Satire

Leberwerte

Keine der Aschermittwochsreden hat Sie restlos überzeugt? Keine Panik, wir haben ein Wahljahr. Es kommen noch ein paar.

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Zum Glück hat die Vorabwarnung des Bundespräsidenten, es bei den Aschermittwochsreden nicht mit der allzu überspitzten Betonung des Trennenden zu übertreiben, zumindest in einem Teilbereich Wirkung gezeigt. Es mag zwar ein nationaler Schulterschluss der nicht gänzlich unerwarteten Sorte gewesen sein, aber in zerfahrenen Zeiten wie diesen sollten wir für jeden Konsens dankbar sein, den die Parteien außer Streit stellen. Im konkreten Fall also dafür: Wir haben nicht nur eine Bierpartei – sondern viele. Und wenn wir schon sonst nichts teilen, so doch wenigstens unsere Leberwerte.

Einzig bei der ÖVP gab es diesmal nur Wasser, Bundeskanzler Nehammer hat seinen rauschenden Erfolg mit einem Krügel auf offener Bühne ja schon ein andermal gehabt. Und was die Comedy-Elemente betrifft, verlässt er sich schon längst lieber auf fetzige Real-Life-Netzvideos als auf reichlich altbackene Büttenreden zum Faschingsausklang. Die Pointen überließ er bei der schwarzen Aschermittwoch-Sause Gastredner Karl-Theodor zu Guttenberg, als deutscher Verteidigungsminister einst konservativer Posterboy, später Plagiatsjagdwild. Und der verwendete gleich elegant eine Abwandlung eines der launigsten Sätze, die dereinst aus Karl Nehammers Kanzlerschaft übrig bleiben werden. Wer über die ÖBB schimpfe, so Guttenberg, solle mal mit der Deutschen Bahn fahren. Da brauche man nämlich einen Psychotherapeuten oder eine Flasche Schnaps. Wenn das mal kein Bringer ist.

Immerhin inspirierte des Kanzlers einstiges Krügel heuer den Chef der oberösterreichischen FPÖ, Manfred Haimbuchner, der als Hausmeister in Ried vor Herbert Kickl dran war, zu einer interessanten identitätspolitischen Distinktionshandlung: Er schüttete gleich zwei große Bier ex runter, um „dem Nehammer zu zeigen, was ein echter Mann ist“. Das Video hat auf YouTube sogar Chuck Norris gelikt. Oberösterreich ist in wirklich guten Händen.

Eine ähnlich stringente Beweisführung in Sachen Chromosombeschaffenheit hätten sich Kenner der Trinkgewohnheiten seines Parteichefs sicherlich anschließend auch von Herbert Kickl gewünscht, damit der Aschermittwoch endlich wieder einmal so richtig lustig wird. Aber Kickl nahm diese kleine innerparteiliche Spitze seines früheren Rivalen Haimbuchner auf, wie man ihn kennt – und wie nun einmal sein allgemeiner Gemütszustand ist: vollkommen gelassen. Er trank bei seiner Rede trotzdem nur Wasser, stand aber, Vollprofi, der er ist, nie weit weg von einem frisch schaumgekrönten Kamerabier.

Bei der SPÖ spielte Bier ebenso eine tragende Rolle, die steirische Babler-Vorband Max Lercher forderte gar gewitzt einen Bierpreisdeckel, weil „nüchtern hält man diese Regierung ja nicht aus“. Diese Gefahr besteht ja bei der Opposition zum Glück nicht, bei keinem Teil davon. Lercher offenbarte auf dem Hopfensektor vorerst auch noch durchaus Sympathien für die Bierpartei, erklärte dann aber in einigermaßen mysteriöser Formulierung trotzdem den Pogusch zum Pogo-Sperrgebiet: „Ich lass mir ja von einem Wiener nicht erklären, was ich für ein Bier zum Saufen hab da in der Steiermark.“

Äh …, okay. Hier scheint sich eine neue Konfliktlinie im ohnehin schon eher reservierten Verhältnis der SPÖ zu Dominik Wlazny aufzutun, die bislang nicht einmal Peter Filzmaier auf seinem an sich niemals unaufmerksamen Radar gehabt hat. Und die sich, auch das muss man konstatieren, unter Pamela Rendi-Wagner so nicht aufgetan hätte, weil Aperol aus Krügeln trinkt höchstens der Haimbuchner, wenn er sich noch milieutypisch ein drittes Bier einschenken möchte, sich aber nach den ersten zwei doch nicht mehr so ganz auskennt mit den Flaschen. Oder auch mit Gesetzesvorlagen und so. Allerdings wäre Rendi-Wagner mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gar nicht erst im Trachtenjopperl im Weststeirischen neben einem sehr überzeugenden Bierfass gesessen, hätte also auch den Kampf gegen die FPÖ um die Herzen des in weiten Teilen halt nun einmal recht ruralen Österreich gar nicht erst dermaßen überzeugend demonstriert wie ihr Nachfolger aus dem linken Parteiflügel.

Jetzt mag es durchaus sein, dass wir alle angesichts der überzeugenden Inszenierungen und Pointen gar nicht so sehr auf die Fülle der Inhalte geachtet haben, die uns am Aschermittwoch geboten wurden. Da müssen wir uns schon auch einmal selber an der Nase nehmen, wir sind da ja oft recht unaufmerksam, so unterhaltsam kann die Informationsvermittlung gar nicht sein, gell? Aber wir müssen uns da zum Glück sicherlich auch wieder nicht allzu lang grämen, wir haben schließlich ein Wahljahr. Und die gute Nachricht ist: Es hat gerade erst angefangen. Wo ein Aschermittwoch, da ein Gründonnerstag. Dann ein Karfreitag. Und ein Pfingstmontag. Oder …

Was wir noch lachen werden.

Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz