Michael Nikbakhsh: Biolügie
Bio also. Ein Megatrend, wie man das nennt. Wir sind ja heute schon ziemlich bio, und wir werden immer bioer. Der Handel hat das längst erkannt. Kontrollierter Anbau, so weit die Regale reichen. Feine Sache, keine Frage. Und doch: nachhaltig diffizile Materie. Wie gut, dass es die Gütezeichen gibt. Der Mensch braucht schließlich Orientierung. Wobei. Wirklich bio ist, wer da noch durchsteigt. Das Bundesministerium für Land-, Forst-, Umwelt- und Wasserwirtschaft hat auf einer eigens eingerichteten Website (bewusstkaufen.at) mittlerweile 269 einschlägige Labels katalogisiert, die allesamt „nachhaltige Produkte“ im österreichischen Handel kennzeichnen sollen. Allein im Lebensmittelbereich zählt das Ministerium derzeit 106 lokale, regionale, nationale und internationale Signets. Als da wären: „Gütezeichen“, „Kontrollzeichen“, „Verbandszeichen“, „Eigenmarken“ und „Managementlabels“. Wobei „nachhaltig“ nicht notwendigerweise „bio“ ist.
Umgekehrt muss bio weder regional noch saisonal noch fair und/oder sozial sein.
Ein Bio-Ei zum Beispiel muss freiland sein, aber nicht jedes Freilandei ist auch gleich bio. Ein Bio-Produkt muss gentechnikfrei sein, aber nicht jedes gentechnikfreie Produkt ist bio (und obendrein noch nicht einmal restlos gentechnikfrei). Umgekehrt muss bio weder regional noch saisonal noch fair und/oder sozial sein. Von ökologischer Verarbeitung ganz zu schweigen. Ja, es gibt sogar vermeintliche Back-to-Nature-Labels, die zwar durchaus herzig anzusehen sind, aber nicht viel mehr garantieren, als dass das jeweilige Produkt „regional“ verarbeitet wurde. Da gibt es etwa die Erdäpfel-Eigenmarke einer großen österreichischen Handelsgruppe, deren nachhaltigen Anspruch das Ministerium so interpretiert: „Ein nachhaltiger Entwicklungsansatz ist nicht erkennbar.“ Nein, es ist nicht leicht, den Planeten zu retten.