Meinung

Orbán lässt grüßen

Die FPÖ zeigt noch vor Verkündung des Wahlergebnisses, was sie von freien, unabhängigen Medien hält: nicht viel. Kritische Journalisten - auch von profil - wurden am Wahlabend nicht zur Wahlparty eingelassen.

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"Sie werden sich noch wundern, was alles möglich ist”, sagte FPÖ-Mann und Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer im Jahr 2016 als er einen Wahlsieg seiner Partei erwartete. Der ist bei diesen EU-Wahlen nun wirklich gekommen. Die Blauen liegen das erste Mal auf Platz eins bei einer bundesweiten Wahl. Was bereits am Wahlabend passierte, könnte einen tatsächlich wundern - tut es dann aber irgendwie doch nicht, weil es war absehbar. Noch vor der offiziellen Verkündung des Wahlergebnisses zeigt die Partei ihr wahres Gesicht und lässt im Vorwahltaumel gleich einmal ihre “Feinde” spüren, was man künftig zu erwarten hat: nichts Gutes. 

In einer entwickelten Demokratie sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, dass Medien am Wahlabend unabhängig und unbehindert berichten können. Nicht bei der FPÖ. Unser profil-Reporter, sowie etliche Vertreter der Auslandspresse oder auch Kollegen vom Falter durften nicht auf die FPÖ-Wahlparty, um sich ein Bild zu machen. Angeblich aus Platzmangel. 

Uns würde interessieren, ob das für Parteipropagandamedien wie AUF1, Unzensuriert oder FPÖ-TV auch galt. Wohl eher nicht.

Orbán lässt grüßen.

Dass die FPÖ nichts von der freien Presse hält, ventiliert sie seit Jahren. Den ORF hat man gar zum Feind Nummer eins für diesen Wahlkampf erklärt. Kein Wunder: Jene, die über FPÖ-geprägte Skandale wie Ibiza, Kickls Ideenschmiede, die BVT-Affäre, die Spionageaffäre Ott oder auch den blauen Grazer Finanzskandal berichten, bringen der Partei nichts. Also hat man sich schon vor Langem ein ganz eigenes rechtes Medienuniversum aufgebaut, das sich nicht an journalistische Standards hält, aber am Ende des Tages von Steuergeld in Form von Parteienförderung finanziert wird. Und dementsprechend gefärbt ist auch die Berichterstattung. Es ist kein Zufall, dass FPÖ-Chef Herbert Kickl etwa auf dem Propagandasender AUF1 mit der AfD-Chefin ein gemeinsames Interview gegeben hat und dort verkündete, man werde den Wahlkampf gemeinsam bestreiten. 

Das tat man. Mit Fake-News, mit verdrehten Tatsachen und vor allem ganz viel populistischer Stimmungsmache. Das Traurige: Es funktioniert auch. Die FPÖ liegt in Österreich bei den EU-Wahlen laut Exit-Polls auf Platz eins - in Deutschland liegt die Schwesternaprtei AfD auf Platz zwei. In weiten Teilen der ehemaligen DDR verzeichnet sie Wahlsiege. 

Das hat auch damit zu tun, dass viele ihrer Wähler in eben diese Parallel-Medien-Universen abgeglitten sind. Klassische Medien kommen dagegen vielfach gar nicht mehr an - das zeigen auch Untersuchungen rund um den Trump-Wahlkampf. Mit finanziellen Mitteln, die klassische Medienhäuser gar nicht mehr haben, werden kritische Berichte auch schlicht mit Geld im Social-Media-Algorithmus untergraben. Es kommt oft gar nicht mehr dazu, dass Menschen kritische Berichte lesen und sich dazu eine Meinung bilden könnten. Sie werden ihnen gar nicht erst in ihren Feeds angezeigt. 

Ein wenig Selbstkritik sollten wir Medien uns an diesem denkwürdigen Wahlabend aber auch gönnen. Denn so unfair, demokratisch bedenklich und unter der Gürtellinie die Methoden der rechten Krawall-Parteien in ganz Europa hinsichtlich unabhängiger Medien wohl auch sein mögen: Irgendwo haben wir die Menschen verloren. Es wird nicht ausbleiben, um sie zu kämpfen und sie zurückzugewinnen. Dafür braucht es neben Selbstreflexion und einer guten Debattenkultur in den Redaktionen aber auch eine Politik, die mehr als Lippenbekenntnisse abgibt, wenn es um kritische Medien geht. Es braucht eine Politik, die sich unangenehme Fragen auch wieder gefallen lässt - und stolz darauf ist, wenn man sich gut geschlagen hat. Es braucht ein Bildungssystem, das vermittelt, warum gute Information einen Wert haben. Eltern, die genau das ihren Kindern erklären. Und am Ende des Tages auch Menschen, die bereit sind, das in Form von Geld und Abonnements zu unterstützen. Die in Österreich weit verbreitete Gratis-Mentalität, wenn es um Medienkonsum geht, ist der Qualität von Journalismus und den damit nötigen, verbundenen Ressourcen nicht zuträglich. In diesem Sinne: Danke, dass Sie uns lesen und abonnieren. Wir werden weiter kritisch bleiben, auch wenn man uns noch so oft vor die Türe setzt. 

Anna  Thalhammer

Anna Thalhammer

ist seit März 2023 Chefredakteurin des profil. Davor war sie Chefreporterin bei der Tageszeitung „Die Presse“.