Wer ist hier der Chef?
Vier Monate nach der Wahl und nach sieben Brücken, über die man ganz dringend mit uns allen gemeinsam gehen musste, weiß man also jetzt glücklich wieder, was man schon vor vier Monaten wusste. Schwarz und Rot müssen miteinander, ob zu zweit oder mit einem Dritten. Egal wie. Alles andere wäre gemeingefährlich.
Nachdem sich Michael Ludwig als Erster elegant auf Brautschau begeben hatte, hätte auch der weitere Verlauf des neuerlichen Flirts zwischen den beiden kaum vielversprechender ausfallen können. Unmittelbar nach dem Scheitern der blau-schwarzen Verhandlungen forderten die beiden sehr wichtigen Herren Mattle und Mahrer, ihres Zeichens schwarze Konkursmasseverwalter in Innsbruck und Wien, als erste Bedingung für die Wiederaufnahme von Gesprächen mit der SPÖ gleich einmal den Kopf von Chefverhandler Andreas Babler. Weil der ja der Hauptschuldige am Scheitern des ersten Versuchs gewesen sei.
Selbst wenn das stimmen sollte, wofür einiges spricht: Nach allen Peinlichkeiten und Ungeheuerlichkeiten, nach allen strategischen Meisterleistungen, die die ÖVP in den letzten Monaten vor einem haltlos staunenden und frenetisch applaudierenden Publikum zum Besten gegeben hat, stürmen also jetzt auch noch ihr Anton aus Tirol und ihr Mariahilfssheriff für ganz Arme ungefragt auf die Bühne, beweisen eindrucksvoll, dass die sieben Zwerge um mindestens zwei zu wenig sind – und sorgen damit gleich einmal für ausgelassene Stimmung bei der SPÖ. Die Babler klarerweise umgehend einzementiert, was denn auch sonst. Obwohl jenem die Erwachsenen in der SPÖ eigentlich selber gerade nahelegen wollten, dass er ein bisschen in den Hof spielen gehen soll. Die schwarzen Spurenelemente formerly known as ÖVP sollten wirklich dringendst dazu übergehen, Gerüste zu meiden. Oder sie zumindest nicht andauernd auf dem Luftweg zu verlassen.
Aber so ernüchternd diese Erkenntnis auch sein mag: Jenen knapp zwei Dritteln des Elektorats, die nach derzeitigem Umfragestand nicht die FPÖ wählen würden, bleibt trotz allem, was die ÖVP so treibt, dennoch nur die Hoffnung auf einen schwarzen Kanzler. Wobei von manchen Bableristas in ihrem natürlichem Habitat, also auf Social Media, durchaus auch der Wunsch nach Neuwahlen artikuliert wird – weil dann, so das klug vorgebrachte Kalkül, wäre ja nach derzeitigem Umfragestand die SPÖ auf Platz zwei und somit der Andi Kanzler! Ja. Ich kann an diesem Plan eigentlich auch keine Schwachstelle entdecken. Außer vielleicht, dass die FPÖ dann womöglich eine Sperrminorität hätte. Und man womöglich eine Vierer-Koalition bräuchte. Und der Andi gar nicht mehr Spitzenkandidat wäre. Aber sonst – Spitzenidee!
Damit stellt sich also durchaus zeitnah die Frage, wer denn nun um alles in der Welt im Bundeskanzleramt einziehen soll, nachdem dessen Abwrackung durch Abrissbirnen-Herbert noch einmal mit knapper Not hintangestellt werden konnte.
Sollte vielleicht Karoline Edtstadler jetzt übernehmen? Sie hatte ja noch vor nicht allzu langer Zeit das dringende Bedürfnis verspürt, eine Anwaltskanzlei zu eröffnen, nur um umgehend vom Landeshauptfrau-Gedankenblitz getroffen zu werden. Wenn sie zum dritten Mal in eher kurzer Zeit eher unerwartet ihre eben noch heiß angestrebte Karriere zugunsten einer anderen entsorgen würde, könnten sich zwar manche die Frage stellen, was ihr dann in zwei Wochen wieder alles einfällt. Aber: Komplizierte Zeiten erfordern halt manchmal situationselastische Lösungen! Eine Möglichkeit wäre natürlich auch, den ohnehin gerade wieder einmal von der Ersatzbank eingewechselten Kanzler-Joker Alexander Schallenberg gleich im Amt zu belassen. Wobei – auch schwierig. Außer er macht in der Mindestzeit den Volkstribun bei Humboldt.
Oder vielleicht sollte man ja auch mit dem Ausdruck des Bedauerns zu einigermaßen Bewährtem zurückkehren – und also zum zumindest erwiesenermaßen graden Michel Karl Nehammer? Rücktritt vom Rücktritt, warum denn nicht? Haben andere Große auch gemacht. Niki Lauda. Hans Orsolics.
Oder wenn schon nicht den Nehammer aus dem Skiurlaub holen – dann vielleicht Wolfgang Hattmannsdorfer aus der Anonymität? Oder am Ende doch gleich Sebastian Kurz aus dem Warteraum? Oder sollte ernsthaft Christian Stocker bleiben?
Das ist fürwahr eine sehr diffizile Entscheidung. Und falls alle diese Stricke reißen sollten, bleibt uns am Ende nur mehr eine Hoffnung: Vielleicht hat ja Karl Mahrer Zeit.