Österreichs Miet-Absurdistan
Der österreichische Mietmarkt ist eine Zumutung. Dass die hohe Inflation in den vergangenen Monaten zu Fantasiepreisen geführt hat, ist ein Grund. Die Gestaltung des Marktes an sich ein anderer. Das unterstreicht auch der aktuelle Vorschlag eines Mietpreisdeckels, den die Regierung diese Woche präsentierte.
Es kam überraschend, dass sich Schwarz-Grün nach monatelangen Diskussionen nun doch noch auf preisdämpfende Maßnahmen einigen konnte. Da Österreich im Euro-Raum zu den Inflationsspitzenreitern gehört und sich dieses Problem wenig verwunderlich nicht von selbst löst, hat man sich jetzt spät, aber doch zu einem Kompromiss durchringen können. Mietpreiserhöhungen sollen gedeckelt werden. Aber nicht für alle, und das geht so:
In Österreich gibt es vier Mietkategorien. Erstens, den Kategoriemietzins: Der kommt bei Mietverträgen zur Anwendung, die vor 1994 im Altbau (vor 1945 erbaut) abgeschlossen wurden. Wer so wohnt, der bekam zuletzt gleich mehrfach Erhöhungen aufgebrummt. Sie können immer dann verordnet werden, wenn die kumulierte Inflation (seit der letzten Erhöhung) über fünf Prozent liegt. Das kam in den vergangenen eineinhalb Jahren gleich vier Mal vor. Trotzdem ist der Mietzins mit 4,46 Euro pro Quadratmeter für eine Kategorie-A-Wohnung vergleichsweise günstig. Künftig sollen diese Mieten nur ein Mal pro Jahr um höchstens fünf Prozent angehoben werden. Das ist aus heutiger Sicht wohl gar nicht notwendig: Die prognostizierte Inflation für 2024 liegt bei 4,1 Prozent.
Zweitens: der Richtmietzins. Den bezahlt, wer im Altbau wohnt und seinen Vertrag nach März 1994 abgeschlossen hat. Das betrifft auch viele Gemeindewohnungen in Wien. Es wäre nicht Österreich, wenn die Richtwerte nicht in allen neun Bundesländern unterschiedlich hoch wären. In Vorarlberg ist er mit 10,25 Euro am höchsten, im Burgenland am niedrigsten (6,09 Euro). Für diese Mieter stand im Juli eine saftige Erhöhung an, die nächste wäre 2025 zu erwarten – und zwar in der Höhe der kumulierten Inflation der vergangenen beiden Jahre. Das wären aus heutiger Sicht rund elf Prozent – das soll auf fünf Prozent gedrückt werden.
Drittens: Die gemeinnützigen Mieten, also Genossenschaften, werden wie der Richtmietzins ebenfalls alle zwei Jahre angepasst. Das stünde nächstes Jahr an. Es geht um eine Erhöhung von rund 16 Prozent, das soll auf rund ein Drittel gedämpft werden.
Ab 2027 sollen Erhöhungen für diese drei Kategorien vereinheitlicht werden: An einem Stichtag, dem 1. April, darf um den Durchschnitt der vergangenen drei Jahre erhöht werden.
Und dann gibt es noch die freien Mieten, die im Neubau verrechnet werden dürfen. Sie werden verhandelt und sind darum in der Regel die teuersten Mieten. Deckel soll es keinen geben. Das ist widersinnig, da ein altes Haus freilich mehr Investitionsbedarf als ein Neues hat – vor allem im Hinblick auf die vom Gesetzgeber gewünschte und bald vorgeschriebene Energiewende. Bis 2040 müssen Gasthermen und Fenster getauscht und Häuser gedämmt werden. Das kostet viel Geld und ist im Altbestand dazu auch besonders kompliziert umzusetzen.
Aber auch insgesamt berücksichtigt das derzeit herrschende System viele Faktoren nicht, die manche Wohnungen wertvoller als andere machen. Das sollte sich logischerweise auch auf die Preisgestaltung auswirken, sollte man meinen. Nein, mehr noch, es ist regelrecht absurd: Eine denkmalgeschützte Altbauwohnung am Stephansplatz muss bisweilen per Gesetz billiger vermietet werden als jede billigst gebaute Neubauwohnung in der trostlosesten Randgegend der Hauptstadt.
Wenn die Regierung schon das Monster „Mietrecht“ angreift, mit dem Ziel, mehr „Fairness“ herzustellen, sollte sie es gleich von Grund auf reformieren. Man müsste sich zum Beispiel endlich zu einem transparenten System der Zu- und Abschläge durchringen – das scheiterte in der Vergangenheit auch an dem Widerstand der ÖVP. Gute Lage, Ausstattung, Zustand oder auch energieeffiziente Heizsysteme könnten höhere Mieten rechtfertigen. Das böte Eigentümern auch einen Anreiz, sich um ihre Liegenschaften gut zu kümmern und für die Energiewende unerlässliche Sanierungen anzugehen. Das kostet nämlich viel Geld, und die Motivation, dieses aufzuwenden, steigt, wenn es für den Eigentümer zumindest kein Verlustgeschäft ist.