KOLUMNE

Koste es (uns), was es wolle

Die Regierung hat Milliarden an Corona-Hilfen systematisch in die Gewinne der Unternehmen gepumpt. Jahrelang. Der Raubzug wurde am Parlament vorbei abgewickelt.

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Schnell musste es gehen. Rasch und reichlich sollten sie fließen, die Corona-Gelder. Nur zwei Tage nach dem ersten Lockdown gab der damalige Kanzler Kurz das Motto aus: Koste es, was es wolle. Logisch: Die ÖVP konnte Gejammer von Unternehmen, die unter dem Lockdown leiden, nicht brauchen. Binnen weniger Tage wurde die Finanzierungsagentur Cofag aus dem Boden gestampft. Ohne echte Dokumentation oder Einbindung der Finanzbeamten, wie der Rechnungshof in der Rückschau kritisiert. Aber die fehlende Transparenz war nicht der „Fehler“, sondern das „Feature“ der Cofag: Privat „ausgegründet“, war sie der parlamentarischen Kontrolle weitgehend entzogen. Genau diese Gründung war verfassungswidrig, urteilten später die Höchstrichter:innen.

Aber für die Steuerzahler:innen kommt das zu spät: Die Staatskasse ist ausgeräumt, im Schutz der Intransparenz flossen 21 Millionen Euro in geheime Beratungshonorare. Die Geschäftsführung wurde mit knapp 20.000 Euro monatlich fürstlich entlohnt. Unglaubliche 19 Milliarden wurden an die Unternehmen ausgeschüttet. Offiziell als Garantien und Hilfszahlungen. Gegen finanzielle Hilfe für von der Coronakrise gebeutelte Betriebe ist nichts einzuwenden. Dagegen, dass viele Profit damit gemacht haben, schon eher: Etliche Konzerne machten dank der Hilfen mehr Gewinn als im Jahr vor der Pandemie. Das heißt im Klartext: Zugesperrt fuhren diese Unternehmen mehr Gewinn ein, als wenn sie offen gehabt hätten. Wir haben sie nicht gerettet, wir haben einfach ihre Gewinne aufgefettet.

Wir haben diese Unternehmen nicht gerettet – wir haben sie gemästet.

Was war passiert? Statt der tatsächlichen Verluste wurde den Unternehmen ein fiktiver Lockdown-Umsatz ersetzt. Aber: Gastro und Co. haben im Lockdown etliche Kosten nie gehabt. Keine Gäste, kein Einkauf, kein Personal. Aus unser aller Staatsbudget hat die Cofag Kosten ersetzt, die nie angefallen sind. Wir haben das Schnitzel bezahlt, das nie gekauft, gebacken oder serviert wurde. Gewinne aus dem Take-away-Business durften die Hilfsbedürftigen ebenfalls behalten, nicht einmal die Kurzarbeit wurde gegengerechnet. Die Republik hat die Arbeitskosten also sogar doppelt ersetzt.

Während ÖVP-Finanzminister Brunner noch von „Einzelfällen“ sprach, legten Auswertungen des Momentum Instituts schon Anfang 2022 das bizarre Ausmaß offen: Über zwei Drittel der ausgewerteten Unternehmen wurden 2020 zu üppig gefördert; erhielten also viel mehr Geld, als coronabedingt nötig gewesen wäre. 2021 waren es sogar knapp 85 Prozent. Die Zahlen der Oesterreichischen Nationalbank bestätigten das später. Quer durch alle Sektoren zeigt sich: Die Vermögenswerte der Firmen stiegen 2020 trotz rückläufiger Umsätze um 4,4 Prozent – stärker als im Jahr vor Corona. Die Bankguthaben und Bargeldreserven schnalzten sogar um 17,5 Prozent nach oben. Das gilt freilich nur für die Großen: Die Einlagen der Unternehmen im kleinsten Fünftel stagnierten oder sanken sogar.

Je größer der Laden, desto mehr wurde ihnen aufs Konto geschaufelt: Wir haben diese Unternehmen nicht gerettet – wir haben sie gemästet. Ganz oben auf der Nehmerliste stehen alte Bekannte. Zum Beispiel die Signa von René Benko: Insgesamt sollen an das Konzerngeflecht fast 19 Millionen Euro geflossen sein. Allein für sein Luxusapartment Chalet N – offiziell ein Hotel – 1,1 Millionen Euro. Dem Pechspiel-Riesen Novomatic nahmen Steuerzahler:innen die Kosten für die Mitarbeiter:innen ab. Geholfen hat es nichts, trotzdem wurden 120 gekündigt. Gastronom Martin Ho umging mit allen Tricks die Corona-Regeln und bekam trotzdem mehr als zwei Millionen von der Cofag. Koste es, was es wolle, eben. Damit hat Sebastian Kurz gemeint: „Meine Buberl kriegen, was sie wollen. Egal, was euch das kostet.“ Das hätte man verhindern können, wenn man gewollt hätte. Warum wurde die Kurzarbeit nicht wie in Deutschland mit anderen Hilfen gegengerechnet? Warum gab es bei so großen Summen keine Rückforderungsklausel? Wer trotz Corona Gewinne schreiben konnte, braucht kein Steuergeld. Dann wären die Unternehmenshilfen eine Art Versicherung gewesen.

Das wäre ein sorgsamer und fairer Umgang mit dem Geld der Steuerzahler:innen gewesen – mit unserem Geld. Denn knapp acht von zehn Steuer-Euros zahlen Arbeitnehmer:innen und Pensionist:innen. Mit ihren Steuern auf Arbeit und Konsum. Wir sind es, die auf der Rechnung für die sogenannten Staatshilfen sitzen bleiben. Der Finanzminister hätte die Corona-Übergewinne mit einer Sondersteuer wieder einfangen können; stattdessen senkte er gerade die Gewinnsteuern für die größten Konzerne des Landes. Damit fehlt im Staatshaushalt wieder mehr als eine Milliarde Euro im Jahr. Kompensiert wird das woanders. Die neueste Idee: Wer seinen Job verliert, soll künftig weniger Arbeitslosengeld bekommen. Koste es uns, was es wolle!

Barbara Blaha

Barbara Blaha

leitet das ökosoziale Momentum Institut.