Wenn KI den Duschknopf dreht
Neulich hatte ich ein Problem mit einem neuen Duschknopf. Plötzlich kam nur noch sehr wenig und kaltes Wasser, die Therme sprang nicht an. Ich hatte keine Ahnung, woran das lag. Also fragte ich ChatGPT.
Der Chatbot erklärte mir, dass ein gewisser Wasserfluss nötig sei, um die Therme zu aktivieren. Offenbar drosselte der neue Schlauch den Wasserfluss, was unter anderem mit dem sogenannten Durchflussbegrenzer zu tun haben könnte, der aus Effizienzgründen die Wassermenge reduziert.
ChatGPT gab mir noch ein paar praktische Tipps, um diese Hypothese zu überprüfen. Schließlich empfahl er mir, es mit einem anderen Schlauch zu versuchen, und damit funktionierte die Dusche tatsächlich wieder. Vielleicht werden Sie jetzt sagen, dazu hätte es keine künstliche Intelligenz gebraucht.
Es ist allerdings so, dass ich von solchen alltagspraktischen Dingen absolut nichts verstehe. ChatGPT hat mir entscheidend geholfen, meine Dusche zu reparieren. Das macht mich zwar noch nicht zum Installateur. Aber immerhin konnte ich ein Problem lösen, an dem ich sonst womöglich gescheitert wäre.
Schon bald wird es viele KI-Assistenten geben, die Menschen in allen möglichen Bereichen unterstützen, von der Steuererklärung bis zu Gesundheitsfragen. Alle diese Anwendungen werden unsere Fähigkeiten erweitern. Und dazu braucht es noch keine AGI (Artificial General Intelligence), jene Superintelligenz, der die großen Techkonzerne mit immer größeren und teureren Sprachmodellen hinterherjagen.
Für viele Anwendungen genügen auch schlankere, auf bestimmte Aufgaben trainierte Modelle. Vielleicht führt das große KI-Wettrennen sowieso in die Irre. Viele KI-Experten glauben, dass die Skalierung der großen Sprachmodelle an Grenzen kommt – dass sich die Leistungsfähigkeit also nicht beliebig steigern lässt. Das könnte die Stunde wirklich sinnvoller Anwendungen sein, die das Leben einfacher und angenehmer machen, ohne den Menschen zu ersetzen.
Die KI-Entwicklung steht womöglich an einem Wendepunkt. Schon aus Kostengründen ist das Ziel einer allumfassenden Superintelligenz fragwürdig. Was wir heute brauchen, das sind KI-Werkzeuge, die uns helfen, spezifische und praktische Probleme zu lösen, die uns Menschen überfordern – im eigenen Leben wie in der Welt.
Der Duschknopf war für mich ein konkretes Problem, das ich mithilfe von KI lösen konnte. Auf größere Herausforderungen übertragen, könnte KI uns ähnlich pragmatisch helfen, etwa bei Fragen der Mobilität oder der Energieversorgung. Entscheidend ist dabei, dass sie unsere Fähigkeiten erweitert. Wir brauchen eine KI, die uns hilft und coacht, statt uns zu entmündigen. Das ist aber nicht nur die Aufgabe der Entwickler, sondern von uns allen.
Wir müssen heute lernen, mit KI-Systemen verantwortungsbewusst und selbstbestimmt umzugehen. Das erfordert mehr als bloß geschickte Prompt-Techniken. Es geht um eine bestimmte Haltung gegenüber der KI – und gegenüber uns selbst. Große Sprachmodelle wie ChatGPT wissen zwar viel über den Menschen, aber sie wissen es aus Texten, nicht aus Erfahrung, wie es bei uns der Fall ist. Was diesen Modellen fehlt, das sind unsere Schwächen, unsere Verletzlichkeiten. Ich zum Beispiel werde wütend, wenn Dinge nicht funktionieren, wie etwa der Duschknopf. Ich kann dann nicht mehr klar denken. Eine KI dagegen kennt solche Emotionen nicht, dafür weiß sie viel über Probleme mit Duschknöpfen.
Ich möchte aber keine Super-KI, die alles für mich erledigt. Duschknöpfe reparieren ja, persönliche E-Mails schreiben nein. So muss jeder für sich entscheiden, was er oder sie in Zukunft noch wirklich selbst machen will, weil es ihm einfach wichtig ist, es selbst zu machen. Die Frage ist ja nicht nur, was kann die KI (und was nicht), sondern auch: Was wollen wir eigentlich von ihr? Schneller Steuererklärungen machen oder Liebesbriefe schreiben, das Klimaproblem lösen oder tolle Videos produzieren?
Vielleicht ist das die Zukunft der künstlichen Intelligenz: keine mystifizierte Supermacht, sondern ein unsichtbarer, zuverlässiger Begleiter, der uns genau dann hilft, wenn wir ihn brauchen. Und manchmal reicht schon ein reparierter Duschknopf, um zu erkennen, wie wertvoll so ein Begleiter sein kann.