Game over?
Mindestens 500 Milliarden Dollar soll das Joint Venture „Stargate“ in neue KI-Rechenzentren investieren, so hat es Präsident Donald Trump nach seiner Amtsübernahme verkündet. Beteiligt an dem Projekt sind OpenAI, das Unternehmen hinter ChatGPT, der Datenbank- und Cloudanbieter Oracle sowie der Tech-Investor SoftBank.
Bei „Stargate“ geht es nicht einfach nur darum, die US-Dominanz im Bereich KI weiter auszubauen. Das Ziel ist eine „Superintelligenz“, die Menschen in allen Belangen überlegen ist. Eine solche KI wäre ein Machtinstrument sondergleichen.
Wenn die USA das durchziehen, dann bedeutet das für Europa: Wir würden nicht nur das KI-Wettrennen verlieren, sondern auch ökonomisch und politisch weiter zurückfallen. Denn bei der Entwicklung leistungsfähiger KI macht die verfügbare „Compute“-Power den entscheidenden Unterschied. Europa wäre vermutlich derzeit gar nicht imstande, konkurrenzfähige Modelle zu trainieren.
Technologische, wirtschaftliche, politische und militärische Macht sind im Fall von KI besonders eng miteinander verbunden. Eine „Superintelligenz“ – das wäre nicht einfach nur eine Technologie, die man haben kann oder eben nicht. Sie wäre eine technologische, wirtschaftliche, politische und militärische Waffe, erst recht in den Händen der ohnehin mächtigsten Nation der Welt.
Trump-Amerika müsste Europa nur vom KI-Zugang abschneiden. Was wäre, wenn nur noch US-Unternehmen auf die leistungsfähigsten Modelle zugreifen könnten? Und wenn die Avantgarde der Superintelligenz überhaupt nur den US-Geheimdiensten zur Verfügung stünde?
Man kann die „Superintelligenz“ für ein bloßes Marketing-Märchen halten, den ganzen KI-Hype überhaupt für maßlos übertrieben. Aber es wäre geradezu töricht, die „Stargate“-Initiative der Amerikaner nicht ernst zu nehmen. Gegen europäische Arroganz spricht schon die amerikanische Erfolgsgeschichte bei der Durchsetzung neuer Technologien, von der Elektrizität bis zum Internet.
In den USA hat man seit je eine Vision von der „manifest destiny“. Das ist die Vorstellung, die auserwählte Nation zu sein, deren Bestimmung es angeblich ist, immer weiter zu expandieren, nicht zuletzt mit technologischen Mitteln. Bis zum Mars? Bis nach Europa?
Der Name „Stargate“ (Sternentor) drückt schon die ungeheure Ambition aus. Es ist der Anspruch, eine KI zu bauen, die eines Tages alle Geheimnisse des Universums entschlüsselt. Das würde die amerikanische Weltherrschaft auf eine ganz neue Stufe heben. Zugleich wäre es die ultimative Rache an Europa, das sich gern für die Wiege des menschlichen Geistes hält.
Jetzt ist nicht die Zeit für Schockstarre, Gleichgültigkeit und das immer gleiche Podcast-Kommentatorengelaber („Und wie fandst du jetzt Trumps Rede?“). Jetzt ist es Zeit, eine deutliche Antwort auf Trump zu geben.
Es braucht eine europäische KI-Strategie, die Stärke demonstriert – eine Mission, deren Ziel es nicht ist, zum Mars zu fliegen, sondern diese Welt zum Guten zu verändern. Für alle Menschen. Aber wir sollten nicht naiv sein. Wohlmeinende Appelle an europäische Werte und Tugenden werden diesmal nicht genügen. Geld allein vermutlich auch nicht.
Nötig ist vielmehr eine gemeinsame Kraftanstrengung der europäischen Industrie. Was wir brauchen, das ist eine „Industrial AI“-Initiative, die das Ziel verfolgt, KI für die echte Welt – und damit für industrielle Anwendungen – zu entwickeln. Von der Robotik über digitale Zwillinge bis zu Quantentechnologien.
Die großen europäischen Unternehmen haben das nötige industrielle Know-how, die nötigen Daten, das nötige Geld. Losgelöst von allen Fesseln der EU-Bürokratie, könnten sie die Vision einer neuen industriellen Revolution entwickeln, die Europas Wirtschaft befeuert.
Ein solches Transformationsprogramm könnte das Fundament einer europäischen KI-Strategie für das gute Leben sein – etwa in den Bereichen Gesundheit, Demokratie und Bildung. Ein solches Programm könnte vielleicht zu einer Erneuerung Europas führen. Zu jener Erneuerung, die es braucht, um Trump-Amerika standzuhalten.
Wir haben keine Chance. Also: Nutzen wir sie!