Leider gibt es nichts zu lachen
„So lassen Sie mich zunächst meiner Überzeugung Ausdruck verleihen, dass es nur eine Sache gibt, die wir fürchten müssen: die Furcht selbst – namenlosen, unvernünftigen, unbegründeten Terror, der die nötigen Anstrengungen lahmlegt, um Rückschritt in Fortschritt zu verwandeln. In jeder dunklen Stunde unseres nationalen Lebens ist eine Führung von Offenheit und Elan auf das Verständnis und die Unterstützung der Menschen getroffen, die für den Sieg essenziell sind.“
Diese tröstlichen Worte fielen nicht jetzt, wo Kriege in Nahost und der Ukraine toben. Nicht, als die Covid-Epidemie die Welt lahmlegte und Menschen in Depressionen stürzte. Oder weil der Klimawandel weltweit immer bedrohlichere Szenarien mit sich bringt. Sie stammen aus der Inaugurationsrede des US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt vom 4. März 1933.
Es war eine unbeständige, harte Zeit der bewaffneten Konflikte inmitten einer Weltwirtschaftskrise mit Zigmillionen Arbeitslosen. Es gab nicht viel Positives, das Hoffnung schürte.
Was Roosevelt damals erkannte, kann man heute in vielen klugen Büchern nachlesen: Führung durch Angst mag zwar kurzfristig ganz gut funktionieren; sie bringt aber jegliche intrinsische Motivation wie Neugierde oder die Bereitschaft, neue Herausforderungen anzunehmen, zum Erliegen. Angst blockiert Innovationen – und am Ende des Tages entwickelt sich daraus eine Negativspirale, aus der nichts Produktives oder Kreatives mehr entstehen kann.
Auf der anderen Seite zeigen etliche Beispiele: Wer es schafft, in seinem Team eine positive Dynamik zu erzeugen, der wird seine gesteckten Ziele manchmal sogar übertreffen können.
Das alles ist wissenschaftlich gut erklärbar und untermauert. Umso erstaunlicher ist es darum, dass die heimische Politik angesichts der anstehenden Nationalratswahl offenbar trotzdem lieber auf die negativen statt auf die positiven Gefühle der Wählerinnen und Wähler setzen möchte.
FPÖ-Chef Kickl zählt auf die Furcht der Menschen vor dem Ausländer und einer Obrigkeit, die sie angeblich unterdrücken will. Die ÖVP, noch immer in einer Identitätskrise, versucht erst gar nicht mehr, sich ihrer Stärken zu besinnen und diese auch zu verkaufen. Sie hat vor allem ein Thema: Herbert Kickl. Das Drohszenario, dass der Rechtspopulist nach der nächsten Nationalratswahl sogar Kanzler werden könnte, wird wohl ein essenzieller Teil der Nehammer-Wahlkampagne werden.
Ob das als Motivation reicht, das Kreuzerl an der „richtigen Stelle“ zu setzen? Auch die SPÖ setzt auf die Angst. Einerseits ebenfalls vor dem krawutischen, unkontrollierbaren FPÖ-Chef, andererseits vor dem Klassenfeind. Das ist dieser Reiche, der einem vielleicht auch noch das letzte Hemd nehmen will. Die Grünen inszenieren sich als Retter vor der drohenden Klimakatastrophe. Und die NEOS, die fürchten sich gerade vor sich selbst: dass mögliche Störenfriede aus den eigenen Reihen Ambitionen haben könnten, in die Politik zurückzukommen.
Die Politik behauptet von sich, die Bedürfnisse der Menschen zu erkennen. Eines davon ist, hin und wieder herzlich zu lachen.
So betrachtet: Welches glaubhafte Interesse sollten die Parteien eigentlich haben, dass sich etwas zum Besseren wendet? Dass sich überhaupt etwas ändert? Dann müsste man ja die Strategien zur Emotionalisierung des Wahlvolks noch einmal überdenken.
Das würde sich aber lohnen, vielleicht schafft man es dann endlich, die vielen Politikverdrossenen aus dem Nichtwählerlager zu mobilisieren. Ein Vorschlag für 2024: Wie wäre es mit ein bisschen Witz und Schmäh? Dieses äußerst wirkungsvolle Stilmittel ist der Politik fast gänzlich abhandengekommen.
Einzig Herbert Kickl versucht sich hin und wieder mit bemüht gescripteten Witzen, nach deren Vortrag er den „Und, war’s lustig?“-Blick aufsetzt. Gewollt witzig ist furchtbar, wer es aber authentisch schafft, den politischen Gegner in einer potenziell brenzligen Situation mit der scharfen Klinge lächerlich zu machen, beschädigt dessen Glaubwürdigkeit nachhaltig.
Großmeister dieses Genres war Wiens Altbürgermeister Michael Häupl. Seine flotten Sprüche schrieben Geschichte. „Ihr könnt einen von diesen Blödeln wählen, aber ihr müsst wissen, was ihr tut“, sagte er 2008 über die Opposition. Mit „Wien ist ja nicht in Deppen-Hand“ verlachte er die FPÖ-Slogans, anstatt sich darüber zu echauffieren. Und 2012 sagte er: „Die Politiker von morgen werden eher trockene Managertypen. Wir Entertainer sterben aus.“ Er hatte recht: Spontaner Witz, verständliche Zuspitzungen komplexer Sachverhalte und eine ordentliche Portion Ironie sucht man heute vergeblich.
Die Politik behauptet von sich, die Bedürfnisse der Menschen zu erkennen. Eines davon ist, hin und wieder herzlich zu lachen. Kein Witz.