Schwarz-Rot-Pink: Schluss mit Showpolitik
Können Sie sich an Karl-Heinz Grasser erinnern? Den Sonnyboy und Finanzminister, der vor über 20 Jahren mit Schwarz-Blau als Jungstar die Politik aufwirbelte, der ÖVP zum Kanterwahlsieg verhalf und Werbeslogans wie „Ein guter Tag beginnt mit einem sanierten Budget“ trompetete? Der am Society-Parkett glänzte und sich, strotzend vor Selbstbewusstsein, als „zu jung, zu schön, zu erfolgreich“ beschrieb? Grasser ging bei FPÖ-Altmeister Jörg Haider in die Populismusschule und stieg rasant zum Polit-Popstar auf. Damals. Nun kämpft er vor dem Höchstgericht, ob er ins Gefängnis muss oder nicht. Und die angebliche Budgetsanierung bestand aus Schmähs.
So viel zu Polit-Sternschnuppen, ihrem kometenhaften Aufstieg und abgrundtiefen Fall.
Schillernde Show-Politiker hatte Österreich mehr als genug. Regieren nach dem Prinzip „Hauptsache, die Frisur sitzt und die Inszenierung passt“ auch.
Schillernde Show-Politiker, die vollmundig viel versprechen, im Populismus-Wettlauf stets vorn dabei sind und lieber schnelle Schlagzeilen produzieren als fundierte Inhalte, hatte Österreich in den vergangenen Jahrzehnten mehr als genug. Regieren nach dem Prinzip „Hauptsache, die Frisur sitzt und die Inszenierung passt“ auch.
Die Dreier-Regierung ist dagegen bisher nachgerade ein Stilbruch. Ein wohltuender, wohlgemerkt. Auf Marketing-Gags hat sie weitgehend verzichtet, sich nicht einmal einen peppigen PR-Namen für die Novität ÖVP-SPÖ-Neos-Koalition einfallen lassen. Polierte Werbephrasen und knisternde Verpackung fehlen, schnelle Schlagzeilenproduktion genauso. Die Regierung steht für Kompromisse. Viel mehr Brimborium und Inszenierung war bisher nicht.
Angeführt vom Regierungschef Christian Stocker. Manche seiner Vorgänger träumten schon in der Sandkiste vom Bundeskanzleramt (Alfred Gusenbauer), inszenierten sich über Jahre als Kanzlerreserve (Christian Kern) oder arbeiteten fintenreich und gezielt mit dem „Projekt Ballhausplatz“ auf die Kanzlerschaft hin (Sebastian Kurz). Christian Stocker hingegen war plötzlich Kanzler, zu seiner eigenen Überraschung – als Ruhepol und Last Man Standing in der ÖVP, der nicht schnell genug abwinkte. Das muss kein Nachteil sein. Gusenbauer-Kern-Kurz, sie alle starteten nach langer Vorbereitung und mit üppigen Vorschusslorbeeren als klügste-beste-tollste-Kanzler – und scheiterten hochkant, jeder auf seine Weise. Von diesem sendungsbewussten Trio bleibt bloß: Polit-Sterne, rasch verglüht, die hohen Erwartungen nicht einmal im Ansatz erfüllt.
Gerade im Vergleich fällt der No-Nonsense-Zugang der neuen Koalition auf. Er kann nicht schaden, im Gegenteil: Denn über Inszenierung kamen die Showpolitiker selten hinaus. Beispiele gefällig? Von der großspurig verkauften türkis-blauen Krankenkassenform blieb nur ein Finanzloch, mit Gedöns geschlossene Moscheen wurden bald wieder aufgesperrt, Populismusgesetze wie die gekürzte Familienbeihilfe kassierten die Höchstgerichte. Kurz: viel Effekt, kein Erfolg.
Eine schnelle Überschrift ist aber weniger mühevoll als detailreiche Verhandlungen über sinnvolle Gesetze und Reformen.
Das hat zwar mit Regieren wenig zu tun. Eine schnelle Überschrift ist aber weniger mühevoll als detailreiche Verhandlungen über sinnvolle Gesetze und Reformen. Auch deshalb droht Schwarz-Rot-Pink manchmal ins Showmuster zurückzufallen – und trommelt etwa einen Stopp des Familiennachzugs, der vorerst aus nicht mehr als einer Ankündigung besteht. Details folgen, Hauptsache, der Aufregungspegel ist gesetzt.
Das braucht die neue Regierung gar nicht. Hektische Daueraufgeregtheit gab es in den vergangenen Jahren bis zum Überdruss, Flüchtlinge-Ibiza-Corona-Krieg-Teuerung, dazu Chats und Intrigen, geplatzte Koalitionen, gefallene Kanzler, geharnischte Korruptionsermittlungen. Diese Polit-Serie „House of Cards“ auf Österreichisch war nicht unspannend. Aber jetzt ist Zeit abzuschalten.
Eine Pause von der atemlosen Daueraufregung schadet nicht, nicht einmal dann, wenn sie droht, ein wenig in gepflegte Langeweile abzurutschen. Politik ist keine Show, die Zeiten und Herausforderungen sind zu ernst für Effekthascherei. Budgetdefizit, Bildungsprobleme, Pflegemisere, Wirtschaftskrise: Herausforderungen gibt es genug. Vielleicht sollte es die Politik zur Abwechslung mit ernsthaften und durchdachten Lösungen versuchen. Möglicherweise weniger nervenzerfetzend – aber verdienstvoller und nachhaltiger.