Michael Nikbakhsh: Hypo-Debakel - Der Nächste, bitte!

Michael Nikbakhsh: Hypo-Debakel - Der Nächste, bitte!

Michael Nikbakhsh: Hypo-Debakel - Der Nächste, bitte!

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In gewisser Weise ist Wolfgang Kulterer alles andere als repräsentativ – weil er etwas tat, was von ihm nicht zu erwarten war: Der frühere Vorstands- und Aufsichtsratsvorsitzende der Hypo Alpe-Adria übernahm Verantwortung. Erst im Rahmen eines ausführlichen Briefverkehrs mit profil (publiziert in der Ausgabe Nr. 29/15), dann, am 16. Juli, vor dem laufenden parlamentarischen Hypo-Untersuchungsausschuss. Er habe, nachträglich betrachtet, „zahlreiche“ und teils „schwerwiegende Fehler“ gemacht, räumte Kulterer ein: „Dazu stehe ich.“

Mag sein, dass vier rechtskräftige Verurteilungen und sechseinhalb Jahre unbedingter Haft nötig waren, um ihn zu dieser Erkenntnis zu bewegen. Mag auch sein, dass er bis heute die eine oder andere Antwort schuldig geblieben ist. Dennoch: Er hat es getan. Kulterer ist einer, genau genommen bisher der Einzige, der die Größe hatte, seine Mitverantwortung am Hypo-Debakel öffentlich einzubekennen. Sonst: ein Gewissen reiner als das andere, einer unschuldiger – weil unbeteiligter – als der andere. Bankmanager, Aufsichtsräte, Wirtschaftsprüfer, Revisoren, Finanzaufseher, Kanzler, Minister, Staatssekretäre, Landespolitiker, Rechtsberater: Niemand fühlt sich zuständig, verantwortlich, beteiligt, geschweige denn mitschuldig.

Dabei wird geflissentlich ausgeblendet, dass die beteiligten Akteure allesamt Teil dieses „Systems“ waren und teilweise auch noch sind

Seit Ende vergangenen Jahres ist zumindest amtlich, dass das „System“ versagt hat. So steht es im Bericht jener Hypo-Untersuchungskommission unter dem Vorsitz der ehemaligen Höchstrichterin Irmgard Griss. Namen nannte die Kommission wohlweislich nicht und lieferte damit jedem, der seither auf seine Verwicklung in den Skandal angesprochen wurde, ein komfortables Alibi. Dabei wird geflissentlich ausgeblendet, dass die beteiligten Akteure allesamt Teil dieses „Systems“ waren und teilweise auch noch sind. Und jeder von ihnen setzte (oder unterließ) über Jahre hinweg Handlungen, die das Versagen erst zu einem solchen machten.

Ewald Nowotny zum Beispiel. Seit 1. September 2008 steht er der Oesterreichischen Nationalbank vor. Seither hat er keine wie immer geartete Verantwortung übernommen. Erst am Freitag der Vorwoche beantwortete er in den „Salzburger Nachrichten“ die Frage nach persönlichen Konsequenzen so: „Man darf die finanzielle Katastrophe der Hypo Alpe-Adria nicht kleinreden, das ist eine gewaltige Belastung. Ich habe viel Zeit verbracht, nachzudenken, was und ob man etwas hätte besser machen können. Die Sache war aber schon lange vorher so verfahren, dass es keine wirklich guten Lösungen mehr gab. Man kann geteilter Meinung sein, ob alle Schritte richtig waren, auch wir als OeNB haben unser Tun selbstkritisch hinterfragt.“

Josef Pröll? Hat die Verstaatlichung zwar politisch zu verantworten – aber diese war ja bekanntlich „alternativlos“

Und die Erkenntnis daraus? „Ich denke, wir haben die richtigen Ratschläge gegeben.“ Mehr noch: „Ich bin sicher, dass alle OeNB-Mitarbeiter inklusive der Mitglieder im Direktorium ihre Rolle nach bestem Wissen und Gewissen erfüllt haben.“

Noch Ende 2008 hatte eben diese Nationalbank die Hypo in einer Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung allen Ernstes als „nicht Not leidend“ eingestuft und damit gleich einmal 900 Millionen Euro Steuergeld Richtung Klagenfurt auf den Weg gebracht – der Anfang vom Ende. Man will sich gar nicht ausmalen, was passiert oder nicht passiert wäre, hätte die OeNB die Bundesregierung schon Ende 2008 vor möglichen Unbilden gewarnt. Schwer vorstellbar, dass ÖVP-Finanzminister Josef Pröll ein Jahr später, entsprechend gut vorbereitet, durch die Verstaatlichungsverhandlungen mit der Bayerischen Landesbank und dem damaligen bayerischen Finanzminister Georg Fahrenschon gestolpert wäre. Noch Ende 2009 ging die OeNB davon aus, dass die Hypo mit zwei Milliarden Euro zu retten sein würde. Längst ist von mehr als zehn Milliarden Euro die Rede, nur nicht mehr von Rettung – die Bank hat mittlerweile aufgehört zu existieren, verblieben ist lediglich die Sondermülldeponie Heta, randvoll mit faulen Krediten, unverkäuflichen Immobilien, Grundstücken und Beteiligungen.

Josef Pröll? Hat die Verstaatlichung zwar politisch zu verantworten – aber diese war ja bekanntlich „alternativlos“. Seine Nachfolgerin Maria Fekter? Ließ wichtige Beihilfenverhandlungen mit der EU-Kommission schleifen, weil man sich von Brüssel ja nun wirklich nicht alles gefallen lassen muss. Oder Bundeskanzler Werner Faymann? Kann schon deshalb keine Verantwortung tragen, weil er bei den Verstaatlichungsverhandlungen gar nicht dabei war. Oder Nowotnys Vorgänger an der OeNB-Spitze, Klaus Liebscher? War sowohl zu seiner Zeit in der Nationalbank als auch später in der staatlichen Bankenholding Fimbag oder als Aufsichtsratsvorsitzender der Hypo (2013 bis 2014) zwar stets mittendrin, aber irgendwie doch nie dabei. Und die Organe der Bayerischen Landesbank sind ohnehin völlig schuldlos, weil sie ja seinerzeit von den Kärntnern beschissen wurden.

Was bleibt, ist ein schwerwiegender Verdacht: Der Niedergang der Hypo war die Folge schicksalhafter Koinzidenzen – höhere Gewalt quasi. Verantwortung? Mitnichten. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Michael   Nikbakhsh

Michael Nikbakhsh

war bis Dezember 2022 stellvertretender Chefredakteur und Leiter des Wirtschaftsressorts.