Die Sportler des Jahres

Sportlerwahlen und Christbäume haben etwas gemeinsam: Sie sind am Jahresende Fixpunkte, und die Kür der besten Athleten erfolgt ähnlich objektiv wie eine Tanne am Heiligen Abend religiös ist. Also wenig bis gar nicht.

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1.Max Verstappen, der als schneller Autofahrer zum Weltsportler und nicht als Intellektueller berühmt wurde, bringt die Sache auf den Punkt: „Es geht nicht darum, dass ein Erfolg wertvoller ist als ein anderer. Weil es nur einen dummen Preis für eine Person gibt.“ Man solle jedes Sporttalent gleich anerkennen. Der gute Mann hat recht.

2. Doch die Kritiker von Sportlerwahlen argumentieren oft mit stupiden Halbwahrheiten. Zum Beispiel jener, dass in Österreich immer ein Skifahrer gewinnen würde. Von zwölf heimischen „Sportler:innen des Jahres“ seit 2020 fuhren exakt zwei auf Skiern: Stephanie Venier als Weltmeisterin 2025 und Vincent Kriechmayr als Doppelweltmeister 2021. Beide haben es verdient.

3. Venier und Kriechmayr sind aber genauso nur 16,67 Prozent aller „Sportler des Jahres“ wie im selben Zeitraum zwei Radfahrer (Olympiasiegerin Anna Kiesenhofer 2021 und Felix Gall 2023 als Etappensieger und Gesamtfünfter der Tour de France) und zwei Leichtathletinnen: Siebenkämpferin Ivona Dadic als Jahresweltbeste 2020 und Speerwurf-Europameisterin Victoria Hudson 2024.

4. Ebenfalls zu den besten Sportlern Österreichs wurden ein Kitesurfer – Valentin Bontus nach seinem Olympiagold – und das Segelduo Lukas Mähr und Lara Vadlau erkoren. Liebe Skisport-Meckerer, Hand aufs Herz: Hättet ihr das gewusst und Dadic oder Hudson überhaupt gekannt? Wenn ja, wer kennt auch die Herren Lee Bhekempilo Eppie, Bayapo Ndori und Collen Kebinatshipi?

5. Vielleicht fällt bei Letsile Tebogo der Cent vulgo Groschen. Oder auch nicht. Diese vier Männer kommen aus Botswana und erbrachten die für mich großartigste Leistung des Sportjahres 2025. Das kann ich nämlich auch: Weltsportler benennen und dabei extrem subjektiv sein.

Die Kritiker von Sportlerwahlen argumentieren oft mit stupiden Halbwahrheiten. Zum Beispiel jener, dass in Österreich immer ein Skifahrer gewinnen würde.

6. Hochoffiziell – für den „Laureus“-Award – als Weltsportler aufgestellt wurde nach seinen Serienweltrekorden der Stabhochspringer Armand „Mondo“ Duplantis. Und Spaniens Tennisgott Carlos Alcaraz. Plus Wunderschwimmer Léon Marchand, der radsportelnde Allesgewinner Tadej Pogačar und besagter Verstappen. Jeder meiner subjektiven Superstars hingegen läuft bloß eine 400 Meter lange Stadionrunde. In Summe rennen sie als Staffel läppische 1600 Meter oder knapp drei Minuten.

7. Allerdings machte Botswana in der 4-mal-400-Meter-Staffel bei der Leichtathletik-WM in Tokio 2025 die fast unschlagbaren USA nass und holte die Goldmedaille. Wobei die Geschichte eine Vorgeschichte hat: Letsile Tebogo wurde bereits im Jahr davor Olympiasieger über 200 Meter. Danach wollte er auf den doppelt so langen und für ihn zu langen 400 Metern sein Team zu Gold führen. Er scheiterte arschknapp. 2025 war Tebogo vergleichsweise nicht einmal in Form.

8. Natürlich kann es in fast jedem Sport und aus jedem Land einen Ausnahmekönner geben. Doch schien es undenkbar, dass das „Land der Tswana“ mit rund 2,7 Millionen Einwohnern – fast viermal kleiner als Österreich und die älteste Demokratie Afrikas – je die USA in einem Mannschaftssport besiegt. Dass Tebogo & Co an amerikanischen Universitäten trainieren, ist kein Argument. Auch Österreichs beste Fußballer spielen nicht in Altach oder Hartberg. Sie wurden als Legionäre trotzdem nie Weltmeister.

Das kann ich auch: Weltsportler benennen und dabei extrem subjektiv sein.

9. Kebinatshipi hingegen, den nur echte Laufnerds kannten, holte sich sensationell den Einzeltitel im 400-Meter-Lauf. Am Schlusstag der WM nahmen er und seine drei Kumpels den US-Amerikanern in der Staffel die goldene Butter vom Brot. Kebinatshipi kickte auf den allerletzten zehn Metern – und brachte Botswana von Platz drei auf eins! Kicken hat hier nichts mit Fußball zu tun, sondern ist beim Laufen der Fachausdruck für einen kurzen Antritt. Das war ganz großes Kino.

10. Können „wir“ dasselbe schaffen? Leider ist Österreichs Historie belastet. 1992 spritzte sich eine Sprintstaffel ins Olympiafinale. 1999 war der Titelgewinn von vier nordischen Langläufern bei der Heim-WM in der Ramsau mutmaßlich detto auf Doping zurückzuführen. Ich war mit leuchtenden Augen dabei und fühle mich bis heute betrogen. Doch vielleicht wird Österreich ja 2026 Fußball-Weltmeister – und dann wohl auch, ganz objektiv, die Sportmannschaft des Jahres.

Peter Filzmaier

Peter Filzmaier

ist Politikwissenschafter … und Sportfan! Seine Doktorarbeit verfasste er zu den politischen Aspekten der Olympischen Spiele, außerdem schrieb er mehrere Sportbücher, gestaltete einen Sport-Podcast und betreibt das Sportblog atemlos.at