Kommentar

Wie normal es ist, Muslime zu hassen

Ressentiments gegenüber dem Islam sind politisch gedeckt und gewünscht. Das zeigt auch das blau-schwarze Verhandlungsprotokoll.

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Ressentiment ist ein Gefühl, und Gefühle lassen sich zumeist schwer in Worte fassen. Manchmal jedoch manifestieren sie sich in blanken Zahlen: Vergangenen November veröffentlichte das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes (DÖW) eine repräsentative Umfrage, in der erhoben wurde, neben wem die Österreicherinnen und Österreicher nicht wohnen möchten. 36 Prozent gaben an, Musliminnen und Muslime nicht gern als Nachbarn zu haben. Jedem Dritten geht es offenbar leicht über die Lippen, dass er pauschal Menschen aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit ablehnt.

Die Normalisierung der Ressentiments gegenüber dem Islam und Muslimen ließ sich zuletzt auch im Protokoll aus den Koalitionsverhandlungen zwischen FPÖ und ÖVP beobachten, das seinen Weg an die Öffentlichkeit fand, profil berichtete federführend. Die Verhandlungen sind zwar gescheitert und die Protokolle dadurch zur Makulatur verkommen; sie bleiben jedoch Dokumentation der Normalisierung des Fremden- und im Speziellen des Islamhasses unserer Zeit. Sie zeigen, wie diese Ablehnung politisch gedeckt, wenn nicht gar politisch erwünscht ist – und daran ist nicht nur die FPÖ schuld, aber der Reihe nach.

Im blau-schwarzen Dokument ist vielfach die Rede vom Kampf gegen den „politischen Islam“. Dieser Kampf hat im Kern durchaus seine Berechtigung, ebenso wie das entschlossene Zurückdrängen dschihadistischer Ideen, die den Boden für islamistischen Terror bereiten – zu viele Menschen haben sich von dieser ideologischen Pest anstecken lassen, zu viele junge Menschen finden in diesem religiösen Fanatismus Sinn. Radikale Tendenzen sollten weder schöngeredet noch ignoriert werden, sie sind erbarmungslos zu ahnden.

Das heißt jedoch nicht, dass man deshalb einen Freibrief hat, alle Musliminnen und Muslime pauschal als Sicherheitsrisiko zu diffamieren oder sie zu inferioren Wesen zu degradieren, als wären sie gestern vom Baum heruntergeklettert. Und genau das tut das blau-schwarze Dokument. Es strotz nur so vor Verhöhnung und Dämonisierung von Musliminnen und Muslimen: Da ist beispielsweise die Rede von einem „fremden Herrschaftsanspruch“ über „unsere Heimat“, der etwa von „politisch-religiösen Siegeszeichen wie Minaretten“ ausgehen würde, weswegen man deren Errichtung untersagen müsse. Derlei Symbole würden der „Säkularisierung“ in Österreich widersprechen, heißt es im Vorschlag, der zwar von der Volkspartei abgelehnt wurde. Worauf sich die Freiheitlichen mit der ÖVP aber geeinigt hatten, war die Forderung an Fremde, sich zu „unseren Bräuchen und Traditionen“ zu bekennen. Und das sind „Weihnachtsfeier, Nikolo, Kreuz in Klassenzimmer, etc. (sic!)“ Was hat das mit „Säkularismus“ zu tun? Wo ist da die Gleichbehandlung? Lustig, lustig, tralalalala.

Es wird nicht einmal versucht, so zu tun, als sei man fair, im Gegenteil. Unfairness ist erwünscht, fair muss man in dieser Weltsicht nur jenen gegenüber sein, die man als ebenbürtig erachtet – doch Musliminnen und Muslime werden als Menschen anderer Ordnung erachtet, deswegen ist in dieser Logik die Andersbehandlung gerechtfertigt. Wenn eine Gesellschaft derlei akzeptiert, fängt es an, gefährlich zu werden. Diesen Punkt haben wir jedoch längst überschritten.

Herbert Kickl mag die Schlacht um das Kanzleramt vorerst verloren haben, seine Partei hat es jedoch geschafft, den viel zitierten Diskurs in der wahlentscheidenden Migrations- und Islamfrage derart weit nach rechts zu verschieben, dass selbst menschenrechtsbewegte Kreise und Parteien kaum mehr aufmucken. Das, was einst radikal war, ist heute normal.

Dafür trägt auch die ÖVP Verantwortung, in der Migrationsfrage ist sie mit der FPÖ vollends verschmolzen. Das zeigt sich auch daran, dass sie bereit war, die Migrations- und Asylagenden der FPÖ in einem eigenen Ministerium zu überlassen, wo sich die Blauen austoben hätten können.

Auf die Frage, wie viel Parallelgesellschaft zulässig sei, antwortete der ehemalige Wiener Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg 2016 in einem Interview mit der „Presse“: „Wenn sie sich an die – österreichischen – Gesetze hält, dann darf eine Gesellschaft nicht nur parallel sein, sondern auch diametral.“ Und: „Es ist nicht immer alles so einfach, man muss differenzieren.“

Nina Brnada

Nina Brnada

Redakteurin im Österreich-Ressort. Davor Falter Wochenzeitung.