Rezi-prack!
Es gibt ja erwiesenermaßen sehr viele Dinge, die wir Donald Trump und auch seinen europäischen Geistesgenossen verdanken. Die politische wie auch gesellschaftliche Erfolgsbilanz der Neurechten ist jetzt schon beeindruckend, und sie wird täglich länger. Da brauchen wir beispielsweise nur einmal vorher kaum denkbare Errungenschaften wie das Burkaverbot im niederösterreichischen Landesdienst hernehmen oder aber auch die Implementierung der revolutionären medizinischen Fachrichtung „Internet-Ivermectinologie“. Oder eben jetzt die nach der beeindruckenden „Befreiungstag“-Soap am Rasen des Weißen Hauses bevorstehende Weltwirtschaftskrise samt erwartbarer schwerer sozialer Verwerfungen in vielen Ländern. Eigentlich allen. Außer Russland. Aber statt des Kumpels im Kreml können sich wenigstens die Pinguine auf den antarktischen Heard und McDonaldinseln des Indischen Ozeans warm anziehen. Denn die haben nämlich Handelsbarrieren errichtet und Währungsmanipulationen vorgenommen, jawohl. Aber damit ist jetzt Schluss!
Und die sozialen Verwerfungen andernorts nimmt der Nero aus dem Neo-Neandertal ja vielleicht nicht nur in Kauf, sondern sieht sie sogar als Anschubfinanzierung für die Machtübernahme seiner politischen Franchises in Europa. Denn wer wird in den ohnehin schon schwer in den Seilen hängenden EU-Ländern wohl davon profitieren, wenn der Kuchen kleiner ist und die Leute darob überschaubar amüsiert? Eben. Kein Wunder, dass die FPÖ kürzlich ankündigte, die Zusammenarbeit mit den US-Republikanern vertiefen zu wollen. So lang ist die blaue Zunge allemal, dass sich mit ihr neben den Stiefeln Putins locker auch noch die Golfschuhe Trumps lecken lassen.
Wofür man Politikern aus der Parallelwelt aber jedenfalls generell dankbar sein muss, ist ihr unbändiger Befreiungsdrang, den sie an uns allen ausüben. Sie befreien uns geknechtete Bürger von allen Ketten, die sie spüren – und nicht zuletzt befreien sie auch unsere Sprache von ihrer Bedeutung – unter der sie ja bislang zumindest stellenweise schwer gelitten hat. Und uns damit das Leben auch nicht leichter gemacht hat.
Das neueste befreite Wort ist nunmehr also „reziprok“, denn so sind ja angeblich die von Trump ersonnenen Zölle. Dieses Wort kannten viele bisher vermutlich gar nicht, über die diesbezügliche Quote unter Trump-Wählern sind aber keine validen Daten vorhanden. Die Übersetzung „Wie du mir, so ich dir“ versteht man hingegen auch am Schießstand in Rustville, Kentucky. Jeder Hillbilly dort wird das unterschreiben – und wenn es mit einem X ist.
Bloß: Wie Trump das „Wie du mir“ eruiert – das ist mit „originell“ nicht einmal annähernd korrekt umschrieben. Denn die Formel, mit der er die Höhe der angeblichen Zölle berechnet, die so schwer auf amerikanischen Exporten in alle anderen Länder lasten, lautet in etwa so: Daumen mal Pi, whatever the fuck Letzteres auch sein mag, dividiert durch den Längengrad des feindlichen Staates minus die Zahl der dort verkauften Teslas. Das Ergebnis dann zum Quadrat, mal der Oberweite (in Inches!) der von Trump persönlich auf Pornhub ausgesuchten schönsten Frau des betreffenden Landes, dividiert durch das Golf-Handicap von Jeff Bezos – und schon hat man die Zollhöhe, die man reziprok bekämpfen muss! Eh nur mit dem halben Tarif, man ist ja schließlich kein Un-, sondern ein Übermensch. Warum Generationen von Wirtschaftswissenschaftern an der korrekten Berechnung dieser Zölle gescheitert sind, sollte übrigens noch Gegenstand weiterer Untersuchungen sein, wenn Sie mich fragen. Ich tippe ja auf staatsfeindliche Umtriebe, die man ahnden müsste, aber bitte.
Die nunmehr glücklich reformierte Bedeutung von „reziprok“ führt jedenfalls dazu, dass einem dieses doch recht sperrige Wort gleich viel sympathischer ist. Ein Wort, mit dem man arbeiten kann, ein für den geschickten Anwender in jeder Hinsicht vielversprechendes Wort. Es wird in Zukunft sicherlich das Geschäftsleben revolutionieren („Was wollen Sie für diesen Fernseher?“ – „Ihre Niere.“ – „Okay, ist nur reziprok.“), aber auch unter ganz normalen Menschen Einzug in den alltäglichen Sprachgebrauch halten: „Gut Schatzi, ich hab dich vielleicht mit zehn anderen betrogen – aber du hast einmal den Fitnesstrainer lüstern angeschaut. Jetzt simma reziprok!“ Selbst auf der Straße wird man bald wissen, was man an diesem Wort hat: „Du hast mich schief/blöd/gar nicht angeschaut! Jetzt muss ich dir leider reziprok die Nase brechen.“
Im Strafgesetzbuch wird man für solche Fälle den Begriff „Reziproke Gemütserregung“ einführen, denn das Recht folgt ja der Politik. Bald. Weil, wenn nicht – dann werden wir reziprok.