Satire

Opferbereitschaft

Was manche Politiker alles aushalten müssen, geht ja wirklich auf keine Kuhhaut.

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In jüngster Zeit wurde einigen der hervorragendsten Denker und Lenker, die die Weltpolitik im Moment zu bieten hat, wirklich übel mitgespielt. Sie alle wurden zu Opfern heimtückischer Angriffe. Zuallererst ist hier natürlich Wladimir Putin zu nennen, bekanntlich der Sensibelsten einer. Es ist zwar nicht überliefert, wie er reagiert hat, als ihm die ungeheure Attacke von Bundespräsident Alexander Van der Bellen gegen ihn zu Ohren kam. Man darf aber, seine zarte Seele kennend, mit einiger Sicherheit annehmen, dass er in seiner bescheidenen Bleibe in Sotschi immer noch schluchzend auf dem Klo sitzt und nicht einmal seine engsten Mitarbeiter ihn finden können, weil sie nicht wissen, auf welchem der 468 er ist. Und da reden wir nur einmal vom Ostflügel.

Nach dem Bundespräsidenten musste dann auch noch unbedingt Außenminister Alexander Schallenberg die grausliche Beleidigung, an Alexej Nawalnys Tod sei ein mörderisches Regime schuld, wiederholen, um Putin noch tiefer in die Depression zu stürzen. Dabei wird die Untersuchung der in solchen Fällen gewohnheitsmäßig vollkommen unabhängig wie auch akribisch genau arbeitenden russischen Behörden demnächst, also schon in einigen Wochen oder auch Monaten, zweifelsfrei ergeben, dass Nawalny eines zwar höchst bedauerlichen, aber gänzlich unvermeidbaren, natürlichen Todes gestorben ist.

Dieser Tatsache hat leider auch Donald Trump nicht genügend Beachtung geschenkt, als er sich angesichts seiner laufenden Gerichtsverfahren und vor allem der doch etwas ärgerlichen Verurteilung zur Zahlung von 354 Millionen Dollar Strafe in einem Betrugsprozess gewohnt stilsicher mit Nawalny verglich, der ja ebenso wie er zum Opfer von Kommunismus oder Faschismus oder wie das heißt geworden sei. Dieser kleine Lapsus ist umso bedauerlicher, als Trump bislang eher nicht durch allzu großen Widerspruch gegenüber Putin aufgefallen ist, so von stabilem Genie zu stabilem Genie. Möglicherweise hängt das mit der immer wieder behaupteten Existenz von Videomaterial zusammen, auf dem Trump in einem Moskauer Hotelzimmer mit einigen Damen zu sehen sein soll, die ihm völkerverbindend ein paar Wünsche der durchaus ausgefalleneren Art erfüllen. Aber Donald wird das alles sicher wieder in Ordnung bringen, wenn er endlich zurück im Weißen Haus ist.

Putin, Trump, Kickl – lauter Verfolgte

Der russische Botschafter in Wien, den wir schon länger als ebenso grundehrlichen wie -sympathischen Mann kennen, protestierte natürlich energisch gegen die Ausfälle des offiziellen Österreich gegen seinen friedliebenden Boss, aber da war der Schaden beim armen Wladimir leider schon angerichtet. Wie auch jener an der österreichischen Neutralität, also dem Allerheiligsten im heimischen Folklore-Tabernakel. Das fiel wiederum natürlich einzig der österreichisch-russischen Freundschaftsgesellschaft, formerly known als FPÖ, auf. Sie versucht ja als einzige Partei die Neutralität wirklich mit Leben zu erfüllen, und zwar mit einem für uns alle sicher sehr angenehmen unter Putins gnädiger Duldung. Folgerichtig wurde von den Blauen der Name Nawalny gar nicht erst erwähnt, sondern Generalsekretär Michael Schnedlitz, bekannt als einer der größten Denker von ganz Tamsweg samt allernächster Umgebung, befand, Schallenberg wolle wohl „am liebsten Österreich in einem Gesamtstaat der EU auflösen und uns immer weiter in den Wirtschaftskrieg samt Sanktionen gegen Russland verwickeln“. Herbert Kickl hingegen würde ja Putin einfach die Reblaus vorsingen – und alles wäre gut.

Die FPÖ hat aber im Moment anderweitig sogar noch viel stärkere Schmerzen. Nicht, dass sie das als Daueropfer der sattsam bekannten Jagdgesellschaft nicht gewöhnt wäre, aber dieses Mal ist es echt ganz schlimm. Krawallkomödiant Jan Böhmermann widmete sein ganzes „Magazin Royale“ auf ZDF der FPÖ. Und beendete dann die ohnehin schon extrem beleidigende Sendung mit dem Satz, man möge „nicht immer die Nazikeule rausholen, sondern vielleicht einmal ein paar Nazis keulen“. Herbert Kickl kochte daraufhin vor Wut und befand, dies sei ein Mordaufruf an FPÖ-Politikern. Nun kann man über die Qualität dieser Pointe sicherlich geteilter Meinung sein – wobei: eigentlich nicht – aber abgesehen vom eher überschaubaren Schenkelklopffaktor stellt sich überhaupt die Frage: Womit hat der arme Herbert das verdient? Ich meine, wenn er gewohnheitsmäßig einen Aggressionspegel zur Schau trüge wie ein Pitbull nach einer zweiwöchigen Salatdiät und zum Beispiel Fahndungslisten für Volksverräter erstellen wollte oder ähnlich widerwärtige Dinge von sich geben würde, dann könnten manche meinen, auf einen groben Klotz gehöre nun einmal ein grober Keil. Aber so bitte?

Die tiefe Betroffenheit über diesen Akt linksextremen Terrors führte dann leider auch dazu, dass Kickl in seiner Reaktion ein sehr ärgerlicher Fehler unterlief. Böhmermann sprach von Nazis. Nicht von FPÖ-Politikern. Also hätte sich der Herbert ja eigentlich gar nicht betroffen fühlen sollen. So ein Pech aber auch.

Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz