„Ihr lieben Frauen!“
Es genügen eigentlich wenige seiner eigenen Worte, um Herbert Kickls Frauenweltbild so plastisch wie drastisch zu verdeutlichen. In einer Videobotschaft wandte er sich vor circa einem Jahr an die bescheidenen Stützen des Patriarchats: „Ihr managt den Haushalt, ihr besorgt die Einkäufe, ihr organisiert die täglichen Mahlzeiten, ihr übernehmt die Kinderbetreuung und Erziehung. Ihr lieben Frauen seid es, die den Männern zu Hause den Rücken freihalten.“
Was wie eine Ansage irgendwo zwischen Mutterkreuz und Steinzeitkeule anmutet, atmet den Spirit einer FPÖ im ersten Drittel des 21. Jahrhunderts. Bloß kein Selbstverwirklichungsunfug, der das Idylle-Konzept der Kernfamilie aus der Balance bringen könnte, Rückenfreiheit für das
Patriarchat! Kickls Lob der Rückschrittlichkeit spiegelt gleichzeitig leider auch ein wenig die österreichische Realität wider: Wir sind, was Gleichberechtigung (oder im FPÖ-Terminus „falsch verstandene Gleichmacherei“) betrifft, tatsächlich im europäischen Vergleich ein Entwicklungsland. Und eine FPÖ-dominierte Regierung hätte nicht nur Stillstand, sondern Backlash, volle Kraft voraus, bedeutet. Laut Statistik Austria (Stand 2023) arbeiten 74 Prozent der Frauen mit Kindern unter 15 Jahren Teilzeit, während nur 7,7 Prozent der Väter sich zu so einem Schritt entschlossen haben. In Österreich bleiben die Mütter auch im Europa-Vergleich überdurchschnittlich lange in Karenz, die Inanspruchnahme von Väterkarenz ist seit 2016 sogar um einige Prozent zurückgegangen. In welche Gefahrenzone eine solche Erwerbstätigkeitsverteilung Frauen führen kann, ist hinlänglich bekannt: Anschlussschwierigkeiten bei Wiedereinstieg in den Beruf, bei Scheidung ein Lebensstandard im Sinkflug, bei Auflösung einer Lebensgemeinschaft keinerlei finanziellen Rechte, deprimierende Pensionsansprüche, Altersarmut. Dass sich im Kapitel „Familie, Jugend und Frauen“ (vielsagend auch die Reihung) der geleakten und inzwischen obsoleten Verhandlungsprotokolle als erster rot markierter Uneinigkeitspassus die „Garantie auf ganztägige Kinderbetreuung bei Vollzeit ab dem ersten Geburtstag“ findet, ist wenig überraschend. „Familiäre Betreuung wertschätzen“, heißt es an anderer Stelle, also ein klares Bekenntnis zu einer Zurück-an-den-Herd-Ideologie, die ja durchaus auch von der ÖVP mitgetragen wird. In einem Frauenleben möge auch eine Fristenlösung „nur der allerletzte Ausweg“ sein, und der starke Arm des Patriarchats fordert auch da Kontrolle, nach FPÖ-Wunschdenken, in Form einer „verpflichtenden Beratung und einer Wartefrist zwischen Beratung und dem Schwangerschaftsabbruch“. Aber bitte keine verpflichtenden Quotenregelungen und obligate Lohntransparenz (Lohnschere in Österreich: im Schnitt 12,5 Prozent), da käme „nur Neid auf“.
Nicht von ungefähr war die misogyne Parole „Your Body – my choice“ (Dein Körper, meine Entscheidung) nach Trumps-Wahlsieg im November auch von Jugendlichen in Wiener U-Bahnen laut skandiert worden. Im Fahrwasser des Rechtspopulismus schlägt die toxische Männlichkeit noch größere Wellen brutaler Selbstherrlichkeit.
„Family first“ ist die Prämisse der Blauen, und diese Familie muss natürlich heterosexuell, weiß und möglichst kinderreich sein, um gegen den großen „Bevölkerungsaustausch“ (ein Lieblingswort der Rechtspopulisten) präventiv eine Feuermauer zu errichten: „Für eine starke Zukunft unserer Heimat braucht es wieder mehr Mut zur Familie mit Kindern“, heißt es auf der Website der steirischen FPÖ, „Schluss mit dem Opfern traditioneller Werte auf dem Altar linker Gesellschaftsutopien“ – was natürlich auch einem klaren Schuss gegen Regenbogenfamilien gleichkommt. In der normativ orientierten Kernfamilie möge die dazugehörige Mutti bitte auch keine Karrierefurie sein, sondern in ihrer Mutterschaft den höchsten Erfüllungsgrad ihrer Existenz finden. Und im Idealfall die Möglichkeiten einer „Fremdbetreuung“ nur mit spitzen Fingern angreifen. Ganz im Sinne der rechtskonservativen Tradwives, die zurzeit die sozialen Medien überschwemmen und ihren Schöpfungsauftrag mit Butterschlagen und der Herstellung organischer Babywindeln begreifen – #stayhomemum-Glück mit 600 Millionen Einträgen.
Dass die Frauenpolitik der FPÖ einer Fahrt in die Retro-Finsternis gleichkommt, zeigte schon die erste Koalition in Schwarz-Blau, in der 2000 der Kärntner Tierarzt Herbert Haupt den Frauenminister gab. Dessen Gattin Renate antwortete damals auf die Frage des „Kurier“, ob ihr Herbert auch im Haushalt mithelfe, dass Männer „in gehobenen Positionen“ sich Gott sei Dank auch erlauben können, Frauen „erleichternde Geräte“ für Säuberungstätigkeiten zu kaufen. Na dann!