Peter Michael Lingens: Am Grab der Erbschaftssteuer
Seit dem Tod des Billa-Gründers und Immobilien-Tycoons Karl Wlaschek berichtet „Kurier online“ mit lexikalischer Ausführlichkeit über dessen „geheimnisvolles Erbe“: seine Entstehung, seine Mehrung und seine geschätzte Größe zwischen fünf und sechs Milliarden Euro. Ausführlich wird zitiert, wie es in einer Stiftung geparkt ist, die jedoch angeblich „die Allgemeinheit begünstigt“, indem sie „denkmalgeschützte sowie für das Stadtbild Wiens bedeutsame Gebäude erwirbt, saniert und erhält“. Nicht verschwiegen wird ihr Bilanzgewinn im Vorjahr von 263 Millionen.
Ergänzt wird diese Abhandlung durch wechselnde Beiträge über Reichtum in Österreich. Man erfährt, dass die Familie Porsche-Piëch mit einem geschätzten Vermögen von 44 Milliarden an der Spitze der Superreichen steht oder dass die Summe der Vermögen der 100 reichsten Österreicher auf 170 Milliarden geschätzt wird.
Die Vermögensverteilung insgesamt bewegt sich auf dem Niveau der USA: Die zehn Prozent reichsten Österreicher besitzen 60 Prozent des Gesamtvermögens.
Alles nicht neu, aber in dieser Dichte doch recht beeindruckend. Dass daraus eine neuerliche Diskussion über Erbschaftssteuern resultieren könnte, entging auch dem „Kurier“ nicht – nur jeder Meinung dazu enthielt er sich eisern.
Bloß bei den Lesern prallen die Meinungen aufeinander: Leser Wilhelm Volke zitiert spöttisch den Slogan der ÖVP, dass Leistung sich wieder lohnen müsse, frägt, was Erben denn „leisten“ und fordert Erbschaftssteuern. Leser Manfred Fuchs meint, dass das niemanden interessiert, doch Leser Zino Zinelli ist der Ansicht, dass es die Finanz interessieren sollte, die davon freilich Abstand nähme, weil die ÖVP ihre Klientel schütze. Eine Leserin wagt sogar die Meinung, dass eine Erbschaftssteuer in einem Todesfall wie diesem doch einen erklecklichen Betrag erbringen könnte.
Falls sie (oder Sie) die Größenordnung interessiert: Unter Anwendung des deutschen Erbschaftssteuersatzes für Ehegatten und Kinder wären es zwischen 1,5 und 1,8 Milliarden Euro. Etwa so viel, wie Hans Jörg Schelling durch die Bekämpfung des Steuerbetruges hereinzubekommen hofft. (Aus den prominenteren Todesfällen der vergangenen Jahre hätte man nach deutschem Recht bequem die gesamte Steuerreform gegenfinanzieren können.)
Doch „Kurier“-Leser Paul Weber bleibt cool und fordert aufkeimenden „Neid“ zu zügeln: Wlascheks Stiftung zeige „eigentlich eine sehr soziale Ader“. Und bei einer Privatstiftung fiele auch dann keine Erbschaftssteuer an, wenn es sie gäbe, denn die Stiftung erbt nicht. Womit er Recht hat: Österreich schützt das Vermögen seiner Superreichen und ihrer Erben nicht nur durch die Abschaffung der Erbschaftssteuer, sondern auch durch sein Stiftungsrecht, das keinerlei Gemeinnützigkeit voraussetzt.
Es dankt das dem ehemaligen SPÖ-Finanzminister Ferdinand Lacina, der Wlaschek damit dazu bewegte, seine Stiftung von der Schweiz nach Österreich zu verlagern, wo er deren Handelsunternehmen steuerfrei verkaufen und damit sein Immo-Imperium finanzieren konnte. Was Österreich sonst noch von ihm hatte, weiß ich nicht – nur dass Lacina im Zuge der Implementierung seines Stiftungsrechts die Vermögenssteuer in ihrer damaligen Form abschaffte. Es gibt sie in dieser Form, die etwa Schmuck und Hausrat einbezieht, heute nur mehr in der Schweiz. Überall sonst beschränkt man sich auf vermögensbezogene Steuern, die hierzulande freilich einsam niedrig sind (in der Schweiz sind sie zwei Mal, in England vier Mal so hoch). Zum einen liegt das an den grotesken Einheitswerten. Zum anderen an der Abschaffung der Erbschaftssteuer.
„Die brächte weniger, als ihre Eintreibung kostet“, argumentierte bekanntlich Hans Jörg Schelling. In Deutschland belaufen sich die Kosten auf vier Prozent der Steuereinnahmen. Eugen Freund wurde wegen der 100-fach geringeren Fehleinschätzung eines Arbeiter-Einkommens von der bürgerlichen Presse durch Sonne und Mond geschossen – ein VP-Finanzminister kann sie sich beruhigt leisten.
Es kann von VP-Propagandisten sogar immer wieder unwidersprochen behauptet werden, dass auch Deutschland die Abschaffung der Erbschaftssteuer diskutiere. Diese Diskussion sieht folgendermaßen aus: Bezüglich privater Vermögen steht die Erbschaftssteuer von 30 Prozent (bei ausreichenden Freibeträgen) völlig außer Streit. Betriebsvermögen von Klein- und Mittelbetrieben wurde jedoch bisher von dieser Besteuerung fast generell verschont, um die Fortführung nicht zu gefährden. Das hat der Oberste Gerichthof als zu weitgehend gekippt. Daher will Wolfgang Schäuble es folgendermaßen reparieren: Die Steuerschonung soll nur für Betriebe unterhalb eines Wertes von 20 Millionen gelten. Jenseits dieser Schwelle muss geprüft werden, ob genügend Mittel zur Begleichung der Steuer vorhanden sind – wobei auch das private Vermögen der Erben berücksichtigt würde.
PS: Schade um Franz Voves, der Werner Faymann erst daran erinnerte, dass man Reiche adäquat besteuern könnte.