist.

 

Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz